Corona-Experte Lamprecht
Mit Immunität kehrt Normalität zurück

Primar Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, stellvertretender Dekan an der Medizinischen Fakultät der JKU und wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns. | Foto: Kepler Universitäts Klinikum
  • Primar Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, stellvertretender Dekan an der Medizinischen Fakultät der JKU und wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns.
  • Foto: Kepler Universitäts Klinikum
  • hochgeladen von Silvia Gschwandtner

Corona-Experte Bernd Lamprecht, Vorstand der Linzer Uniklinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, im BezirksRundSchau-Interview mit Chefredakteur Thomas Winkler: Neue Corona-Varianten dürften kein Problem sein – Long Covid bei zehn bis 20 Prozent der Infizierten – Chinas 0-Covid-Strategie "nicht zielführend".

Virologe Christian Drosten sieht in einem Zeit-Interview „Zeichen für das kommende Ende der Pandemie“ – teilen Sie diese Ansicht? Was spricht dafür, dass die Gefährlichkeit von Corona für die breite Masse der Bevölkerung sinkt?
Der Schrecken bestand in dem ursprünglich sehr problematischen Übersetzungsverhältnis von Infektion zu schwerer und damit krankenhauspflichtiger Erkrankung. Durch die inzwischen signifikant verbesserte Immunität – durch Impfungen aber auch Infektionen und Genesungen – hat sich dieses Übersetzungsverhältnis zu unseren Gunsten verändert. Nur noch sehr wenige Infizierte erkranken schwer, in erster Linie sind dies Personen höheren Alters und mit Begleiterkrankungen beziehungsweise Immunschwächezuständen. Insofern geht die Pandemie in eine Endemie über, also einen Zustand, in dem das Virus zwar allgegenwärtig ist, die dadurch ausgelösten Probleme sich aber in verträglichen Grenzen halten. Wie zurecht angenommen, kehrt mit der Immunität nun auch die Normalität zurück.

Wie der kommende Winter werde, hänge laut Virologe Drosten davon ab, welche der beiden Omikron-Varianten sich in nächster Zeit durchsetze: BF.7 oder BQ. 1.1. Gibt es für Österreich und Oberösterreich etwa aufgrund der Tests und der Abwasseranalysen dafür Anhaltspunkte, in welche Richtung es gehen könnte?
Derzeit spricht viel für eine kommende Dominanz der Variante BQ.1.1. Ganz verlässlich ist das aber noch nicht. Die in Frage kommenden Varianten unterscheiden sich durchaus in ihrer Infektiosität und in Ihrer Fähigkeit, dem Immunsystem teilweise zu entkommen. Aber bislang wurde durch diese Varianten keine Zunahme schwerer Erkrankungen beobachtet.

Long Covid bei zehn bis 20 Prozent 

Im Gegensatz zu Drosten warnt der deutsche Gesundheitsminister Lauterbach weiterhin regelmäßig vor den Auswirkungen vor Corona - und dass die mittel- und langfristigen Folgen erst langsam sichtbar werden. Wie groß ist in Oberösterreich der Anteil jener, die mit diesen mittel- und langfristigen Folgen zu kämpfen haben?
Man geht davon aus, dass zehn bis 20 Prozent der Infizierten länger anhaltende Beschwerden im Sinne von Long Covid aufweisen.

Es ist die Rede davon, dass Long Covid auch erst nach der zweiten oder dritten Infektion auftritt - auch bei Geimpften. Wie häufig ist das der Fall?
Es ist richtig, dass dies auch bei einer nachfolgenden Infektion erstmals auftreten kann. Daher nimmt das Risiko mit der Anzahl der Infektionen zu. Die Impfung schützt teilweise, aber nicht vollständig vor solchen länger anhaltenden Folgeerscheinungen einer Infektion.

In Gesundheitskreisen werden immer neue Erkenntnisse bekannt, welche Auswirkungen das Virus hat - bis hin zur Diskussion, ob das Virus auch Krebs auslösen könnte: Wie ist der aktuelle Wissensstand dazu - welche Gefahr geht mittel- und langfristig vom Virus aus?
Der bisherige Beobachtungszeitraum ist noch zu kurz und der Wissensstand zu gering, um über alle vorstellbaren mittel- und langfristigen Konsequenzen der Virusinfektion verlässliche Aussagen treffen zu können. Ein krebsauslösendes Potenzial wird Coronaviren aber bislang nicht zugeschrieben, Aktivierungen anderer Viruserkrankungen wie zum Beispiel Herpes zoster (Gürtelrose) sind hingegen vielfach beschrieben.

