Aus "Abfall" mach Seife – Reportage aus der Seifenfabrik
Früher war es der Abfall der Metzger und Bäcker aus welchem die Seife entstand. In Innsbruck hat die Herstellung seit 240 Jahren Tradition.
INNSBRUCK. "Damit bin ich aufgewachsen" – wer in einen Jahrhundertealten Familienbetrieb hineingeboren wird, denkt selten daran, einen anderen Weg einzuschlagen als jenen, der von Geburt an vorgesehen ist. Seit 1993 führt Peter Walde die Tiroler Seifenfabrik.
Ursprünglicher Standort in St. Nikolaus
Schwer vorzustellen, aber bis vor einigen Jahren war die Fabrik noch mitten in der Stadt in St. Nikolaus. In einem der schmalen Innsbrucker "Fotomotiv-Häuser" wurden auf den unterschiedlichen Stockwerken Kerzen gezogen und Seifen gegossen. Heute hat man sich für mehr Platz entschieden: Die Produktionsstelle befindet sich am östlichen Rand der Stadt, in der Dörrstraße im Industriegebiet. Die alte Fabrik funktioniert als Verkaufsraum und Modegeschäft (die Tochter ist Modedesignerin). Das dritte Geschäft – "Tiroler Wachszieher und Lebzelter" – befindet sich am Domplatz.
Billige Seifen nach dem Fall der Eisernen Mauer
Diese Seifenfabrik hat überlebt – das ist aber nicht so selbstverständlich, wie Walde erklärt: Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges kamen billige Seifen aus dem Osten und auch die Verbreitung von Duschgels brachte die Firma ins Schwitzen. Seife erlebt, zum Glück für Walde, seit Ende der 90er wieder einen Boom: Viele der Kunden wollen zurück zum Ursprung – das kommt auch der Innsbrucker Seifenfabrik zugute und die Situation ist jetzt zumindest etwas entspannter.
Neue Herausforderungen
Beim STADTBLATT-Besuch sitzt Walde hinter seinem Schreibtisch: Große Fenster, offene Räume, im Raum steht auch ein Stadtrad, auf dem Tisch häufen sich kleine Flaschen mit Aufschriften und Flüssigkeiten – es ist minimalistisch, es ist geschmackvoll, es ist modern. Im Verkaufsraum stehen bunte Seifen, handgehäkelte Waschlappen, Leinentücher, Waschmittel und alte Postkarten. Walde plaudert aus dem Nähkästchen. Neue Trends machen ihm zu schaffen: Der "Vegan-Wahn" – echte Seife besteht zum Großteil aus Rindertalg – fordert kleine Firmen wie seine besonders heraus. Um die Debatte um Palmöl kommt der Tiroler Hersteller auch nicht herum. Es ärgert ihn sichtlich, dass "komplizierte" Modeerscheinungen einfachen Herangehensweisen – wie es im Normalfall die Seifenproduktion wäre – ihren Stempel aufdrücken.
Seife und Kerzen
Walde führt durch die Produktionsstätte. In einem Raum werden Kosmetikprodukte hergestellt, im anderen entstehen Fackeln, im dritten wird die Seife gerührt. Walde ist Ansprechpartner für viele außergewöhnliche Anfragen aus aller Welt. Besondere Wünsche – wie z. B. Seife in Form des Stuttgarter Fernsehturmes – sind hier machbar.
Der Dauerbrenner ist jedoch die handgeschöpfte Seife, besonders stolz ist Walde auf die Serie "Tiroler Reine", welche er gemeinsam mit Therese Fiegl entwickelt hat. Regionale Düfte – Zirbe, Himmelschlüssel, Alpenrose – gepaart mit schönem Design: Es ist nicht nur einfache Seife – mit der Aufmachung wird ein gesamtes Lebensgefühl von Heimat, Geborgenheit, Reinheit vermittelt. Damit hat Walde den vorherrschenden Zeitgeist getroffen: Die nächste Generation der traditionellen Seifenfabrik wird es ihm wohl danken.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.