Trofaiacher Stimmungsbilder
Johannes Freitag: "Wir können unsere Werte neu entdecken"

Pfarrer Johannes Freitag gibt Einblicke, wie es ihm nach zwei Wochen Ausgangsbeschränkungen ergeht und was ihn aktuell beschäftigt. | Foto: KK
  • Pfarrer Johannes Freitag gibt Einblicke, wie es ihm nach zwei Wochen Ausgangsbeschränkungen ergeht und was ihn aktuell beschäftigt.
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Mit den "Trofaiacher Stimmungsbildern" zeigt Jacqueline Juri, wie sich der Alltag der Menschen in Trofaiach in der aktuellen Zeit verändert. 

"Das Stimmungsbild einiger Menschen in einer kleinen Stadt in einer Krisenzeit zu archivieren", ist das Ziel des Projektes von Jacqueline Juri, der Obfrau des Museumsvereins Trofaiach. Dafür hat sie vergangene Woche bereits einige Trofaiacher telefonisch befragt, um zu erfahren, wie es ihnen in der aktuellen Situation ergeht. Nun folgt ein weiteres Fazit nach der zweiten Woche der Ausgangsbeschränkungen. Gast in dieser Woche ist der Trofaiacher Pfarrer Johannes Freitag. Er wurde 1972 in Spielfeld bei Knittelfeld geboren. Im Jahr 2000 wurde Freitag zum Priester geweiht, seit dem Jahr 2006, also mittlerweile seit 14 Jahren, ist er Pfarrer im Vordernbergertal, in den Pfarren Trofaiach, St. Peter Freienstein und in Vordernberg.

Die zweite Woche seit der Ausgangsbeschränkung ist nun vorbei. Wie empfinden Sie Ihren körperlichen und geistigen/seelischen Zustand?
JOHANNES FREITAG: Ich habe mir die Zeit gegönnt, um mich zu orientieren, das hat ein paar Tage gedauert. Ich bin herausgerissen worden aus einem Alltag, der gefüllt war mit vielen Terminen. Jener Alltag, der mich die letzten Jahre geprägt hat, als Pfarrer, zuständig für 16.000 Bewohner in drei Pfarrgemeinden. Nach ein paar Tagen bin ich innerlich als Seelsorger unrund geworden. Wesentlich erschien mir, dass ich meinem Tag eine gute Struktur gebe. Mein Glück ist es, dass ich nicht alleine im Pfarrhof wohne. Es lebt eine Familie im zweiten Stock, aber auch ein Pastoralpraktikant, der in Wohngemeinschaft lebt und sich auf seine Priesterweihe vorbereitet. Wir bilden eine Hausgemeinschaft. Das war sehr schnell dann ein großer Wert: Wir begehen den Tag mit der gemeinsamen Stille, dem Gebet, der Anbetung unserer Stadtpfarrkirche, der heiligen Messe, die wir stellvertretend für alle Bewohner aller drei Pfarren feiern. Am Nachmittag bin ich mindestens zwei Stunden am Seelsorge-Telefon, um mit Menschen im Kontakt zu bleiben.

Was beschäftigt Sie/dich derzeit, auch im Hinblick auf Ihren/deinen Alltag?
JOHANNES FREITAG: Mich beschäftigt wie es dem einzelnen Menschen geht. Wir sind eine Gesellschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten, so denke ich, zum Individualismus hin entwickelt hat. Es gibt dabei natürlich eine Sonnenseite, weil uns bewusst geworden ist, dass jeder Mensch einmalig ist. Aber das Gemeinschaftliche ist, glaube ich, manches Mal zu kurz gekommen. Wenn es Menschen nicht gewohnt sind, dass wir einander brauchen, so frage ich mich jetzt, wie geht es dem Einzelnen? Und da möchte ich mit den Menschen in Kontakt treten. Das ist für mich als Seelsorger eine große Frage: Wie kann es mir mit diesem eingeschränkten Rahmen gelingen, in Kontakt zu bleiben? Wie kann ich Nähe suchen, aufbauen oder ausbauen? Das beschäftigt mich derzeit.

Was hat sich maßgeblich verändert in dieser zweiten Woche?
JOHANNES FREITAG: Dass die Dinge, die mir in meinem Leben selbstverständlich waren, gar nicht selbstverständlich sind. Zum Beispiel der ganz natürliche, normale Kontakt mit Menschen. Ich bin ein Mensch, der kontaktfreudig ist. Es geht mir schon ein wenig ab, mit anderen vertiefend in Kontakt zu stehen – nämlich von Mensch zu Mensch. Ich bin dankbar für die ganzen Kommunikationsmittel. Zum Beispiel ist das Telefon für mich ganz wichtig geworden, trotzdem kann es diese menschliche Begegnung nicht ersetzen. Und das fehlt mir. Deshalb bin ich froh, aus einer gewissen Entfernung mit anderen Menschen ein paar Worte wechseln zu können. Worunter ich auch ein bisschen leide ist, wie ich die Messe feiere. Ich habe mich ganz bewusst so hingestellt, dass ich die leere Stadtpfarrkirche vor mir habe. Die vielen leeren Bänke, die mich an meine Gemeinde erinnern, für die Menschen für die ich da bin, die meinem Tun überhaupt erst einen Sinn geben.

Was möchten Sie/du Ihren/deinen Mitmenschen mitteilen?
JOHANNES FREITAG: Was mir wichtig ist, ist, dass ich selber versuche, wie in einer Schule etwas zu lernen. Wir haben derzeit viele Hausaufgaben zu erfüllen, tatsächlich was zu lernen, etwas einzuüben. Nicht nur die Kinder und Jugendlichen haben daheim Hausaufgaben zu erfüllen, sondern auch wir, die Erwachsenen. Vor allem wir, als Multiplikatoren unserer Gesellschaft, haben für unsere Gemeinschaft Verantwortung. Wir können unsere Werte neu entdecken und leben, Menschlichkeit oder Empathie für den andern, vielleicht diese auch wieder neu einüben. Das wäre die Chance, um jetzt Hausaufgaben zu erfüllen, die uns später helfen, das Leben wieder neu zu meistern. Es geht ja weiter, nur anders als wir es uns vielleicht vorgestellt haben. 

Interview: Jacqueline Juri

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