Griaß di, Zukunft!
Vom "bösen Plastik" und anderen Verpackungsmythen

Papier, Metall, Plastik oder Glas – im Alltag sieht man sich mit unterschiedlichen Verpackungsalternativen konfrontiert. Doch was ist aus Nachhaltigkeitssicht die beste Entscheidung? Wir haben uns im Rahmen der Serie "Griaß di, Zukunft" mit vorherrschenden Verpackungsmythen beschäftigt und mit Abfallexpertin Ulrike Gelbmann über ein System gesprochen, dessen Manko es ist, dass es "zu gut" funktioniert. 

STEIERMARK/LEOBEN. Im Laufe eines Tages wird man – bewusst oder unbewusst – mit unzähligen Entscheidungen konfrontiert, die den individuellen Müllberg sowie die Entsorgung und das Recycling, maßgeblich beeinflussen. Es fängt Zuhause mit der Entscheidung an, ob man zum Einkaufen ein altes Sackerl mitnimmt, um im Geschäft keines kaufen zu müssen, und hört damit auf, wie man den leeren, eigentlich recht umweltfreundlich wirkenden Joghurtbecher, der aus Plastik und mit Karton ummantelt ist, entsorgt.

Ein System, das "zu gut" funktioniert

Doch was ist aus Nachhaltigkeits-Sicht richtig und was falsch? Und wie groß ist das Problem "Abfall" hierzulande überhaupt? Wir haben dazu mit Abfallexpertin Ulrike Gelbmann gesprochen. Die gebürtige St. Peter-Freiensteinerin forscht und lehrt am Institut für Umweltsystemwissenschaften der Universität Graz und beschäftigt sich seit geraumer Zeit intensiv mit dem Thema Abfallvermeidung. Geht es nach ihr, so liegt das Problem nicht darin, dass unser Entsorgungssystem nicht funktioniert, sondern dass es "zu gut" funktioniert. 

"Die Abfallwirtschaft funktioniert so gut, dass wir Abfall nicht als problematisch wahrnehmen. Es liegt kein Müllberg auf der Straße herum, unsere Abfallwirtschaftsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter streiken nicht. Die Abfallsammlung funktioniert hervorragend. Die Müllverbrennungsanlagen gehören sicher zu den saubersten Industrieanlagen in Österreich."
Ulrike Gelbmann, Universität Graz

Während die Abfallsammlung in anderen Ländern große Probleme verursacht, funktioniert diese hierzulande sehr gut. Genau darin sieht Abfallexpertin Ulrike Gelbmann jedoch auch das große Manko.  | Foto: Pixabay/RitaE
  • Während die Abfallsammlung in anderen Ländern große Probleme verursacht, funktioniert diese hierzulande sehr gut. Genau darin sieht Abfallexpertin Ulrike Gelbmann jedoch auch das große Manko.
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Der Grund, warum wir das Thema im Rahmen der Serie "Griaß di, Zukunft" dennoch aufgreifen, ist, dass diese auf den ersten Blick positive Nachricht zugleich das größte Manko der Abfallwirtschaft darstellt: "Da wir dieses große Abfall-Problem nicht haben, gibt es gefühlt auch keine Veranlassung, etwas zu ändern", kritisiert Gelbmann. 

Es lohne sich dabei ein Blick auf die im Bundesabfallwirtschaftsgesetz festgelegte Abfallhierarchie, die der Abfallvermeidung oberste Priorität einräumt. "Jeder Abfall, der nicht anfällt, ist guter Abfall", erklärt Gelbmann. Auf der zweiten Stufe stehe die Wiederverwendung, auf der dritten das Recycling und zuletzt die Entsorgung. So zumindest die Theorie, denn "diese Hierarchie stellt den politischen Willen, aber nicht die tatsächliche Situation dar", kritisiert die Abfallexpertin. 

Luft nach oben beim Recycling

Tatsächlich steigen die Verpackungsabfälle österreichweit seit Jahren kontinuierlich an – eine Entwicklung, die auch in der Steiermark zu beobachten ist: So betrug die Menge an Verpackungsabfällen aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen 2019 noch 171.000 Tonnen, im Jahr 2021 bereits 171.800 Tonnen. Angeführt wird die Liste von Altpapier (Papier, Pappe und Kartonagen), gefolgt von Glas, Kunststoff und an letzter Stelle Altmetalle. Die Recyclingquote der Verpackungsabfälle lag im Jahr 2021 österreichweit bei 65,4 Prozent, bei Kunststoff jedoch lediglich bei 26,1 Prozent

Die Menge an Verpackungsmüll, besonders Leichtverpackungen wie PET-Flaschen und Co., steigt in der Steiermark nach wie vor.  | Foto: Pixabay
  • Die Menge an Verpackungsmüll, besonders Leichtverpackungen wie PET-Flaschen und Co., steigt in der Steiermark nach wie vor.
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"Wir haben grundsätzliche eine große Recyclingquote, bei Kunststoff schaut es allerdings nicht mehr so toll aus. Es würde Sinn machen, auch Kunststoff zu recyceln, da stehen wir aber noch nicht so gut da."
Ulrike Gelbmann, Universität Graz

Die Europäische Union verlangt bis 2025 eine Quote von 50 Prozent (mehr dazu erfährst du auf der Website des Europäischen Parlaments), ein Ziel, das noch in weiter Ferne zu sein scheint. 

