50-Jahr-Jubiläum
Eisig-brutale Geburtsstunde zweier Legenden: Klammers Sieg auf der Planai

Die Ergebnislisten des WSV Schladming weisen Franz Klammer vor den beiden Schweizern Roland Collombin und Bernhard Russi in der denkwürdigen ersten Weltcupabfahrt auf der Planai am 22. Dezember 1973 aus.  | Foto: Foto: Ergebnisliste WSV Schladming/Karl Ettinger
  • Die Ergebnislisten des WSV Schladming weisen Franz Klammer vor den beiden Schweizern Roland Collombin und Bernhard Russi in der denkwürdigen ersten Weltcupabfahrt auf der Planai am 22. Dezember 1973 aus.
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Es war eine echte Sturzorgie. Aber selbst der Abtransport des einzigen tatsächlich folgenschwer gestürzten Fahrers spricht Bände darüber, wie glatt und gefährlich die Planai in Schladming vor 50 Jahren am 22. Dezember 1973 war. Nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch neben der Piste.

Roland Thöni, der Bruder von Olympiasieger und Weltcupsieger Gustav Thöni, erlitt bei einem Ausfall bei der Bannwaldeinfahrt, die etwas oberhalb des Starts des jetzigen Nacht-Slaloms liegt, einen Beinbruch. „Ich habe den Thöni mit einem Kollegen auf den Akja gehoben“, erinnert sich "Mr Nightrace" Hans Grogl, der spätere langjährige Rennleiter und OK-Chef des Nachtslaloms auf dem Zielhang der Planai. Weil es an diesem Tag vor 50 Jahren derart eisig war, konnten die beiden geübten Skifahrer und Helfer aber mit dem verletzten Italiener nicht ins Ziel abfahren, sondern mussten zu einem Bauernhof ausweichen, wo Thöni von Rettungskräften abgeholt wurde.

In den bevorstehenden Weihnachtsferien werden wieder Tausende Hobbyskifahrer die Planai hinunterschwingen oder zumindest rutschen. In dem Fall aber auf einer für den Publikumsskilauf präparierten Strecke bei wesentlich einfacheren Verhältnissen.

Die äußeren Umstände bei der vom WSV Schladming organisierten Abfahrtspremiere vor einem halben Jahrhundert waren hingegen der Grund, warum die Strecke Kultcharakter bekam und Schladming in der Folge rasch zu einer Fixgröße im winterlichen Rennsportzirkus neben Wengen, Gröden und Kitzbühel wurde. Ein Kälteeinbruch in der Nacht vor dem Renntag nach starkem Regen hatte die Planai speziell ab dem Mittelteil bis zum Ziel zur Eisrumpelpiste werden lassen, die selbst unerschrockenen Abfahrern wirklich Mut abverlangte. Manche schwangen im Mittelteil nach dem Kesslersprung ab, erzählt Grogl. Dennoch kam es im Dezember 1973 zu einer Sturzserie mit 19 Ausfällen.

Heustadel wurde zum "Italiener-Loch"

Besonders oft erwischte es neben Schweizern die Italiener, für die bei einem nur durch Strohballen abgesicherten Heustadel bei der Bannwaldeinfahrt Endstation war. Im Gegensatz zu Thöni kamen etwa Abfahrtsspezialist Herbert Plank oder sein Landsmann Franco Bieler, die in die Strohballen knallten, relativ glimpflich davon. Der Italiener Helmuth Schmalzl, immerhin Jahre später FIS-Renndirektor, wurde mit höherer Nummer sogar vom Start zurückgezogen.

Bezeichnend für diese Zeit des Skisports ist auch eine andere Anekdote, die der Abfahrtsolympiasieger 1972, der Schweizer Bernhard Russi, der „Aargauer Zeitung“ zur Schladming-Premiere verraten hat. Weil es am Abend vor dem Rennen geregnet hat, gab es Ausgang für die Schweizer Abfahrer, mit einem Rennen hat nämlich keiner mehr gerechnet. Als die Eidgenossen dann zum Luftschnappen vor die Lokaltür gingen, staunten sie über die auf Glatteis herumpurzelnden Nachtschwärmer, über den aufgeklarten Himmel und die tief ins Minus gefallenen Temperaturen. „Da sagte ich: fertig mit Ausgang, ab nach Hause. Es war etwa halb zwölf“, so Russi. Ihm selbst und seinem Mannschaftskollegen Roland Collombin, damals Abfahrtsdominator, reichte die restliche Nacht, um dann beim Abfahrtsrennen ausgeschlafen genug für Fahrten aufs Stockerl zu sein.

