Miteinander statt verdrängen: Ein Stadtgespräch hoch über den Dächern von Leoben

- <f>Stadtgespräch "hoch über den Dächern von Leoben" </f>im Café Bellini: Libert Walter, Jean-Erich Treu, Moderator Erhard Skupa, Jürgen Felser und Hans Woschner (v.l.).
- hochgeladen von Wolfgang Gaube
Kann der Einzelhandel neben einem Einkaufszentrum existieren? Dieser Frage ging man in Leoben nach.
LEOBEN. "Hoch über den Dächern von Leoben" nennt sich ein (überparteilicher?) Verein. Im Vorstand sind etliche ÖVP-Funktionäre, unter anderem Stadtrat Reinhard Lerchbammer. Der Verein bezweckt die Mitgestaltung am öffentlichen Leben durch kulturelle, wissenschaftliche und informelle Veranstaltungen bei denen zu gesellschaftlich relevanten Themen diskutiert werden kann.
Miteinander statt verdrängen
Kürzlich wurde zu einem Stadtgespräch "hoch über den Dächern von Leoben" geladen, ins Café Bellini. Das plakative Thema "Miteinander statt verdrängen – Shoppingcenter vs. Einzelunternehmer". Eine Problematik, der sich ganz besonders Leoben mit seinem innerstädtischen Einkaufszentrum LCS stellen muss.
Unter der Moderation von Erhard Skupa war das Podium mit gestandenen Unternehmern besetzt: Mit LCS-Eigentümer Jean-Erich Treu, Libert Walter vom gleichnamigen Modehaus, Schneidermeister Hans Woschner und Uhrmachermeister Jürgen Felser.
Beeindruckende Zahlen
Kleine Betriebe haben es gegen den Shoppingriesen nicht leicht, das unterstreichen die von Jean-Erich Treu genannten Zahlen: Das LCS mit 75 Geschäften, 550 Beschäftigen und 675 Parkplätzen wird im Jahr von 4,4 Millionen Besuchern frequentiert. "Wir sind in den zehn Jahren unseres Bestehens ein Bestandteil der Leobener Innenstadt geworden – und ein Kommunikationszentrum", betonte Treu.
Marktnischen finden
Das Miteinander der Geschäftsleute war bei dieser Diskussion deutlich zu erkennen, wie auch Ideen, die man an die Volksvertreter weitergeben will.
"Dieses Einkaufszentrum war das Beste, was Leoben passieren konnte", da waren sich Felser, Walter und Woschner einig. Als kleines Unternehmen müsse man sich spezialisieren, Marktnischen finden und für die Kunden da sein. Das bedeutet kundenorientierte, möglichst einheitliche Öffnungszeiten, keine Mittagssperren. "Ein Großteil der Kunden kommt am Freitag nach dem Mittagessen und am Samstag", berichtete Treu.
Hausverstand
"Es nützt uns nichts, wenn wir jetzt fünfmal mehr Verkaufsfläche haben als vor 30 Jahren, aber fast um die Hälfte weniger Einwohner", sagte Woschner. Er sieht nur eine Chance für einen besseren Branchenmix, "wenn wir mehr Einwohner haben". Dafür brauche es gemeinsame Ideen. Nicht immer seien Ratschläge externer Experten zielführend. "Selber denken, ist angesagt. Wir brauchen Leute, die in Leoben Dinge mit Hausverstand entwickeln", erklärte Woschner unter dem Applaus des Publikums.
Die Vermietung leerstehender Objekte scheitert oft an der schlechten Infrastruktur. Strom- und EDV-Leitungen gehören wie auch Klimaanlagen heute zum Standard eines Geschäftslokales.
Kleine und große Wünsche
Kleine Wünsche an die Stadtpolitik, wie die von Libert Walter angedachten öffentlichen Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang und eine zeitgemäße LED-Lichtadaptierung sind wohl leichter umzusetzen als wirkungsvolle Maßnahmen gegen Online-Anbieter. Walter: "Die haben den Firmensitz im Ausland und zahlen in Österreich keine Steuern, da ist die EU gefordert."
Leoben hat Potenzial
Das Resümee der knapp zweistündigen Diskussion: Leoben hat Potenzial, der Standort ist attraktiv. Aber es gibt Kernaufgaben für die Politik. Die allerdings fehlte bei diesem Stadtgespräch – bis auf Gemeinderäte der ÖVP, Bürgerliste Walter Reiter und Liste Pilsner. Vermisst wurden auch Repräsentanten des Citymanagements und der Wirtschaftsinitiativen Leoben.
Zitiert
Voll des Lobes für den ehemaligen Bürgermeister Matthias Konrad war Johann Bernsteiner: "Er war ein Mann der Tat, er hat Visionen umgesetzt. Würde er nochmals zur Wahl antreten, er könnte 80 Prozent der Stimmen bekommen."
Konrad meldete sich in gewohnt emotionaler Weise zu Wort: "Ich habe nicht lange gefragt, ich habe Entscheidungen getroffen. In der Politik ist es wichtig, ein starkes Rückgrat zu haben, keinen Gartenschlauch."
Beim Stadtgespräch sprach sich Peter Lovrecki (ehemaliger Unternehmer und Obmann des Stadtmarketings) für eine "Straße der Spezialisten" aus. Dafür müsse es eine Bestandsaufnahme geben, was bereits da sei und was in der Stadt noch fehle. Lovrecki: "Besonders für Jungunternehmer muss es verstärkte Förderungen durch die Stadtgemeinde geben, auch die Wirtschaftskammer ist gefordert."


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