Flüchtlingsaufnahme: Eisenerz bemüht sich um Transparenz und Information

Aus allen Nähten platzte das Innerberger Gewerkschaftshaus bei der Informationsveranstaltung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Eisenerz.
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EISENERZ. An diesem Abend platzt das Innerberger Gewerkschaftshaus in Eisenerz aus allen Nähten. Dicht gedrängt sitzen buchstäblich hunderte Eisenerzer an den Tischen im großen Saal, viele weitere versuchen über die Balustrade einen guten Blick auf das Podium zu erhaschen, viele weitere Interessierte, für die kein Sitzplatz mehr frei war, stehen aufgefädelt an die Wände gelehnt. Links im Raum die Flagge Österreichs, rechts die der Steiermark, sieben Personen sitzen am Podium in der Mitte des Raumes. Unter ihnen die Eisenerzer Bürgermeisterin Christine Holzweber. Ein angeregtes Flüstern und Tuscheln geht durch den Raum.

"Wollen Bedenken ausräumen"

Grund für diesen Menschenauflauf ist an diesem Abend die baldige Unterbringung von rund 50 Asylwerbern in der Stadt am Fuße des Erzberges. Mitte Oktober sollen diese in der Obersteiermark eine neue Heimat finden. "Die vielen Teilnehmer an dieser Informationsveranstaltung am heutigen Abend bestätigen unsere Vorgangsweise alle Bürger über die Aufnahme von Asylwerbern in Eisenerz in Kenntnis zu setzen", eröffnet die Bürgermeisterin die Versammlung und schlagartig verstummt das Tuscheln, alle hören gespannt zu. "Wir wollen Ihnen die Möglichkeit geben, alle Fragen und Bedenken zum Thema an die Damen und Herren am Podium zu richten."
Es sind Funktionäre von Caritas, Jugend am Werk (JAW) und des gemeinnützigen Vereins Zebra aus Graz, die sich in den kommenden Stunden mühen werden, die Ängste und Bedenken der Bevölkerung auszuräumen. Es folgen Vorstellungsrunde der Diskutanten, es werden Zahlen genannt (60 Millionen Flüchtlinge weltweit!), Begriffsklärungen (Wie wird ein Flüchtling rechtlich definiert? Wer ist ein Asylwerber? Wer ein Migrant? Wie sieht die Grundversorgung aus?).

Wer bekommt was?

"150 Euro bekommt ein Asylwerber monatlich als Grundversorgung", führt Bärbl Plavcak vom Verein Zebra aus. "110 Euro für Nahrung, 40 als Taschengeld. Pro Jahr kommen pro Person noch einmal 150 Euro für Kleidung und 200 Euro für jedes schulpflichtige Kind hinzu."
Auch wird geklärt, ob und was genau ein Asylwerber eigentlich arbeiten darf. Jeder am Podium ist sehr bemüht, alle relevanten Fragestellungen die aufkommen könnten entsprechend zu klären.
Zehn Wohnungen hat JAW in Eisenerz für die Neuankömmlinge angemietet. Dazu ein Büro in der Vordernberger Straße 95, wo man nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die Bevölkerung eine Anlaufstelle bei Fragen und Problemen bieten will. 19 Euro pro Person bekommt die Organisation dafür vertraglich gesichert vom Land Steiermark. Davon müssen die Einrichtung der Wohnungen, die Verpflegung, die Betreuung und auch die oben genannten 150 Euro Grundversorgung im Monat berappt werden.

"Hat Eisenerz die Arbeitsplätze?"

