Nach Abschuss zweier Rehkitze
"Vom fröhlichen Halali sind wir weit weg"

Warum werden Rehe eigentlich bejagt? Eine Antwort darauf liefern die Jäger selbst. | Foto: Elena Königshofer (Regionautin)
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  • Warum werden Rehe eigentlich bejagt? Eine Antwort darauf liefern die Jäger selbst.
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In Neuberg wurden zwei Rehe von einem Jäger erschossen. Soweit alles im rechtlichen Rahmen und passiert wahrscheinlich jeden Tag. Doch wie jede Geschichte, hat auch diese eine zweite Seite – und hier wird es hochemotional. Ein Versuch, die sachliche Seite des Themas zu beleuchten.

BRUCK-MÜRZZUSCHLAG. Woche-Redakteurin Angelina Koidl hat kürzlich erst Manfred Schweiger in Neuberg und sein zahmes Reh "Susi" besucht. Dabei war auch der Nachwuchs, zwei Rehkitze im Alter von vier Monaten, ein Thema. Aber bereits bei Erscheinung des Beitrags in der vorwöchigen Ausgabe war klar, dass die beiden Rehkitze von einem Jäger erlegt wurden, der vertraglich auf Flächen der Bundesforste zur Jagd berechtigt ist.
Das sorgte für große Aufregung und Unmut in Neuberg und ganz besonders in den Sozialen Medien.

Warum es notwendig ist, Jungtiere bei Rehen und anderen Wildarten zu bejagen, das erklären Martina Zisler – zuständig für Projektmanagement im jagdlichen Bereich, Hannes Fraiß (Bezirksjägermeister und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger) und Forstverwalter Paul Winkelmayr (auch stellvertretender Bezirksjägermeister in Bruck).

"In der Öffentlichkeit dominiert ein sehr romantisiertes Bild von der Jagd. Vom viel besungenen ,Halali' sind wir weit weg. Oberstes Ziel ist es, einen gesunden und angemessenen Wildbestand zu gewährleisten. Natürlich geht es auch der Jägerschaft um ethnische Fragen wie beispielsweise dem Tierwohl", erklärt Martina Zisler.

Paul Winkelmayr ergänzt: "In der Jagd sprechen wir davon, ob Populationen in ihrer Gesamtheit gestärkt oder reduziert werden müssen; es geht eigentlich nie um Einzeltiere. Und so hart es klingt: Um nicht noch mehr Tierleid zu erzeugen, wird nicht die Rehgeiß geschossen, sondern zuerst das Rehkitz."

Schusszeit für Geiße und Kitze beim Rehwild ist von 16. August bis 31. Dezember. Geregelt ist das im österreichischen Jagdgesetz. Ebenso geregelt sind die Abschusszahlen je Jagdrevier. "Abschusspläne sind per Bescheid vom Bezirks-Jagdamt in den 183 Jagdrevieren im Jagdbezirk Mürzzuschlag umzusetzen. Kommt ein Jäger dieser Erfüllung nicht nach, droht im sogar eine Verwaltungsstrafe. Auch für Forstschäden hervorgerufen durch Wildverbiss kann ein Jäger haftbar gemacht werden", erklärt Hannes Fraiß.

Martina Zisler und Hannes Fraiss arbeiten auch Besucherlenkungsmaßnahmen im Auftrag des steirischen Jagdverbandes. | Foto: Hackl
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"Interesse an niedrigem Wildbestand"

Abschusspläne werden gemeinsam mit Vertretern der Land- und Forstwirtschaftskammer (auch als Vertreter der Grundeigentümer), den jeweiligen Hegemeistern aus den zwölf Hegegebieten (zumeist ident mit den Katastralgemeinden) und dem Bezirksjagdamt erstellt und werden Jahr für Jahr an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst.

"Das Interesse der Kammervertreter ist es, den Wildbestand möglichst niedrig zu halten. Hier greift zum Teil auch das Forstgesetz ein", so Hannes Fraiß. Im Jagdbezirk Mürzzuschlag wird pro Jahr zirka 3.500 Stück Rehwild laut Abschussplan erlegt. "Für die Jägerschaft ist das auch der Plafond des Machbaren. Mehr würden wir nicht schaffen", erklärt Fraiß.

