Runder Tisch im Café Fischböck in Warth
Tierwohl kostet extra +++ "Der Konsument greift zum Billigen"
BEZIRK NEUNKIRCHEN. Bezirksbauernkammer und Landtagsabgeordnete Waltraud Ungersböck (ÖVP) reagieren auf Kritik an mangelndem Tierwohl bei Bauern.
Den Stein ins Rollen brachten Enthüllungen des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) bei einem Landwirt in Reitersberg, Gemeindegebiet Scheiblingkirchen-Thernberg. Der Bauer hält seine Milchkühe in Anbindehaltung (mehr dazu hier), was (noch) gesetzlich erlaubt ist, und was bis vor 20 Jahren noch Standard war. Ein BezirksBlätter-Besuch bei dem Landwirt zeigte, dass die VGT-Recherchen nicht die gesamte Realität widerspiegelten (Mehr dazu liest du hier).
Nachbarin des kritisierten Milchbauern
Die ÖVP-Landtagsabgeordnete und Scheiblingkirchner Vizebürgermeisterin Waltraud Ungersböck, selbst Landwirtin, ist sogar eine Nachbarin des von VGT kritisierten Milchbauern. Gemeinsam mit Bezirksbauernkammer-Obmann Thomas Handler stellt sie klar, dass Tierwohl schlicht und ergreifend kostenintensiv ist, und dass "eine Umstellung auf Knopfdruck" (O-Ton Ungersböck) nicht machbar sei: "Das ist finanziell nicht möglich; vor allem kleinere Betriebe wären gezwungen aufzuhören."
350.000 Euro für 28 Kühe
"Ställe sind für so und so viele Stück konzipiert. Wenn ein Bauer einen Stall baut, braucht er ein Betriebskonzept. Irgendwie muss sich das dann am Ende des Tages ausgehen. Also muss er unterm Strich so und so viele Einnahmen für sein Produkt bekommen", erklärt Ungersböck.
Die Kosten pro Standplatz beziffert Bauernkammer-Obmann Thomas Handler mit rund 15.000 Euro pro Kuh. "Wir haben um 350.000 Euro für 28 Kühe einen Laufstall gebaut", so Handler.
Konsument müsste Tierwohl mehr wert sein
Eine Schlüsselrolle im Tierwohl komme laut Ungersböck und Handler den Supermärkten und den Kunden zu. Fazit: mehr Tierwohl kostet auch mehr. "Wenn ein Bauer besser ist als das Gesetz vorgibt, muss er auch für das Produkt mehr bekommen", argumentiert Ungersböck, weil die bessere Haltung sonst nicht finanzierbar wäre. Das geschehe defacto nicht. "Die Preiswahrheit ist, dass der Konsument nach wie vor zum Günstigeren greift. Das ist unser Ansatz: Warum ist man immer beim Tierhalter, den man bestraft und dem man Schlechtes nachsagt; warum demonstriert man nicht einmal vorm Lebensmittel-Einzelhandel und fragt, warum man ein Schnitzel für 4,99 Euro verkaufen muss?", spielt Ungersböck den Ball zu den Supermärkten und deren Kunden weiter.
Pandemie: starke Nachfrage nach Regionalem
Die Corona-Pandemie spielten dem Verkauf regionaler, bäuerlicher Erzeugnisse in die Hände. So bemerkten Handler und Ungersböck eine Steigerung bei der Direktvermarktung von 25 Prozent. Und dennoch sei dies im Vergleich zu Verkaufszahlen in Supermärkten immer noch verschwindend gering. Handler: "Bio-Waren machen ca. 15 Prozent aus; regionale Erzeugnisse liegen da bei Null-Komma-Irgendwas."
Umdenken ja, aber sehr langsam
Die von VGT kritisierte Anbindehaltung wird noch geduldet. Laut Handler gebe es auch im Bezirk noch eine Reihe von landwirtschaftlichen Betrieben, welche Anbindehaltung praktizieren würden. Es zeichnet sich aber eine Trendwende ab. "Niemand baut heute mehr einen Stall wie vor 20 Jahren", meint Handler. Und wie Ungersböck anführt, verabschiedete der Nationalrat im Dezember des Vorjahres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, der die Umsetzung des Tierschutzvolksbegehrens aufgreift. Darin sind etwa die Vollspaltenbuchten für Schweine als Auslaufmodell tituliert.
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