Neuanfang in Leoben
Sayed Hosseini hat die Integration trotz Rückschlägen gemeistert

Der Afghane Sayed Mohammad Hosseini kam 2015 als Analphabet aus dem Iran über die Türkei nach Österreich. | Foto: Laura Jung
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Treffpunkt im Café Damas in Leoben. Es ist ein warmer Sommertag, das letzte Begegnungscafé vor der Sommerpause. Eingeladen hat die Plattform Asylwerber, die in Leoben eintreffende Flüchtlinge unterstützt, im neuen Land anzukommen. Mit Sprachkursen, Behördengängen und Kleidung. Sayed Mohammed Hosseini ist einer von ihnen und erzählt seine Geschichte. 

LEOBEN. Der 32-jährige gebürtige Afghane trägt ein gelbes T-Shirt und begrüßt lachend die Anwesenden. Seit sieben Jahren lebt er jetzt in Leoben. Am 14. Oktober wird er seine Lehre als Schweißer abschließen und hofft, dass er im Anschluss bei der Voestalpine anfangen kann. Eine Erfolgsgeschichte. "Man muss sich bewegen, man muss sich bemühen", sagt er. "Wenn man positiv denkt, die Angebote wahrnimmt, dann kommen auch positive Dinge dabei heraus", davon ist Sayed fest überzeugt. 

Als Analphabet gekommen

"Ende Oktober 2015 sind wir in Österreich angekommen, meine zwei Schwestern und ich", erzählt er. "Wir konnten weder lesen, noch schreiben." Seitdem ist viel passiert. Nach einem negativen Asylbescheid 2017, legten sie mit Hilfe des Netzwerks für Menschenrechte im Bezirk Leoben Beschwerde ein. Der positive Asylbescheid erfolgte dann 2020, fünfeinhalb Jahre nach ihrer Erstaufnahme.

Während dieser Zeit wussten die Geschwister nicht, ob sie bleiben können oder nicht. "Viele kommen mit dieser Unsicherheit nicht klar und dümpeln herum, das ist für mich unverständlich", erklärt Sayed. "Ich habe mir gesagt, ohne Sprache geht es nicht und zur Schule gehen und Sprachkurse machen, das dürfen wir." Also konzentrierten die Geschwister ihre Bemühungen darauf, Deutsch zu lernen, auch wenn es zuweilen - ohne eigenes Einkommen - sehr schwierig war, in Lernmaterialien und Deutschkurse zu investieren.  

Bemühungen wurden belohnt

"Meine Devise war immer: Wir leben hier in Sicherheit und selbst wenn ich Österreich nach vier oder fünf Jahren wieder verlassen muss, will ich etwas erreicht haben. Eine neue Sprache gelernt haben und an den Herausforderungen gewachsen sein." Diese Bemühungen und Ausdauer wurden dann im zweiten Anlauf vom zuständigen Richter mit einem positiven Asylbescheid belohnt. 

Während die ältere seiner Schwestern in Wien eine Ausbildung als Optikerin abgeschlossen hat, besucht seine jüngere Schwester die HAK in Wien. Neben der Schweißer-Ausbildung jobbt Sayed im Asia Spa Leoben. Er ist Mitglied im Alpenverein und engagiert sich nun selbst in der Platform Asylwerber. Den Leobenern, die ihm und seinen Schwestern anfangs unter die Arme gegriffen haben, ist er ewig dankbar. 

Wo wir geboren werden, können wir uns nicht aussuchen. Sayed wurde 1990 in Afghanistan als ältestes Kind seiner Eltern geboren. Drei jüngere Schwestern folgten. Da es durch den Afghanistan-Krieg und die Herrschaft der Taliban zu gefährlich wurde, entschieden sich seine Eltern 1996, aus Sicherheitsgründen in den Iran zu flüchten.

Jeden Mittwoch findet um 15.30 Uhr Begegnungscafé im Café Damas in Leoben statt. Jetzt ist allerdings erstmal Sommerpause.  | Foto: Laura Jung
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Den Taliban entkommen

”Dort lebten wir zwar in Sicherheit, aber sonst durften wir als afghanische Minderheit nichts tun - weder zur Schule gehen, noch arbeiten, noch ein Auto kaufen, noch irgendeine Art von Versicherung abschließen.” Schwarz arbeiten war und ist die einzige Option, die Afghanen im Iran haben. “Selbst Kinder, die dort geboren werden, haben keine Rechte und keine Zukunft. Sie dürfen nicht zur Schule gehen, weder lesen noch schreiben lernen.”

Das war kein Leben, das Sayed führen wollte. Also sparten er und seine Schwestern Geld und warteten auf bessere Zeiten. Doch die kamen nicht, die Inflation wurde immer schlimmer. Bis heute ist alles 10-15 Mal teurer geworden, schätzt er. “Eine Altersversorgung gibt es nicht.”

Also entschieden sich Sayed und zwei seiner Schwestern, den Versuch zu wagen, nach Europa aufzubrechen. Ihre jüngste Schwester, damals erst 16 Jahre alt, sollte bei den Eltern bleiben. Die Geschwister borgten sich, zusätzlich zu ihrem Gesparten, Geld, um die teure und lebensgefährliche Fahrt übers Mittelmeer bezahlen zu können. Über die Türkei und Griechenland ging es dann im Sommer 2015 nach Europa.

Eine schwierige Entscheidung 

Nach dem ersten negativen Asylbescheid 2017 wollte Sayed zunächst aufgeben. Seine Mutter hatte damals einen Unfall und war plötzlich gelähmt. Ein Schock für sie alle. Er fühlte sich als ältester Sohn der Familie verantwortlich, zurückzukehren. Eine sehr schwierige Entscheidung, denn im laufenden Verfahren wäre eine Rückkehr endgültig gewesen. Seine Freunde rieten ihm dringend davon ab und bestärkten ihn, es mit dem Asylantrag noch einmal zu versuchen. Mit Erfolg. Nun kann er eine Eltern wieder rechtmäßig besuchen und sie finanziell unterstützen, da sie im Alter nicht mehr so viel arbeiten können. 

Sayed freut sich, dass seine ältere Schwester bald heiraten wird. In Wien hat sie einen Afghanen kennengelernt, dessen Eltern ebenfalls im Iran leben und der ein ähnliches Schicksal erlebt hat wie die Geschwister. "Er ist sehr fleißig, arbeitet ebenfalls als Schweißer und ich bewundere ihn sehr", erzählt er. Sie alle sind zutiefst dankbar, dass sie hier in Österreich nun eine Zukunft haben.

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