Allgemeinmedizin
Leoben und Niklasdorf: Droht ein Kollaps in der Gesundheitsversorgung?

Ulrike und Jürgen Streitmayer, Allgemeinmediziner in Leoben-Judendorf | Foto: Klaus Pressberger
  • Ulrike und Jürgen Streitmayer, Allgemeinmediziner in Leoben-Judendorf
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Eine "Pensionswelle" in der Allgemeinmedizin könnte im Bezirk Leoben die ärztliche Versorgung gefährden.

LEOBEN, NIKLASDORF. Mit einem "offenen Brief" macht Wolfgang Hödl, Arzt für Allgemeinmedizin in Niklasdorf, darauf aufmerksam, dass seiner Meinung nach die künftige regionale Gesundheitsversorung durch niedergelassene Ärzte gefährdet ist. Seit 1. Oktober 2020 ist die Praxis des Allgemeinmediziners Thomas Mosing in Niklasdorf geschlossen. Bislang konnte kein Nachfolger gefunden werden, trotz einer Förderung von 70.000 Euro durch die Österreichische Gesundheitskasse und einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung der Marktgemeinde Niklasdorf. "Unsere Ordination ist in solchem Maße ausgelastet, dass für neue Patienten nur noch geringe Kapazitäten vorhanden sind. Daher wird es zu längeren Warte- und kürzeren Behandlungszeiten kommen und damit zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung", warnt Hödl.

Ärzte stoßen an ihre Grenzen

Zusätzlich tritt mit 1. Jänner 2021 Jürgen Streitmayer, der mit seiner Gattin Ulrike eine Praxis für Allgemeinmedizin in Leoben-Judendorf führt, in den Ruhestand. Auch dort zeichnet sich kein Nachfolger ab. Da Doktor Streitmayer in Proleb wohnhaft ist und aktuell noch sehr viele Patienten aus dieser Region versorgt, werde sich die Situation im kommenden Jahr noch weiter verschärfen, fürchtet Hödl. "Alle zuständigen Stellen sind aufgefordert, alles Mögliche zu tun, um Kassenstellen in Zukunft nachzubesetzen beziehungsweise aufrechtzuerhalten, damit es durch die bevorstehende Pensionswelle nicht zu einem Kollaps der Gesundheitsversorung kommt", betont Wolfgang Hödl. Er und sein Ordinationsteam werden weiterhin versuchen, eine gute Versorgung der Patienten zu gewährleisten. "Durch die aus der Praxisschließung von Thomas Mosing resultierende Mehrbelastung sowie zusätzlich durch die Covid-19-Pandemie werden wir allerdings an unsere Grenzen stoßen", sagt Hödl.

Druck durch die Patienten

Eine ähnliche Problematik besteht in Leoben. Die Allgemeinmedizinerin Barbara Genger wird demnächst die Pension antreten. Das Ärzteehepaar Streitmayer geht wie vorhin erwähnt im 1. Jänner 2021 in den Ruhestand, Gerald Edelhofer ist bereits im Pensionsalter, will aber noch eineinhalb Jahre weiterarbeiten. "In Niklasdorf und Leoben sind dann bis zu 6.000 Patienten ohne praktischen Arzt", berichtet Ulrike Streitmayer.
Ihr und ihrem Gatten geht es um den Anspruch, dass die Menschen ärztlich versorgt werden: "Das belastet uns sehr, weil wir unsere Patienten nicht im Stich lassen wollen."
Für die Praxis Streitmayer besteht ebenfalls ein Förderungsanspruch von 70.000 Euro für einen Nachfolger. "Unsere Ordination befindet sich in einem Objekt der Stadtgemeinde Leoben zur Miete. Bis auf die etwaige Übernahme von technischen Geräten haben wir keine Ablöseforderungen. Es könnte sich ein Arzt in unsere Praxis hineinsetzen und sofort zu arbeiten beginnen", sagt Ulrike Streitmayer. Weder auf den offenen Brief von Wolfgang Hödl noch auf die Bestrebungen der Familie Streitmayer habe es von den zuständigen Stellen ernsthafte Reaktionen gegeben. "Bei der Politik wird es nur wirken, wenn die Patienten aufstehen, um die ärztliche Versorgung einzufordern", erklärt Ulrike Streitmayer. Einen kleinen Hoffnungsschimmer sieht sie allerdings: Vergangene Woche hat sich ein Arzt für die Streitmayer-Praxis interessiert. Es war übrigens die erste Reaktion eines potenziellen Nachfolgers auf die bereits im März dieses Jahres erfolgte Kündigung der Kassenstelle für Allgemeinmedizin in Leoben-Judendorf.

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