Verkehrsgipfel in Kufstein: "Euregio Inntal" soll gemeinsame Resolution verfassen

Der Verkehrsgipfel der "Euregio Inntal" an der Kufsteiner FH brachte über 55 Teilnehmer an den Tisch.
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KUFSTEIN/TIROL/BAYERN (nos). Vom Umwegtransit über Blockabfertigung, Grenzkontrollen, Vignettenausweichverkehr bis zum Bahnausbau – die Verkehrsbelastung durch Stau, Lärm und Schadstoffe hat viele Faktoren, dessen waren sich die über 55 Bürgermeister und Vertreter diverser Institutionen beim Verkehrsgipfel der "Euregio Inntal-Chiemsee-Kaisergebirge-Mangfalltal" ("Euregio Inntal") am Freitag, dem 6. Juli, an der Kufsteiner Fachhochschule allesamt einig. Gemeinsam mit Landeshauptmann Günther Platter und LHStv Ingrid Felipe wurde intensiv diskutiert. Tirols Spitzenpolitik bekam dabei viel Lob von bayerischen Bürgermeistern und sieht einen breiten Konsens auf beiden Seiten der Grenze. Eine gemeinsame Resolution unter Federführung der "Euregio Inntal" soll die gebündelten Anliegen mit Nachdruck in München, Berlin und Wien zu Gehör bringen.

Nach der Begrüßung und einer Zusammenfassung der wichtigsten Themen und zeitlichen Zusammenhänge durch "Euregio Inntal"-Präsident Walter J. Mayr hielt zu Beginn LH Günther Platter ein Impulsreferat. Platter nannte darin mehrere für Tirol zentrale Maßnahmen, die gegen die immer weiter steigende Verkehrsbelastung entlang der Route Rosenheim-Brenner wirken sollen: Es brauche dringend einen breiten Verlagerungsplan von der Straße zur Schiene und die dafür notwendige Infrastruktur, etwa mehr und effizientere Verladeterminals für Container. Zudem seien Obergrenzen bei Lärmbelastung ebenso notwendig, wie bei Feinstaubbelastung, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Und nicht zuletzt müsse der Korridor stärker bemautet werden. Während in Tirol die Fahrt pro Autobahnkilometer 88 Cent koste und Südtirol-Trentino mittlerweile eine Anhebung auf dieses Niveau beschlossen hätten und nun in Rom durchsetzen wollen, seien hier die Bayern massiv säumig und viel zu billig. Nicht zuletzt der billige Mauttarif sorge für starken Umwegtransit, sind sich nicht nur Platter und Felipe einig:

"Diese Strecke soll finanziell unattraktiv werden für den Lkw-Verkehr, damit wir den Umwegtransit loswerden!"

Zur Blockabfertigung bei Kufstein-Nord bemerkte der Landeshauptmann, dass diese Maßnahme zum Schutz der Tiroler geschehe und erntete von den bayerischen Bürgermeistern viel Verständnis.

"Manchmal muss der Druckpunkt hinaufgehen, damit der Dialog stattfindet."

Zudem gab Platter zu bedenken, dass es auch gegenüber der bayerischen "Schwesterpartei" nicht zielführend sei "wischi-waschi herum zu diskutieren". Durch die Blockabfertigung sei immerhin so viel Druck auf München und Berlin ausgeübt worden, dass man Gespräche auf höheren Ebenen habe führen können.

"Und eigentlich entschuldigen wir uns nicht für die Blockabfertigungen, wenn gleichzeitg Grenzkontrollen stattfinden – jeden Tag. Und das, aufgrund einer virtuellen Diskussion über illegale Migration, während die Zahlen stetig weiter zurück gehen!"

, meinte Platter energisch. Er verwehre sich gegen nationale Alleingänge, wie derzeit durch die BRD und sprach sich deutlich gegen Grenzkontrollen im Schengenraum aus.

LHStv Ingrid Felipe, als Landesrätin für Mobilität und Verkehr zuständig, stellte anhand der Gespräche zur "Pförtnerampel" im niederrangigen Straßennetz mit den bayerischen Bürgermeistern in den vergangenen Jahren fest, dass "europäische Lösungen im guten, nachbarschaftlichen, regionalen Austausch möglich" sind und wies auch auf die "großzügige Ausstattung Tirols" im öffentlichen Nahverkehr hin, während die Situation in Bayern hier weit trister sei.

"Wir brauchen den guten Dialog"

, so Felipe.
Sie wolle eine "Kostenwahrheit auf der Straße": "Wir brauchen die neue Wegekostenrichtlinie!"

In der nachfolgenden Diskussionsrunde meldeten sich mehrere bayerische Bürgermeister zu Wort. Hajo Gruber, Erster Bürgermeister des Grenzorts Kiefersfelden, lobte die Tiroler Politik und meinte:

"Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass von Ihrer Seite aus die Lebensqualität der Bevölkerung so hohen Stellenwert besitzt."

