Initiative "Mein Wirt"
"Im Mürztal braucht es innovativere Konzepte"

Christoph Jauk ist seit zehn Jahren als Unternehmensberater tätig. Auch Gastronomie- und Hotelbetriebe gehörten bereits zu seinen Kunden. | Foto: Hofbauer
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  • Christoph Jauk ist seit zehn Jahren als Unternehmensberater tätig. Auch Gastronomie- und Hotelbetriebe gehörten bereits zu seinen Kunden.
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Im Rahmen unserer Initiative "Mein Wirt" beleuchten wir die herausfordernde Situation der Gastronomie im Schatten der Teuerungswelle, einer überdurchschnittlich hohen Inflation und einem permanenten Mitarbeitermangel.

BRUCK-MÜRZZUSCHLAG. Christoph Jauk ist gelernter Betriebswirt und seit mehreren Jahren als Unternehmensberater tätig. Auch Gastronomie- und Hotelbetriebe, die in Schieflagen geraten sind, gehörten in den vergangenen Jahren zu seinem Kundenstock. Selbst als Gasthausneffe aufgewachsen, bringt er die nötige Expertise für unsere Serie "Mein Wirt" mit. Wir haben den Unternehmensberater zum Interview gebeten. 


Im Gespräch mit Christoph Jauk

Was bedeutet Gastronomie, was bedeutet das Wirtshaus für dich?
CHRISTOPH JAUK: Ich bin sehr nahe am Gasthaus-Familienbetrieb meiner Tante aufgewachsen. Die ganze Familie war dort involviert. Ich habe auch schon früh in meiner Schulzeit und neben dem Studium in verschiedensten Positionen mitgearbeitet - vom Kellner, über den Bierausschank bis hin zu sämtlichen Tätigkeiten als Küchenhilfe oder im Eventmanagement. Die Gastronomie liegt mir persönlich schon sehr am Herzen, da sie tief in mir verwurzelt ist und mich schon mein ganzes Leben lang begleitet. 

Aufgrund von zahlreichen Gasthaus-Schließungen in jüngster Vergangenheit haben wir die Serie "Mein Wirt" ins Leben gerufen. Wie würden Sie die Branche im Allgemeinen derzeit in der Steiermark bewerten?
Ich glaube, man muss die Branche grundsätzlich differenzieren, weil es sehr davon abhängig ist aus welchen Regionen man drauf schaut. Es gibt sicherlich Gegenden in der Steiermark, die einfach touristisch gut besucht sind und eine gute Auslastung haben, wie die Südsteiermark. Dort tut sich die Gastronomie und Hotelerie sicherlich wesentlich leichter. Dann gibt es natürlich auch Gegenden, und da gehört meines Erachtens auch das Mürztal dazu, die sich schwerer tun, weil das touristische Umfeld nicht ganz so weit fortgeschritten ist. Da muss man sicherlich mit innovativeren Konzepten punkten als in anderen Regionen, wo die Gastronomie ein Selbstläufer sein kann. 

Sind die derzeitigen Schließungen bzw. das unsägliche "Wirtesterben" teils hausgemacht?
Sehr viele Betriebe sind natürlich aus familiären Betrieben entstanden, wo die Familie mitgearbeitet hat. Man merkt zunehmend in allen Regionen, dass das weniger wird. Das führt dazu, dass man extern Personal suchen muss, was natürlich ein Kostenfaktor ist und seit Corona schwieriger geworden ist. Dahingehend stoßen manche Betriebe an ihre Grenzen.

Es ist nicht mehr ganz so einfach, das Nullachtfünfzehn-Gasthaus mit Schnitzel und Pommes zum Preis X zu verkaufen.
Christoph Jauk

"Den einen großen Kardinalfehler gibt es nicht"

Was sind die größten Fehler aus Unternehmensberater-Sicht?
Den einen Kardinalfehler gibt es nicht. Man muss jeden Betrieb individuell betrachten. Ein Thema ist aber sicher die Positionierung. Man muss sich schon überlegen: Wer ist mein Gast? Ist mein Gast in der Nähe? Wenn nicht, ist er bereit, die Anreise in Kauf zu nehmen? Und dann, ist er auch bereit, den Preis für die Dienstleistung zu bezahlen? Das ist nicht in allen Köpfen angekommen.

