LAbg. Ingrid Gady: Herbergssuche 2014

LAbg. Ingrid Gady | Foto: KK

Migration und Flucht sind globale Phänomene. 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, jeder zweite davon ist minderjährig. Vier Fünftel aller Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern, ein Großteil bleibt in der Nähe ihrer Heimatländer, um so schnell wie möglich wieder zurückkehren zu können, wenn es die Sicherheitslage zulässt. Pakistan etwa hat 1,7 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan aufgenommen, und Thailand beherbergt 2,2 Millionen Vertriebene aus dem Nachbarland Myanmar. Und Österreich? Seit Mitte des 19.- bis zu den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen rund 3 Millionen Migranten, Arbeits- und Asylsuchende aus den „Kronländern“ zu uns nach Österreich.
Das war für unser Land eine wirtschaftliche NOT-wendigkeit und bedurfte keiner
politischen Unterstützung. Erinnern wir uns an die Flüchtlinge aus Bosnien, die zwischen 1992 und 1994 zu uns gekommen sind? Damals haben wir die Türen geöffnet. Warum also heute nicht…
Heute ist unser Verhalten mehr als bedenklich. Haben wir Angst vor Fremden und
vergessen dabei, dass jeder Mensch für den anderen ein bleibend Fremder ist, der nie zur Gänze verstanden werden kann – egal ob in der eigenen Familie, Inländer, Ausländer, egal welche Hautfarbe, welche Kultur, welche religiöse Überzeugung er hat. Haben wir Angst, den Wohlstand mit anderen teilen zu müssen? Oder sind wir einfach durch eine populistische Politik zur Feindseligkeit gegenüber Fremden erzogen? Abtenau und Semmering sind Mahnmale für die Schieflage der Unterbringung und Betreuung von Asylwerbenden in Österreich. Vermutlich ist es eine Mischung aus vielem, was uns seit Wochen eine ziemlich unwürdige Debatte über die Erfüllung von Flüchtlingsquoten beschert. Was ich in der Diskussion am meisten vermisse, ist die grundsätzliche Haltung: Wir reden hier von Menschen die alle gleich an Würde sind. Wir reden von Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt und vertrieben werden. Wir können nicht entsetzt auf die Gräueltaten in Syrien oder im Irak schauen, es uns daheim gemütlich machen und bei Bedarf, salbungsvolle Erklärungen für den Erhalt des Weltfriedens abgeben. In diesem Fall ist das gesprochene Wort wertlos, wenn nicht auch die notwendigen Handlungen folgen. Wie hartherzig und unehrlich, vor allem uns selbst gegenüber, sind wir schon geworden? Bald ist Advent und wir werden wieder stimmungsvolle Herbergssuchen und rührende Adventsingen veranstalten, aber für die Menschen in echter,
existenzieller Not haben wir kein offenes Ohr.
Gott sei Dank, es gibt auch andere Beispiele. Familien, die Flüchtlinge in leer stehende Wohnungen und Häuser aufnehmen, Menschen, die in Flüchtlings-quartieren ehrenamtlich Dienst machen, Gemeinden wie beispielsweise Wildon und Arnfels in unserem Bezirk, die nicht nur ihre Herzen sondern auch ihre Häuser aufmachen. Es bedarf einer Kultur des Dialoges, innerhalb der Gesellschaft, mit den Fremden und anderen. Die Kluft zwischen abstrakter Abwehr und realen Menschen schwindet sofort, wenn man einander kennenlernt und voneinander weiß. Laden wir Flüchtlinge ein in unsere Gemeinschaften, in unsere Schulen, Vereine und Klubs. Im persönlichen Gespräch können dabei wieder neue Synergien entstehen, die es uns erleichtern, die Herbergssuche 2014 zu einem guten Ende zu führen.

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