Eine Zeit, die nie wiederkehrt! Papa, hörst du mich?
Heidemarie Ithaler-Muster hat eine Geschichte über ihren verstorbenen Vater verfasst.
Ich verlor meinen Vater vor 20 Jahren durch einen tragischen Traktorunfall. Zwei Monate später lernte ich meinen Mann kennen. Ich glaube, dass Johannes meinen Papa abgelöst hat. Er wurde mir buchstäblich vom Himmel geschickt, weil Johannes früher ein Ordensmann im Kloster gewesen war. Er wollte Priester werden. Ich habe meinen Vater enttäuscht, so wie er mich enttäuscht hat. Vielleicht erwartete er sich zu viel von mir? Vielleicht war es gerade das, was mich zum Scheitern brachte? Ich verlor den Boden der Realität unter meinen Füßen und flüchtete in eine Welt, die für mich erträglich war. Meine Talente, aber auch meine Sensibilität und der frühe Hang zur Melancholie befanden sich nicht in der Waagschale und ließen mein Lebensboot kippen. So musste mich mein Papa später dann auf der Psychiatrie besuchen. Er hatte Tränen in den Augen. Er war ein harter Mann, voller Widersprüche, aber nur nach außen. Hinter der Fassade sah es anders aus. Im seinem Herzen spielte es eine andere Melodie. Er hatte viele Begabungen, er konnte fast alles. Häuser bauen, Autos reparieren, Wein erzeugen, war ein perfekter Landwirt und eine Koryphäe als Koch, einfach ein exzellenter Theoretiker und auch Praktiker. Wo war für ihn die Liebe geblieben, wo war die Nahrung für seine Seele, als er noch ein Kind war? Die Antwort steht zwischen den Zeilen. So schließt sich wieder der Kreis. Mit meinem Papa kann ich heute nicht mehr sprechen, eine Zeit, die mir fehlt. Eine Chance der Aussöhnung, der Aussprache habe ich nicht. Vieles bleibt offen, nicht gesagt, unaufgearbeitet, ungelöst. Gespräche, wie ich sie mit mei- ner Mutter in den letzten Jahren führen konnte, waren nicht mehr möglich. Damit muss ich mich abfinden. Es ist eine Zeit, die sich nicht zurückdrehen lässt und auch nie wieder kommt.
Heuer im Jänner starb auch meine Mama und ich habe keine Eltern mehr. Drei Tage nach ihrem Tod hatte ich einen schönen Traum. Unter dem Antlitz der Sonne sah ich meine Eltern, wie ich sie in ihren mittleren Jahren in Erinnerung habe. Mama trug ihre blaue Mantelschürze, und vereint hat sie mit meinem Vater in unserem Weingarten junge Rebstöcke gepflanzt. Mit diesem Traum ließ mich meine Mutter zurück und ich ließ sie gehen.
Es ist schwer, wenn man seine Eltern verliert. Die Erkenntnis, sie nie mehr zu sehen und nie mehr mit ihnen sprechen zu können, bringt mich oft in einen verzweifelnden, aber auch wütenden Zustand. Die Zeit der Trauer ist wichtig, doch fehlen werden mir meine Eltern immer, egal was einmal war. Wichtiger scheint mir, was heute davon geblieben ist. Die Erinnerung an zwei Menschen, die das Beste für uns Kinder wollten und alles für uns getan haben. Gescheitert sind sie nur daran, dass auch ihr Leben eine schwere traurige Vorgeschichte hatte und es ihnen nicht gelungen war, trotz ihrer großen Liebe zueinander auszubrechen!
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