Alternativen sind nicht immer besser

Nicht unproblematisch sind vor diesem Hintergrund auch die mittlerweile immer häufiger angebotenen Plastikalternativen. "Diese Alternativen sind sowohl von den Materialien als auch von der Erzeugung her problematisch. Das Bio-Plastik darf außerdem auf keinen Fall in den Biomüll", warnt Gelbmann. Auch den „ach-so-ökologischen“ Joghurtbecher aus Kunststoff mit Kartonummantelung stellt Gelbmann in Frage: "Das ist ok, wenn die Leute das wirklich zerlegen, aber das tun die wenigsten. Das heißt dann zum einen: das Papier ist weg, kann nicht recycelt werden, außerdem wiegt der Becher mehr als ein normaler Plastikbecher, was wiederum heißt, dass für den Transport mehr Energie benötigt wird." 

"Böse ist nicht das Plastik, sondern wie wir damit umgehen. Nicht das Material ist Schuld, sondern die Verwendung."
Ulrike Gelbmann, Universität Graz

Am besten sei es – und hier kommt Gelbmann wieder auf die propagierte Abfallhierarchie zu sprechen – gar keinen Becher zu nehmen, sondern auf Mehrweg zu setzen. "Es gilt: Vermeiden vor Verwerten", so Gelbmann. Gibt es diese Alternative nicht, rät die Expertin, im Zweifel die Einweg-Kunststoffflasche der Einweg-Glasflasche vorzuziehen, denn "eine Glas-Einwegflasche ist ökologisch gesehen am schlechtesten: Sie braucht viel Energie beim Transport, weil sie schwer ist, und viel Energie zum Schmelzen. Bitte daher tunlichst vermeiden."  Hier lohnt sich auch ein Blick auf die von Greenpeace aufgedeckten Verpackungsmythen. Denn nicht immer ist die scheinbar ökologisch wirkende Variante auch tatsächlich die für die Umwelt und unser Entsorgungssystem beste. Einen Überblick gibt's in unserem Video

Redakteurin Sarah Konrad hat sich im Rahmen der Serie "Griaß di, Zukunft" durch den Mythen-Dschungel gehantelt.  | Foto: RegionalMedien Steiermark
  • Redakteurin Sarah Konrad hat sich im Rahmen der Serie "Griaß di, Zukunft" durch den Mythen-Dschungel gehantelt.
  • Foto: RegionalMedien Steiermark
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Politik und Industrie in der Verantwortung

"Ich sehe die Verantwortung aber nicht nur bei den Konsumentinnen und Konsumenten, zum Teil ist das für den Einzelnen ja gar nicht durchdringbar", erklärt Gelbmann abschließend. Stattdessen sieht die Expertin in erster Linie die Politik in der Pflicht, sich um klare Richtlinien zu kümmern, und die produzierende Industrie, "echte Lösungen und nicht Scheinlösungen zur Verfügung zu stellen".

Weiterführende Infos: 

  • Eine Bestandsaufnahme der Abfallwirtschaft in Österreich "Statusbericht 2023 für das Referenzjahr 2021" steht auf der Website des Bundesministeriums für Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zum Download!
  • Zahlen und Daten zur Situation in der Steiermark findest du im Jahresbericht zur Abfallwirtschaft in der Steiermark 2021. Hier geht's zum Download!
  • Die Verpackungsmythen aus unserem Video auf einen Blick gibt's auf der Website von WWF!

Was passiert in Österreich mit den Leichtverpackungen?

  • In Österreich gibt es im Haushaltsbereich unterschiedliche Modelle für die getrennte Sammlung von Leichtverpackungen (Sammelbegriff für Verpackungen aus Kunststoffen, Materialverbunden, Holz, Textilien, Keramik sowie aus biogenen Packstoffen). Es erfolgt entweder eine gemeinsame Sammlung aller Leichtverpackungen im Gelben Sack (Holsystem) oder in der Gelben Tonne (Bringsystem).

  • Gesammelte Kunststoffverpackungen werden nach verschiedenen Kunststoffarten sortiert und Störstoffe entfernt. Im Anschluss werden die sortierten Kunststoffverpackungen zerkleinert, gewaschen, getrocknet, geschmolzen und zu Granulat verarbeitet. Zu den hochwertigen stofflichen Verwertungsverfahren zählt z. B. das sogenannte Bottle-to-Bottle-Recycling, bei dem getrennt gesammelte PET-Flaschen nach Farbsortierung und speziellen Reinigungsverfahren zur Herstellung neuer PET-Getränkeflaschen eingesetzt werden.


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