Migration
"„Ich glaube ja nicht, dass wir aus der Geschichte lernen können…“

Ein Aktenstapel, der viel über die Migrationsgeschichte Europas erzählt. | Foto: Archives départementales du Haut-Rhin, Colmar (Foto: Levke Harders,  2016) CC BY-NC-SA 4.0 DE
  • Ein Aktenstapel, der viel über die Migrationsgeschichte Europas erzählt.
  • Foto: Archives départementales du Haut-Rhin, Colmar (Foto: Levke Harders, 2016) CC BY-NC-SA 4.0 DE
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Man kann den Eindruck gewinnen, Migration sei ein Phänomen unserer heutigen Zeit. Und glaubt man den Aussagen einiger Politiker*innen, wird das Phänomen schnell zum Problem. Dabei ist Migration nichts Neues und ob Zuwanderung als „Problem“ betrachtet wird, ist Ergebnis eines gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses. Die Historikerin Levke Harders von der Uni Innsbruck wirft mit uns einen Blick in die Europäische Migrationsgeschichte.

Migrationsbewegungen lassen sich in Europa bis weit in die Geschichte zurück verfolgen. Vor der Industrialisierung war die Mobilität der Menschen meist begrenzt auf die eigene Gehgeschwindigkeit oder Pferdekutschen. Dementsprechend fand Migration auch deutlich kleinräumiger statt als die globalen Migrationsbewegungen, die wir im 20. und 21. Jhdt. beobachten können. Erst mit der Eisenbahn stieg die Reisegeschwindigkeit und somit auch die zurücklegbare Strecke deutlich an.

Ein Europa der Grenzen

Für Levke Harders ist die europäische Migration im frühen 19. Jhdt. besonders interessant. Diese Zeit war geprägt von gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, was zu umfassenden Migrationsbewegungen führte. Harders beschreibt Europa zur damaligen Zeit als ein Europa der Grenzen bzw. Grenzregionen: Auch bei kleinräumiger Migration mussten häufig Grenzen überwunden werden. Allerdings waren diese zur damaligen Zeit meist keine so klar definierten Linien, wie wir Grenzen heute verstehen.

Fremdheit und Zugehörigkeit

Ob Migrant*innen an ihrem Zufluchtsort „fremd“ sind oder zur Gesellschaft „dazu gehören“, ist aus Sicht der Historikerin keine Naturkonstante, sondern das Ergebnis eines gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses. Mit der Bildung der Nationalstaaten und dem ersten Staatsbürgerschaftsgesetz, das 1776 im dänischen Königreich eingeführt wurde, war ein Weg gefunden, zumindest formal über Zugehörigkeit und Fremdheit zu entscheiden. Lokale Zugehörigkeit konnte jedoch auch durch die Zunft oder Sprachkenntnisse erreicht werden.
Frauen waren im Konzept der Staatsbürgerschaft ursprünglich nicht vorgesehen. Sie werden in historischen Dokumenten oft nicht namentlich genannt und wurden von Behörden als „Anhängsel der Männer“ behandelt.

Aus der Geschichte lernen

Levke Harders erforscht Migration und Einbürgerungsprozesse im Europa des frühen 19. Jhdts. anhand ausgewählter Grenzregionen. Bzgl. der Rückschlüsse, die wir Menschen aus der Vergangenheit ziehen, ist sie skeptisch: „Ich glaube ja nicht, dass wir aus der Geschichte lernen können“, sagt Harders in einem Podcast-Interview.

Mehr zum Thema lesen Sie >>hier und im Blog „Migration and Belonging“ von Levke Harders.

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