Störfaktor Nummer eins für die Jagd ist die stark zunehmende Unruhe im Wald durch Naturnutzer – fast zu jeder Tages- und Nachtzeit. "Man trifft Wanderer, Mondscheinwanderer, Radfahrer und Läufer zu den unmöglichsten Zeiten. Damit ist an vielen Tagen an eine geregelte Jagd nicht zu denken. Dazu kommen die Auswirkungen durch den Klimawandel, die auch das Verhalten des Wildes beeinflussen. Somit wird es immer schwieriger, vorgegebene Abschusspläne einzuhalten", sagt Paul Winkelmayr, der aber auch eingesteht: "Der größte Unruhestifter für das Wild ist der Jäger selbst."

Dokumentationspflicht

Jeder Jäger hat auch die Pflicht zur Dokumentation aller getätigten Abschüsse. Jeder Abschuss ist binnen drei Tage bei der Behörde zu melden und zu dokumentieren – zum Beispiel mit Foto. Damit sollen Mogeleien bei den Abschussplänen unterbunden werden.

Ein "ökologisches Jagdsystem"

Warum werden jetzt wirklich Rehkitze bejagt? "In Österreich gibt es ein ökologisches Jagdsystem – im Gegensatz zu Ländern wie beispielsweise Ungarn. Die Abschusszahlen sind nach der Drittelparität ausgerichtet: ein Drittel Jungtiere, ein Drittel Rehgeißen, ein Drittel Rehböcke. Damit soll auch das geschlechterspezifische Gleichgewicht erhalten bleiben", so Winkelmayr.

Die Jägerschaft hat behördlich vorgegebene Abschusspläne zu erfüllen.  | Foto: Regionalmedien
  • Die Jägerschaft hat behördlich vorgegebene Abschusspläne zu erfüllen.
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Bei diesem ökologischen Jagdsystem werden Jungtiere und der Altbestand entnommen. Der Mittelstand bleibt fast zur Gänze unberührt. "Kann man davon ausgehen, dass es in einem Revier einen Zuwachs von 15 Rehkitzen geben wird, dann müssen in diesem Revier 15 Rehe entnommen werden, um den Bestand stabil zu halten. Bei der Entnahme wird ebenso darauf Rücksicht genommen, dass sich weibliche und männliche Tiere die Waage halten", erklärt Bezirksjägermeister Hannes Fraiss.

Klimafitter Wald im Bestreben der Bundesforste

Die Bundesforste selbst sind an einem guten Miteinander mit der Jagd interessiert – mit einem eigenen Hegegebiet von 18.000 Hektar allein im oberen Mürztal. 
„Wir müssen unsere Wälder so schnell wie möglich klimafit machen. Das schaffen wir nur im guten Miteinander von Forst und Jagd“, so Stefan Friedl, Leiter des Forstbetriebs Steiermark der Bundesforste. In der Obersteiermark wird der Fichtenanteil in Zukunft zurückgehen, dafür sollen deutlich mehr Tannen und Lärchen sowie unterschiedliche Laubhölzer wachsen. Das funktioniert am besten über Naturverjüngung, wenn also junge Bäume von Natur aus nachwachsen können. Die Voraussetzung dafür ist ein Wildeinfluss, den das Ökosystem verträgt, da ansonsten gerade diese dringend benötigten Mischbaumarten vom Wild besonders gerne verbissen werden. 

Das heißt nichts anderes, dass auch von Seiten der Forstwirtschaft – und die Bundesforste sind die größten Waldbesitzer in Österreich – der Druck auf die Jägerschaft steigt, den Wildbestand möglichst niedrig zu halten.

Wem gehört das Wild?

Laut rechtlicher Definition ist das Wild herrenlos, sprich es gehört niemanden – nicht dem Grundbesitzer, nicht dem Staat. Erst durch die rechtliche Aneignung durch dazu befugte Organe, wie beispielsweise dem Jäger, darf es in Besitz genommen werden. Sobald es erlegt wird, gibt es mit dem Jäger einen Besitzer. Alles andere ist Wilderei.

Angesprochen auf den Abschuss in Neuberg, der sich mit viel Emotion hochgeschaukelt hat, kann Hannes Fraiß nur sagen, dass es eine ,patscherte Gschicht' vom Jäger gewesen sei. Jagd polarisiert seit Jahrhunderten und "letztendlich sind es immer die Jäger, die schuld sind", sagt Paul Winkelmayr, der im Gegenzug darauf hinweisen möchte, dass die Jäger auch eine Schutzfunktion übernehmen: "Gibt es bedrohte Populationen, wie beispielsweise das Auerwild, dann sind wir es, die diese Populationen versuchen, wieder hochzubringen. Auch das ist Jagd."

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Der Beitrag über das zahme Reh "Susi" in Neuberg:

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