Gewinnerin beim Filmfestival Kitzbühel
„Bilder (m)einer Mutter“

Regisseurin Melanie Lischker gewann in Kitzbühel den 
1. Preis für ihren Film "Bilder (m)einer Mutter".
 | Foto: Schilling
3Bilder
  • Regisseurin Melanie Lischker gewann in Kitzbühel den
    1. Preis für ihren Film "Bilder (m)einer Mutter".
  • Foto: Schilling
  • hochgeladen von Nadja Schilling

Interview mit Melanie Lischker, Drehbuchautorin, Regisseurin und Gewinnerin beim Filmfestival Kitzbühel 2021.
KITZBÜHEL (navi). Sie bricht ein Tabu und gewinnt den ersten Preis mit ihrem Film „Bilder (m)einer Mutter“. Interview beim FFKB Kitzbühel noch vor der Preisverleihung.

BEZIRKSBLÄTTER: Sie haben Ihren Film „Bilder (m)einer Mutter“ nach Kitzbühel mitgebracht, der auf Basis Ihrer eigenen Familiengeschichte entstanden ist. Was hat Sie dazu bewegt, ihn zu drehen?
LISCHKER: "Es gab in unserer Familie, nachdem meine Mutter von uns gegangen war, ein Tabu: Keiner durfte das Thema ansprechen! Somit lebten mein Bruder, unser Vater und ich jahrelang mit einem trügerischen Schweigen, so als ob es sie niemals gegeben hätte! Aus alten Fotoalben wusste ich über die Frau, die mich auf die Welt brachte nur, dass sie auf den Fotos immer angespannt und unzufrieden wirkte. Das fröhliche Musterbild einer liebevollen Mami konnte sie mir nicht vermitteln. Nach ihrer Krebsdiagnose wusste sie, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, und mich hat andauernd nur eine Frage gequält: 'Warum hat sie mir nichts hinterlassen?' Diese Neugier und wahrscheinlich das Verlangen nach der Befreiung von dieser schweren Last haben mich dazu gebracht, diesen Film zu machen."

Sie zeigen in Ihrem Film viele private Videoaufnahmen aus den 1980ern. Wie sind diese entstanden?
"Mein Vater war Hobby-Kameramann und hat unser Familienleben somit fleißig dokumentiert. Das gibt natürlich dem Film eine sehr persönliche Note und einen historischen Einblick in das damalige Gesellschaftsleben, vor allem auch darauf, auf welchem Level in den 19 70ern und frühen 1980ern der Wert einer Frau lag."

War es für Sie eine Art Selbsttherapie, als Sie an Ihrem Film gearbeitet haben?
"Ja, in gewisser Weise schon. Dank diesem Projekt wurde endlich unser Familienschweigen gebrochen. Dadurch bin ich auch überraschenderweise in alten Umzugskisten mit Briefen und Ordnern auf Mutters Tagebuch gestoßen, das mir letztendlich auf meine Fragen Antworten gegeben hatte und natürlich eine Bereicherung für den Film wurde. Ich habe das Tagebuch noch am selben Abend bis zu Ende gelesen, und plötzlich stand eine neue Unbekannte vor mir, deren Gefühle, Gedanken und Handlungen ich nachvollziehen konnte."

Worauf hat Ihnen das Tagesbuch Ihrer Mutter die Augen geöffnet?
"Ich habe dadurch verstanden, dass meine Mutter in ihre Schwangerschaft mit einem „Rucksack“ voller Vergangenheits-Erlebnisse kam: mit ihrer eigenen Kindheit, mit ihren eigenen Zweifeln, die sie nicht komplett ablegen konnte, nachdem sie Mutter wurde. Sie war noch damit belastet und durchspült. Es hat mich beeindruckt, dass das, was man von Müttern erwartet, dass sie – bildhaft gesprochen - mit dem Zeitpunkt der Schwangerschaft schnell umschalten auf 'liebevoller Schwan', der die Flügel um die Kinder legt und sich mit aufopferungsvoller Liebe nur noch um die Kinder kümmert, so glaube ich, ein Mutterbild ist, das heute nicht mehr gilt, und es nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Mütter bleiben Menschen! Manche von ihnen haben ihr Päckchen zu tragen, welches sie in der Mutterrolle noch weiter beschäftigt. In einer Familie gibt es Bedürfnisse und Lebensträume, und eine Mutter verliert diese nicht nur, weil sie Kinder hat."

Wie war es für Sie, so eine persönliche Story der Öffentlichkeit preiszugeben?
"Nicht leicht, aber als ich gemerkt habe, dass meine Mutter kein Einzelfall ist, dass meine Mutter auf eine bestimmte Art sogar für die Frauengeneration der 1980er-Jahre in Deutschland steht, wo man die Energie und den Freiheitsgedanken der Frauenbewegung mitbekommen hat, aber dennoch die Praxis hierbei fehlte: 'Wie gehe ich wirklich meinen Träumen nach? Wie behaupte ich mich? Wie vereinbare ich meine Karriere mit meinen Wünschen für Familie und Beruf?' Da gab es auch noch nicht so maßlos weibliche Vorbilder wie heute! Es war für sie schwierig, ihre eigene Stimme zu finden. Und der Gedanke, dass dieses Thema damals viele Frauen betraf, hat mich beflügelt, offen darüber zu reden."

Sind Sie mit dem Endergebnis zufrieden?
"Ja, auf jedenFall! Als Kind habe ich mich als Opfer meine Eltern gefühlt, weil Kinder die Welt aus der Perspektive der eigenen Bedürfnisse sehen. Als Erwachsener hat man die Möglichkeit, diese Perspektive zu ändern, um zu verstehen, was Vater und Mutter für Menschen waren, was sie bewegt hat, welche Gründe sie für ihr Verhalten hatten. Und das hat mir dabei geholfen, mich nicht mehr als Opfer zu fühlen, denn das war von Anfang an mein  Anspruch. Ich habe kapiert, dass ich für meineigenes Glück selbst verantwortlich bin. Daraus resultiert die Message aus meinem Film: 'Jedem Erwachsenen soll bewusst sein, dass einem keiner mehr ein schönes Leben beschaffen wird, sondern man die Dinge selbst in die Hand nehmen muss, um selbst glücklich zu werden.'"

Was können Sie über das Filmfestival in Kitzbühel sagen?
"Es ist mein Kinodebüt und ich finde hier alles großartig, vor allem, dass man zwischendurch in den Bergen wandern kann. Ich fand es auch rührend, wie die Zuschauer nach der Filmvorstellung mit mir ins Gespräch kamen, und dass ich auf eine unglaublich positive Resonanz gestoßen bin. Es war hier einfach alles unvergesslich gut: das Festivalprogramm mit umfangreichen Events, die Menschen, die man hier kennenlernen konnte und die Organisatoren, die das Ganze liebevoll organisiert haben."
Anmerkung der Red.: Dieses Interview wurde geführt, noch bevor die Wettbewerbsergebnisse bekannt waren. Wir gratulieren Melanie Lischker zum 1. Preis für ihren Film „Bilder (m)einer Mutter“ herzlichst nachträglich!
Am 25. November startet der Film „Bilder (m)einer Mutter“ in den deutschen Kinos.
Filmtrailer

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.