Lyrik
Gerhard Thewanger: Der Mann der feinen Verse

- Gerhard Thewanger
- Foto: Ernst Wibiral
- hochgeladen von Wolfgang Gaube
Vielen Leserinnen und Lesern der WOCHE Leoben ist Gerhard Thewanger ein Begriff. Mitunter gestaltet er für uns Beiträge aus seiner Heimatgemeinde Mautern. Er informiert uns über besondere Ereignisse im Liesingtal. Auch die Flüchtlingsthematik spricht er an. Als Humanist wünscht er sich einen menschlichen Umgang mit Menschen aus fernen Ländern. Er selbst hat vorgelebt, wie humanitäre Hilfe aussehen kann. 2014 hat er einem Asylwerber aus Syrien eine Unterkunft in seinem Haus zur Verfügung gestellt. Kostenlos wohlgemerkt, ohne um Fördergelder anzufragen.
Verse und Aphorismen
Sehr häufig befüllt er mit seinen Versen das "Lyrikeckerl" auf Seite 2. Vor kurzem haben wir dort den 50. Beitrag unseres Literaten veröffentlicht. Über mehrere Jahre hat uns Gerhard Thewanger mit seinen Versen und Aphorismen versorgt. Mit viel Feingefühl und Tiefgang hat der ehemalige Lehrer, Politiker, Reisende und Wanderer Themen aufgegriffen, die ihn selbst, wohl aber auch viele denkende Menschen bewegen. "Beim Lesen, Zuschauen und Zuhören sticht mir ein Wort ins Auge. Das notiere ich mir, hinterfrage es und manchmal schreibe ich darüber ein Gedicht", erzählt Thewanger.
Lieber Gerhard, wir freuen uns auf zumindest weitere 50 Beiträge für unser Lyrikeckerl!
Syrisches Adventgedicht
(von Gerhard Thewanger)
Mohammed fühlte keinen Schmerz.
Das rote Rinnsal, das im braunen Sand versickerte, war sein Leben.
Sein Gewürzladen lag in einer schmalen Gasse des Souk von Halab.
Vor zwei Tagen hatte eine Rakete das Haus seines Freundes Mehdi zerstört.
Mehdi, ein gläubiger Moslem, der in einer kleinen Moschee gerade am Abendgebet teilgenommen hatte, überlebte.
Seine Frau Aliya und zwei seiner Söhne grub er mit bloßen Händen tot aus dem Schutt seines einstigen Hauses.
Noch hätten Mohammed und seine Frau fliehen, und vielleicht den Libanon und die dortigen Lager erreichen können.
Aber sie wussten, dass sie dann nie wieder den Souk von Halab, nie wieder ihren kleinen Laden im Gewürzviertel wiedersehen würden.
Nie wieder würden sie von der Zitadelle auf die unzähligen Gässchen in diesem scheinbar unendlichen Markt blicken.
Und so blieben sie.
Dort, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hatten.
Bis eine Granate auch ihr altes Haus in Schutt und Asche legte. Sie hatten sie nicht kommen gehört.
Allahu akbar.
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