Gefrorene Strohballen und ein Verkehrsstau

Dabei hatten Regen und dann Minustemperaturen sogar Auswirkungen auf die Absicherung am Pistenrand. „Die Strohballen waren gefroren, die waren hart wie Eisen“, schildert Grogl. Er war damals mit knapp 21 Jahren bei der Bergrettung und damit „von klein auf“ in die Organisation der Weltcuprennen in seiner Heimatstadt integriert.

Bei den Flutlichtslaloms in Schladming seit 1997 sind 40.000 bis zu 50.000 Zuschauer Normalität, Rennläufer wie Organisatoren schwärmen davon. „Wir haben damals schon 40.000 Zuschauer gehabt“, sagt Grogl. Nur hat im Dezember 1973 bei der ersten Weltcupabfahrt keiner mit so vielen skiverrückten Zuschauern gerechnet. Die Folge war ein Riesenstau auf der knapp vor den Weihnachtsferien ohnehin überlasteten, berühmt-berüchtigten Gastarbeiterroute durch das steirische Ennstal.

Klammers erster Sieg mit 111kmh Schnitt

Der Rennverlauf sorgte ebenfalls dafür, dass die Planai selbst mit der Premiere zur Legende wurde. Österreichs Abfahrtsasse aus der ersten Startgruppe waren bereits alle geschlagen. Hinter Collombin, der nur eine Hunderstelsekunde vor Russi lag, platzierte sich mit „Jungle“ Jim Hunter einer jener Kanadier, die später jahrelang als naturverbundene und draufgängerische „crazy Canucks“ den Abfahrtssport bereicherten.

Erst mit Startnummer 16 kam ein 20jähriger Kärntner, der mit seinem Fahrstil mit dem wilden Rudern seiner Arme und seinen Aufholjagden in den unteren Streckenteilen die Österreicher begeisterte: Franz Klammer. Aufgezeigt hatte er schon in Rennen davor. Mit 1,41:77 fing er die beiden führenden Schweizer mit 35 bzw 36 Hundertstel Vorsprung noch ab. Mit seinem Rodeo-Ritt über die glasig-beinharten Planai samt Schreckmomenten wie dem Verreißen der Ski im Bannwald wurde Klammer damit erstmals zum Siegläufer. Zum Kultstatus der Strecke und Klammers trug zusätzlich bei, dass es mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gut 111 kmh das schnellste Abfahrtsrennen überhaupt war.

Bei Interviews zu seinem 70. Geburtstag am 3. Dezember hat Klammer zuletzt festgestellt, dass für ihn der Premierensieg in Schladming zusammen mit seiner Gold-Fahrt bei den Olympischen Spielen in Innsbruck 1976 und seinem letzten Erfolg auf der Streif in Kitzbühel 1984 die drei wichtigsten Erfolge in seinem Rennläuferleben waren. 24 weitere Weltcup-Abfahrtssiege sollten für Klammer nach dem 22. Dezember 1973 folgen, mit 25 Siegen ist er auch 50 Jahre später noch immer der erfolgreichste Abfahrtsläufer. Schladming 1973 war damit die Geburtsstunde zweier Legenden.

Im Jänner 2024 dieses Mal zwei Nachtrennen

Für das auf 745 Höhenmetern liegende Schladming, in dem 1953 der erste Schlepplift errichtet worden ist, war es der Beginn auf dem Weg zu einem der Skizentren in Österreich. Schon 1982 folgte die erste Skiweltmeisterschaft in Schladming, 2013 schließlich die zweite WM auf den Hängen der Planai. Dazwischen begann 1997 das Abenteuer NIghtrace. Seit dem Jänner heurigen Jahres ist Schladming mit einem Nacht-Riesentorlauf zusätzlich zum Slalom wieder einen Schritt weiter. 50 Jahre nach dem im doppelten Sinn glatten Einstieg in den Skiweltcup sollen nun in Schladming am 23. und 24. Jänner 2024 Riesentorlauf und Slalom Tradition werden.

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