75 Jahre Kriegsende
Notizen meines Vaters Josef Gaube

- Soldatengrab im 2. Weltkrieg
- Foto: pixabay
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17 Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der damals 18-jährige Josef Gaube schwer verwundet.
„21. April 1945, verwundet, 18 ½ Jahre alt“ hat mein Vater Josef Gaube mit gestochen scharfer Schrift in ein Notizbuch geschrieben, das ich nach seinem Ableben im September 2016 in seinem Nachlass gefunden habe. Kurz vor seinem 18. Geburtstag wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Im Herbst 1944 wurden mit dem „Volkssturm“ letzte Reserven an der Heimatfront mobilisiert. Etwa sechs Millionen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren sollten schaffen, was der Wehrmacht nicht gelungen war: Die vorrückenden Alliierten und damit den Untergang Nazi-Deutschlands aufzuhalten. Adolf Hitler und Heinrich Himmler hatten beschlossen, das ganze deutsche Volk in einen selbstmörderischen Untergang mitzureißen.
Schwer verletzt überlebt
Josef Gaube hat diesen Krieg überlebt, allerdings mit körperlichen und seelischen Folgen. Er war Soldat bei einem Flak-Trupp im deutschen Schwarzwald. Das Kriegsende wurde eingeleitet mit der Rheinüberquerung der hauptsächlich aus Kolonialtruppen reorganisierten 1. französischen Armee zwischen Mannheim und Karlsruhe Ende März 1945 und deren Vormarsch durch den Schwarzwald nach Osten. Den Beschuss französischer Panzer überlebte mein Vater schwer verletzt, vier Finger an seiner linken Hand wurden zerfetzt und waren nicht mehr zu retten. 17 Tage vor dem endgültigen Kriegsende wurden seine Hoffnungen und Träume schlagartig zerstört.
Als Lehrling bei den Dornier Flugzeugwerken in Friedrichshafen hatte der in Zlatten bei Bruck an der Mur geborene Sepp Gaube eine Karriere als Flugbauingenieur angestrebt. Mit den dort erworbenen Kenntnissen wollte er nach Kanada auswandern. Die Bedingungen dafür wurden wesentlich erleichtert und man nahm gerne Einwanderer an, die nur das Erlernen eines Berufes als auch gute Gesundheit nachzuweisen brauchten. Mit nur mehr sechs Fingern und einer Lederprothese platzten seine Träume von einer Karriere jenseits des Atlantischen Ozeans. Drei Brüder und eine Schwester meines Vaters ließen sich von seinen Auswanderungsplänen inspirieren und siedelten sich in British Columbia an.
Später Besuch in Kanada
In Zeiten, als es noch kein Internet gab und Übersee-Telefongespräche teuer waren, riss der Kontakt zu seinen Geschwistern dennoch nie ab. Unzählige Briefe wurden geschrieben, zu besonderen Anlässen wurde über das Festnetz telefoniert. Josef Gaube verfolgte die berufliche und familiäre Entwicklung seiner drei Brüder und seiner Schwester in Kanada mit Freude, wenngleich er es zeitlebens nicht verwinden konnte, dass der Krieg ihm in jungen Jahren übel mitgespielt hatte.
Mein Vater, der bald von Bruck an der Mur nach Leoben übersiedelte und dort von 1953 bis 1986 im Bauamt der Stadtgemeinde Leoben tätig war, stattete nach der Pensionierung seinen Geschwistern im Jahr 1987 einen ausführlichen Besuch ab. Er bereiste zum ersten Mal Kanada, jenes Land, in das er vor 40 Jahren auswandern wollte.
Ein sinnloser Krieg
Über den Krieg hat mein Vater selten gesprochen. Er ertrug sein Schicksal, in der Gewissheit, dass er es trotz allem besser erwischt hatte als Millionen getöteter Soldaten, die Opfer dieses sinnlosen Krieges geworden waren.
Am 8. Mai 1945 ging mit dem Inkrafttreten der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Der Krieg in Europa und Asien kostete geschätzt mindestens 55 Millionen Menschen das Leben, die meisten davon waren Zivilisten. Deutschland zählte etwa 6,3 Millionen Tote, darunter fast 5,2 Millionen Soldaten.
75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gibt es noch immer Kriege und Krisenherde auf der Welt, noch immer wird immens viel Geld in Waffen und Rüstung investiert. Und das Sterben auf den Schlachtfeldern geht weiter, die Menschheit hat nichts dazugelernt.
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