Die Bayern äußerten mehrfach die Feststellung, dass sie sich weder in München, noch in Berlin gehört fühlen, vielmehr werde "von oben aufoktroyiert".
Für Rainer Auer, Erster Bürgermeister von Stephanskirchen bei Rosenheim, ist der Mauttarif in Bayern "eigentlich skandalös". Er hielt fest, dass die rund 40 Prozent Umwegtransit auf jeden Fall vermeidbar wären, hier seien die bayerische und deutsche Politik gefragt, aber:

"das thematisiert man in Bayern nicht, weder in der Politik, noch medial!"

Gerhard Wieland, Referent für Schienenverkehr, Bergbahnen und Nahverkehr der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern, zeigte "vollstes Verständnis" für die Anliegen der Tiroler und auch der bayerischen Grenzgemeinden, gab aber zu bedenken, dass die Blockabfertigungen kleinen Transportunternehmen große Schwierigkeiten bereiten würden. Verladeterminals wie etwa in der Industrieregion Burghausen ("Wacker Chemie") seien gut ausgelastet, aber es fehle am notwendigen Geld, um Anreize zur Verlagerung auf die Schiene zu schaffen und es brauche für notwendige weitere Infrastruktur auch entsprechende Standorte, was oft am Einspruch der Bürger scheitere:

"Jeder will die Verlagerung, aber es gibt immer Widerstände – wir drehen uns da im Kreis! Den 'Masterplan Schienenverkehr' hätte es schon vor 20 Jahren gebraucht!"

Flintsbachs Erster Bürgermeister Stefan Lederwascher zeigte sich zwiegespalten in Sachen Blockabfertigung, "denn dann haben wir den Verkehr im Ort, aber glücklicherweise nicht so massiv wie Kiefersfelden oder Oberaudorf". Den erhöhten Druck auf München und Berlin durch die Tiroler Maßnahmen begrüße er, "sonst würde hier nichts passieren!" Zum Ausbau der Zulaufstrecke zum Brenner-Basistunnel forderte Lederwascher wie alle seine betroffenen Amtskollegen:

"Wir wollen den Tiroler Standard! So viel wie möglich muss unterirdisch verlaufen!"

Sein Nachbarbürgermeister, Matthias Jokisch aus Brannenburg, der zuvor 17 Jahre lang dort als Pfarrer aktiv war, warf zum Trassenausbau ein, dass seine Gemeinde nur über wenige landwirtschaftliche Flächen im Talboden verfüge und der Trassenbau auch das Überleben der Bauern schwieriger mache, da bei Brannenburg und Flintsbach wohl ein überirdischer Anschluss an die Bestandsstrecke erfolgen solle.

Von Tiroler Seite aus meldete sich Kramsachs Bürgermeister Bernhard Zisterer zu Wort. Er brachte auch den Tanktourismus, besonders von Lkw, ins Spiel. Diese würden oft aufgrund einiger Cent Preisdifferenz den Weg von der Autobahn in Orte suchen. "Hier gehören Taten gesetzt!", meinte Zisterer. Ihm enstehe der Eindruck, der Europäischen Union sei der freie Warenverkehr weit wichtiger, als die Gesundheit der Bevölkerung.
Langkampfens Vizebürgermeister zeigte sich unzufrieden damit, dass in Schaftenau eine oberirdische Bahntrasse geplant werde: "Wir tauschen dann Schadstoffe gegen Lärm. Diesen Lärm bringen wir nie wieder weg!"
Kufsteins Wirtschaftskammer-Obmann Martin Hirner, ebenfalls Langkampfener, sprach sich einmal mehr für eine "Spange Langkampfen", denn man müsse "diese Themen bei der Wurzel packen". Die Unternehmer "leiden unter den Grenzkontrollen" durch die Bundesrepublik, so Hirner.

LH Platter hatte auch Zahlen zu Hand: In Österreich würden rund 250 Euro pro Einwohner in den Ausbau und die Instandhaltung der Bahn investiert, in der BRD seien es gerade einmal 70 Euro pro Kopf. Auch das sei eine offensichtliche Schieflage.
Der LH regte an, die "Euregio Inntal" möge sich "zu einer gemeinsamen Linie unterhalten" und basierend auf der bereits bestehenden Resolution der bayerischen Grenzorte eine gemeinsame Resolution verfassen, damit die Gemeinden gemeinsam mit dem Land Tirol stärkeres Gehör in Wien, München und Berlin finden können. Man müsse deutlicher auftreten, denn

"wir haben alle das gleiche Problem und wir brauchen gemeinsame Ziele!"

"Was können wir rasch machen und was kostet uns kein Geld?", fragte Platter und beantwortete die Frage gleich umgehend selbst: Die Straße teurer machen und so den Umwegtransit unattraktiver gestalten. Platter meinte auch, über den Tanktourismus "werden wir auch noch reden müssen". Ob damit die steuerliche Begünstigung von Dieselkraftstoffen nun doch diskutiert werden könnte, ließ der LH aber offen.
Für LHStv Felipe sei das aktuelle heimische Mautsystem im Hinblick auf die Vignettenflucht zu überdenken.

Ob, wann und wie nun eine möglichst breite, gemeinsame Resolution der "Euregio Inntal"-Mitglieder, worunter sich übrigens auch die bayerische Polizei befindet, gefasst werden kann, wird sich in den kommenden Tagen oder Wochen zeigen.

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