KLIMAWANDEL/CO2-Bepreisung
Waldbestand wird nicht eingerechnet

Ex-Vizekanzler Josef Riegler war ökosozialer Vordenker. | Foto: Pfister
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Ich habe in der letzten Ausgabe der Woche einmal mehr die Frage gestellt, warum die enorme Kompensation von CO2 im Wald bei der CO2-Bepreisung nicht gegengerechnet und Österreich als Bonus angerechnet wird. Dazu habe ich unter anderem den aus St. Peter ob Judenburg stammenden, ehemaligen ÖVP-Vizekanzler Dipl.-Ing. Dr. h. c. Josef Riegler befragt. Riegler gilt als Begründer der "Ökosozialen Marktwirtschaft" und als weitsichtiger Vordenker.

In einer meiner Kolumnen zum Thema CO2-Bepreisung habe ich unter anderem eine Presseinformation des Landes Steiermark (Lebensressort) zitiert: Dort heißt es: "Österreichs Wald bindet mit seinen vier Millionen Hektar etwa 985 Millionen Tonnen Kohlenstoff im Holz der Bäume und im Waldboden. Freigesetzt in der Atmosphäre entspricht das 3,6 Milliarden Tonnen CO2, der 40-fachen Menge der jährlichen Treibhausgasemissionen Österreichs".

Die Formulierung sei zwar im Hinblick auf die genannten Zahlen richtig, könne aber leicht zu falschen Schlussfolgerungen führen, so Josef Riegler: "Die im Wald gespeicherte Menge an CO2 hat keinen Einfluss auf die CO2-Emissionen, außer, es würde viel mehr Holz geschlägert als nachwächst. In dem Fall würde zusätzlich CO2 freigesetzt werden und die Emissionen würden steigen. Daher kann die im Wald gespeicherte Menge an CO2 bei der Bemessung unserer CO2-Emissionen nicht gegengerechnet werden", erklärt Riegler gegenüber der Woche.

Zu einigen Fakten

"Seit 1990 bewegen sich die Treibhausgas-Emissionen in Österreich zwischen 80 und 85 Millionen Tonnen. Davon sind etwa 70 Prozent CO2-Emissionen. Das entspricht etwa 70 Millionen Tonnen CO2. 31 Millionen Tonnen CO2 entfallen unter das Emissionshandelssystem (ETS) der EU, welches für Industrie und Stromerzeugung seit 2005 verpflichtend ist. Etwa 40 Millionen Tonnen CO2 entfallen daher auf Verkehr, Heizung, Haushalte etc. und sollen nun von der CO2-Bepreisung betroffen werden. Gemäß Regierungsprogramm soll Österreich bis 2040 CO2-neutral sein", so Josef Riegler. Die EU habe im Juli zudem das Projekt "fit for 55" präsentiert. Demnach sollen EU-weit die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden.

Wald als Kohlenstoffspeicher

"Im österreichischen Wald stehen 1,135 Milliarden Vorratsfestmeter Holz. Diese Holzmenge bindet 833 Millionen Tonnen CO2", erklärt Riegler. Entscheidend für die CO2-Bilanz seien aber Nutzung und Zuwachs. Der Zuwachs liege jährlich bei 30,4 Millionen Festmeter, dem gegenüber stehe eine Ernte von 25,9 Millionen Festmeter. "Dieser Nettozuwachs in Höhe von 4,5 Millionen Festmeter speichert 3,1 Millionen Tonnen CO2. Nur diese 3,1 Millionen Tonnen CO2 könnte man den 70 Millionen Tonnen CO2 gegenrechnen", so Josef Riegler.

Kritik an EU-Waldstrategie

"Die EU will Österreich vorschreiben, in 2030 statt der 3,1 Millionen Tonnen 5,65 Millionen Tonnen CO2 durch die Wälder der Atmosphäre zu entnehmen. Um 2 Millionen Tonnen mehr an CO2 aus der Luft zu entnehmen, wird vorgeschlagen, um 2,7 Millionen Festmeter weniger zu schlägern, also den Einschlag um mehr als 10 Prozent zu reduzieren. Diese Wälder sollten dann nicht als Wirtschaftswald, sondern als Kohlenstoffspeicher und zeitweise Kohlenstoffsenke dienen", weiß Riegler zu berichten. Dagegen laufe die österreichische Forstwirtschaft Sturm. Unter anderem mit dem Argument, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung durch nachwachsende Bäume mehr CO2 binde als ein unbewirtschafteter Wald.

CO2-Emissionen-Bemessung

Aus gutem Grund habe man sich nach Meinung von Josef Riegler international darauf verständigt, dass die jeweiligen CO2-Emissionen ohne Zu- oder Abschläge bemessen werden. Sonst könnte zum Beispiel auch argumentiert werden, dass durch Importe von Soja, Fleisch, Konsumgütern und Industrieprodukten unsere CO2-Emissionen in Wahrheit wesentlich höher wären. Eine endlose Debatte um Gegenrechnungen wäre die Folge. Das zeigt, wie komplex dieses Thema ist und welche wirtschaftlichen Interessenskonflikte damit verbunden sind.

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