"Wir sind auch dafür zuständig, die Neuankömmlinge mit den Gebräuchen und der Lebensweise in Österreich vertraut zu machen", erklärt Jan Saria von JAW. "Dazu gehören auch Sachen wie man eine Waschmaschine benutzt, wie man Müll trennt und vieles mehr." Am Ende seiner Ausführungen bittet er die Bevölkerung noch darum, nicht den Kontakt mit diesen Menschen zu scheuen und offen auf sie zuzugehen.
"Aus meinem Wohnhaus sind Österreicher ausgezogen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, jetzt sollen da Ausländer einziehen", eröffnet schließlich ein Eisenerzer die Publikumsdiskussion. "Haben wir außerdem überhaupt die Kapazitäten die Flüchtlinge zu beschäftigen? Wo sollen die arbeiten?"
Möglichkeiten, Arbeit für die Aufgenommenen zu finden seien gegeben, gibt die Bürgermeisterin zurück. "Am unteren Niveau der Arbeitsleistung - vom Schnee schaufeln bis zur Anlagenpflege", erklärt Holzweber.
"Wenn ein Flüchtling 150 Euro pro Monat bekommt und der auch noch gratis wohnt, dann bekommt eine fünfköpfige Flüchtlingsfamilie monatlich weit mehr Geld als ich jeden Monat übrig habe", beschwert sich wiederum eine ältere Frau.

Fehler passieren

Schließlich erhebt eine junge Frau ihre Stimme. Hass kann man in ihrem Tonfall keinen entdecken, doch man merkt, sie fühlt sich etwas vor den Kopf gestoßen. "In unserem Wohnhaus gibt es Mieter und Eigentümer", setzt sie an und man merkt, sie wählt ihre Worte mit Bedacht. "Viele von uns haben für diese Wohnungen lange gearbeitet und gespart, plötzlich werden Möbel angeliefert und wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt, dass 18 Flüchtlinge bei uns einziehen sollen, ohne, dass wir vorher gefragt wurden. Wir haben einen gemeinschaftlichen Garten, einen gemeinschaftlichen Trockenraum - wie soll da die Nutzung funktionieren? Warum erfahren wir das nebenbei? Warum wurden weder Mieter noch Eigentümer informiert?"
Ja, es gab Fehler in der Kommunikation, doch der Wohnraum stand leer und man habe zugegriffen, entschuldigt sich Walter Ferk von JAW. "Das nehme ich auch auf meine Kappe. Doch hätten wir Sie vorher informiert, das hätte an der Sache wahrscheinlich nichts geändert. Wir haben in der Hektik vieles falsch gemacht, aber wer hier kommt, das sind Menschen, sehen Sie es als Chance, diese Leute in unsere Gesellschaft zu integrieren."

Mit offenen Armen

Trotz aller Bedenken und Ängste im Saal merkt man aber auch, dass viele Eisenerzer den baldigen "Mitbewohnern" ihrer Stadt sehr offen gegenüber stehen. "Wenn das Verhältnis passt, dann ist's doch kein Problem ein Prozent der Gesamtbevölkerung zu integrieren!", tönt die Stimme eines Mannes von der Empore. Man habe Pläne für Ausflüge und gemeinsame Aktivitäten geschmiedet, um die Asylwerber in Eisenerz willkommen zu heißen, freut sich wiederum eine Dame im besten Alter, ihres Zeichens Mitglied eines örtlichen Vereines. Auch die Tschetschenen seien gut integriert, warum solle dies jetzt anders sein, tönt wiederrum eine junge Frau, von Kopf bis Fuß in Orange gekleidet, aus einer Ecke.

Positive Stimmung bleibt

Es wurde lange und konstruktiv diskutiert, an diesem Abend im Innerberger Gewerkschaftshaus. Ängste und Bedenken wurden adressiert, Fehler zugegeben, Versprechen gemacht, dass das nächste Mal besser kommuniziert würde. Beim Verlassen des Gebäudes trifft man eine Gruppe Menschen, die sich fragen, wo eigentlich die "Amis" sind - schließlich haben ja diese die Situation in Syrien und den umliegenden Ländern "verbockt". Da ist dann auch noch die Rede von der Planlosigkeit der EU, von "Mama Merkel", der NATO und ihrer Armee und warum diese nicht eingreift und vielem mehr.
Ja, vieles wurde diskutiert, manches kritisch hinterfragt und auch ein wenig geschimpft, doch unter'm Strich bleibt das Gefühl, dass Eisenerz seinen neuen Bürgern positiv gegenübersteht.
Simon Pirouc

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