Kein zufriedenstellender Infektionsschutz durch Impfung

Sich vor einer Infektion zu schützen, ist ja inzwischen kaum noch möglich - sind die Auffrischungsimpfungen eine Möglichkeit, um auch in dieser Hinsicht das Risiko zu senken?
Schutz vor Infektion ist mit den derzeit verfügbaren Impfstoffen nicht zufriedenstellend möglich, es gibt zwar einen teilweisen Schutz vor Infektion, aber auch dieser verzehrt sich nach der Impfung schon innerhalb eines Zeitraumes von rund acht Wochen.

Wie wird in Zukunft der Impfrhythmus aussehen - einmal jährlich?
Der zukünftige Impfrhythmus ist noch nicht restlos geklärt. Es spricht derzeit viel für eine jährliche Auffrischungsimpfung im Herbst wie bei der Grippe also Influenza. Ob dies bei jungen und sonst gesunden Personen tatsächlich erforderlich ist, wird wissenschaftlich gegenwärtig intensiv beleuchtet und diskutiert.

Viele Krankenstände durch Nachholeffekt

Derzeit gibt es ja sehr viele Krankheitsstände, abseits von Corona-Infektionen: Hat das damit zu tun, dass wegen der Schutzmaßnahmen auch die anderen Viren eingeschränkt kursiert sind und jetzt sozusagen alles auf einmal daherkommt?
Wir nehmen hier gewiss einen gemischten Effekt war. Einerseits sind wir Atemwegsinfekte nicht mehr so gewohnt gewesen, weil Maske und Kontaktreduktionen hier erhebliche Rückgänge bewirkt haben – solche Infekte fallen uns nun eben stärker auf. Andererseits sind aber auch tatsächliche Nachholeffekte bemerkbar.

Unter Kindern gibt es sehr viele RS-Viruserkrankungen mit teils schweren Folgen. In den USA und Großbritannien gibt es durch die Überforderung der Kinderabteilungen wegen der RS-Erkrankungen teils medizinische Notstände - könnte sich auch bei uns Ähnliches anbahnen? Wurden gerade die Immunsysteme der Kinder in den letzten zwei, drei Jahren wegen der Schutzmaßnahmen sozusagen zu wenig „trainiert"?
Ein wesentlicher Faktor ist hier, dass es zuletzt Jahrgänge gegeben hat, die mit diesem Virus nicht in Kontakt gekommen sind und in der Folge die jährliche Zahl jener, die diesem Virus gegenüber noch unvorbereitet sind, größer als „vor Corona“ ist.

Chinas 0-Covid-Strategie "nicht zielführend"

China verschärft gerade wieder seine Anti-Covid-Maßnahmen und setzt weiterhin auf seine 0-Covid-Strategie, die angesichts der Erfahrungen im Rest der Welt aber inzwischen schwer nachvollziehbar ist. Gibt es aus Ihrer Sicht wissenschaftlich fundierte Argumente, an dieser Strategie festzuhalten?
Die Kombination aus massiven Maßnahmen zur Eindämmung mit gleichzeitig aber unzureichendem Impfprogramm – unter weitgehendem Verzicht auf Impfstoffe von außerhalb Chinas – erscheint aus medizinischer und wissenschaftlicher Sicht nicht zielführend zu sein. Während der Immunisierungsgrad in Europa durch Infektionen und Impfungen inzwischen gut 97 Prozent beträgt, ist dieser in China wesentlich niedriger und die chinesische Bevölkerung damit knapp drei Jahre nach Beginn der Pandemie immer noch sehr verletzlich. Die Ausbreitung von Omikron und Subvarianten wird sich selbst mit sehr drastischen Maßnahmen in China nicht verhindern lassen.

Anzeige
Foto: Cityfoto
8

Innovationen von morgen
"Lange Nacht der Forschung“ am 24. Mai

Unter dem bundesweiten Motto „Mitmachen. Staunen. Entdecken.“ bietet Oberösterreich bei der elften Auflage der Langen Nacht der Forschung 2024 (#LNF24) am Freitag, 24. Mai 2024 von 17 bis 23 Uhr ein breit gespanntes LIVE-Programm. In zehn Regionen in Oberösterreich laden rund 140 Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Technologiezentren und innovative Unternehmen dazu ein, einen Blick in die faszinierende Welt der Forschung zu werfen. Auf Entdecker:innen jeden Alters wartet ein...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Oberösterreich auf MeinBezirk.at/Oberösterreich

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau auf Facebook: MeinBezirk.at/Oberösterreich - BezirksRundSchau

BezirksRundSchau auf Instagram: @bezirksrundschau.meinbezirk.at

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.