Schwing die Breze, Baby!

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WÖRGL (mel). Es ist 6 Uhr früh, ich betrete die Backstube der Bäckerei Mitterer und schaue noch etwas verschlafen in die riesige Rührmaschine, die unermüdlich knetet. "Nicht reingreifen, sonst reißt dir der Knethaken den Arm ab", ermahnt mich Bäckermeister Peter. Die Maschine rührt gerade den Semmelteig an, den Peter noch mit selbst hergestelltem Sauerteig verfeinert. "Wir machen alles selber, bei uns kommt nix aus dem Packerl", erklärt er.
Ein normaler Arbeitstag beginnt hier bereits ab Mitternacht: "Geschlafen wird ein paar Stunden vor und ein paar Stunden nach dem Arbeiten, das wird man alles gewöhnt", verrät mir sein Kollege Hans, der diesen Beruf ebenfalls schon seit über 25 Jahren ausübt.
Täglich produziert die Bäckerei Mitterer zwischen 5000 und 8000 Semmeln, zu Weihnachten und Silvester sind es bis zu 20.000 Semmeln am Tag. Der Teig für die meisten Backwaren wird üblicherweise schon am Vortag zubereitet und kommt dann in die warme Reifekammer, denn "was beim Wein ein Jahr ist, ist beim Teig eine Stunde", schmunzelt Chef Hannes Mitterer.

Flink wie ein Klavierspieler
Dann geht es ans Eingemachte: Handsemmeln formen. Genau an der richtigen Stelle muss die Semmel gefaltet werden, jeder einzelne Finger ist im Einsatz, um irgendwo den Teig zu fixieren bzw. umzudrehen. Ohne Geschick, Geduld und Mehl geht hier gar nichts. Meine ersten selbstgemachten Semmeln sehen zwar etwas eigenartig aus, aber die Optik tut dem Geschmack bestimmt keinen Abbruch.
Als Nächstes kommen die Brezen an die Reihe. Auch diese werden einzeln per Hand ausgerollt und geschwungen. Sobald man den Dreh raus hat, geht es ganz einfach. Anschließend kommt noch eine feine Schicht Lauge und Salz drüber und dann ab in den Ofen damit.

Teig mit Temperament
Die Bäckerei und Konditorei Mitterer verarbeitet jeden Tag rund eine Tonne Teig. Und dieser ist empfindlicher und wetterfühliger als so mancher Mensch. Hannes berichtet: "Beim Holzofen merken wir gleich, wenn das Wetter drückt und der Kamin nicht so zieht. Auch die Temperatur in der Backstube verändert die Teigkonsistenz, deshalb muss man schnell auf einen Wetterumschwung reagieren, jedes Grad macht etwas aus."
Während die Brezen und Semmeln im "normalen" Ofen backen, widmen wir uns der hauseigenen Spezialität, dem Holzofenbrot. Der Holzofen wird mit Pellets angefeuert und zunächst auf 300 Grad aufgeheizt. Bei 250 Grad kommen die Laibe hinein und werden ständig kontrolliert. "Man schmeckt den Unterschied. Das Holzofenbrot hat eine dickere Kruste und ist innen schön frisch", sagt Hans. Die ganze Backstube duftet bereits nach frischem Gebäck, ein Zeichen dafür, dass sich der heutige Arbeitstag langsam dem Ende neigt.

Handwerk für die Zukunft
Die Bäckerei Mitterer gibt es seit 1889, Hannes und seine Frau Julia führen den Familienbetrieb in der dritten Generation. In der Backstube und an den drei Verkaufsstellen arbeiten 26 Mitarbeiter, darunter sechs Bäcker und ein Bäckerlehrling. "Mit diesen Arbeitszeiten ist es nicht leicht, Lehrlinge zu finden", erklärt Hannes.
Auch die immer stärker werdende Konkurrenz wie Billig-Angebote im Supermarkt machen es den Bäckern schwer. "Man darf aber nicht resignieren. Wenn man seine Nische findet und die Qualität passt, kann man auch in der heutigen Zeit selbst als kleinerer Bäcker gut überleben", ist Hannes zuversichtlich.
Auch die Bäckerei Mitterer blickt innovativ in die Zukunft und will Belieferung, Premium-Sortiment und Standorte ausbauen. "Wir bleiben auch weiterhin unserem Motto 'Brot ist Leben' treu und setzen auf Regionalität und hochwertige Arbeit", sagt Hannes abschließend. Jetzt ist aber auch das Holzofenbrot fertig und wir holen es vorsichtig heraus.
Nach dem "Feierabend" in der Backstube konnte ich mit meinem richtigen "Brotberuf" starten und ließ das frische Gebäck gleich vom Bezirksblatt-Team verkosten und genauestens unter die Lupe nehmen. Fazit: Duftend, kross und saftig – so lecker schmeckt nur leidenschaftliche Handarbeit!

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