Gab es dahingehend ihres Erachtens Fehlkalkulationen in der Vergangenheit?
Ich würde es nicht Fehlkalkulationen nennen. Es war in der Vergangenheit vielleicht ein Usus gewisse Dinge anders zu machen. Man muss einen Gastronomiebetrieb aber genauso professionell aufstellen, wie in anderen Branchen. Man muss sich überlegen was ist meine Kostenstruktur. Was kostet mich das Personal, weil Personal ist der große Kostentreiber in der Gastronomie, und wie kann ich diese Kosten auf die Preise umlegen. Da braucht man eine gewisse Professionalisierung, die es in der Vergangenheit vielleicht manchmal nicht gebraucht hat.

Wie hat sich ihrer Meinung nach auch der Gast im Laufe der Jahre und in Hinblick auf sämtliche Krisen verändert?
Der Gast ist sicher anspruchsvoller geworden, da er mittlerweile einfach mehr und verschiedene Konzepte, Dienstleistungen, usw. sei es auf Social Media oder wo auch immer wahrnimmt. Es ist nicht mehr ganz so einfach, das Nullachtfünfzehn-Gasthaus mit Schnitzel und Pommes zum Preis X zu verkaufen. Man muss dem Gast schon was bieten. Das liegt daran, dass die Leute mobiler sind und sehen, dass es auch andere gastronomische Konzepte gibt, für die sie eher bereit sind Geld auszugeben. 

"Das wichtigste, um in der Gastronomie erfolgreich zu sein, ist eine gute Positionierung", ist der Unternehmensberater überzeugt.  | Foto: Hofbauer
  • "Das wichtigste, um in der Gastronomie erfolgreich zu sein, ist eine gute Positionierung", ist der Unternehmensberater überzeugt.
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Teuerung und Personalmangel sind natürlich die derzeit am meisten genannten Herausforderungen bei unseren bisherigen Gesprächen mit den Wirtsleuten. Dass diese Faktoren vorhanden sind, ist unbestritten. Welche Tipps hat der Unternehmensberater, um mit den Herausforderungen der Zeit bestmöglich umzugehen.
Auch da muss ich mich ein wenig wiederholen. Das zentrale Element ist eine gute Positionierung am Markt zu haben und eine dementsprechende Ertragskraft im Unternehmen zu erzielen. Erst wenn der Cash ins Unternehmen fließt, kann ich mir gewisse Freiräume in Bezug auf Personal schaffen – sei es über Kollektiv zu bezahlen oder neue Arbeitszeitmodelle anzubieten. Die Basis dafür ist aber in erster Linie ein ertragreiches Geschäft.

Mehrere Wirte in der Region haben sich durch Unterbringung oder Catering ein zweites Standbein geschaffen. Geht es ohne einen Plan B nicht mehr?
Das kann Sinn machen, wenn die Voraussetzungen passen. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht verzettelt und auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzt. Kosten und Erträge müssen sauber zugeordnet werden, um zu sehen, womit verdiene ich Geld und womit nicht. Und wenn ich womit kein Geld verdiene, ist es sinnvoll, das möglichst schnell wieder zu beenden und da nicht ewig weiter zu kämpfen und zu hoffen. Da braucht es eine nüchterne Analyse.

Was würden Sie Menschen derzeit raten, die den Traum vom eigenen Lokal verfolgen. Daran festhalten oder lieber loslassen?
Wenn es der Traum ist, sollte man diesem unbedingt nachgehen. Es gibt keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt. Wenn man ein gutes Konzept hat und innovativ ist, kann das durchaus Sinn machen auch jetzt einzusteigen, denn Krisen bieten auch immer Chancen. Als Berater muss man sagen, dass es wesentlich ist, im Vorfeld immer einen konkreten Businessplan auszuarbeiten, der mit Zahlen, Benchmarks und Zielen hinterlegt ist. Ich muss wissen, was ich erreichen möchte, wie viel Umsatz ich pro Gast bzw. pro Quadratmeter erreichen muss. Auch nach der Gründung muss ich diese Zahlen immer weiter beobachten, um zu wissen ob ich auf Plan bin oder nicht. Es gibt nichts schlimmeres als im Blindflug unterwegs zu sein.

Mehr zu unserer Initiative "Mein Wirt":

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Auf Stimmungsfang bei unseren Wirtinnen und Wirten
Wir kämpfen um unsere Wirtsleute
Das "wie sa wie" wird bald noch größer
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