AKOÖ-Chef Stangl im Interview
"Das Land OÖ macht sich ein Körberlgeld"

Arbeiterkammer OÖ-Präsident Andreas Stangl geht mit der Landespolitik hart ins Gericht. | Foto: AKOÖ
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Arbeiterkammer OÖ-Präsident Andreas Stangl kritisiert im BezirksRundSchau-Interview die Anti-Teuerungsmaßnahmen von Bund und Land. Bei Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sei die Inflation "offensichtlich noch nicht angekommen", meint Stangl. Aber das Land OÖ "werde noch etwas machen müssen, die Bürger würden sich das nicht gefallen lassen", meint der Arbeitnehmer-Präsdident.

Was ist aus Ihrer Sicht die derzeit drängendste der Krisen – die allgemeine Teuerung oder die explodierenden Energiepreise?
Das spielt zusammen. Aber wir sind generell durch die höchste Inflation der letzten 70 Jahre gefordert. Die Menschen haben Schwierigkeiten mit den Einkommen auszukommen. 40 Prozent der Arbeitnehmer sparen schon. Das Mieten ist natürlich eine große Belastung, ebenso wie der hohe Strompreis und die massiven Heizkosten. Das alles schlägt voll durch.

Die Bundesregierung argumentiert stets, schon viel gemacht zu haben: Strompreisbremse, 500 Euro-Teuerungsausgleich, Abschaffung der Kalten Progression und vieles mehr.
Die Bundesregierung macht nur dann etwas, wenn der Druck groß genug ist. Die Sozialpartner, inklusive Industriellenvereinigung, haben der Bundesregierung bereits im März einen Maßnahmenkatalog überreicht – davon ist vieles nicht umgesetzt worden. Ein Mietpreisstopp ist nicht umgesetzt worden, eine Strompreiskompensation ist nicht gekommen – die Bremse ist zu wenig. Und das Anti-Teuerungspaket der Bundesregierung ist ja nur ein teilweises Geld-zurück-Paket. Wir kriegen nicht einmal das zurück, was die sprudelnden Steuereinnahmen dem Finanzminister beschert haben.

Wenn man die Kalte Progression miteinrechnet vielleicht schon.
Die Kalte Progression wird erst 2023 abgeschafft, aber die Teuerung war schon im ganzen Jahr 2022 spürbar. Und die Einmalzahlungen in diesem Jahr hatten eben auch nur einmal eine Wirkung. Aber man muss eh selber stutzig werden: Wenn man 500 Euro von Staat zurück bekommt, dann ist es besser sich das auf die Seite zu legen, denn es wird wahrscheinlich noch um einiges teurer.

Wie hoch hätte der Teuerungsausgleich aus Ihrer Sicht sein müssen?
Die 500 Euro haben die Sozialpartner gefordert, das passt. Aber wir wollten dazu echte Maßnahmen gegen die Teuerung – eine Senkung der Mineralölsteuer, eine Senkung der Steuer auf Grundnahrungsmittel und nicht die Einführung einer CO2-Bepreisung. Letztere ist ganz speziell – mit einer Steuer die Energiekosten erhöhen und sich dann wundern, dass die Inflation von 10,4 auf 11 Prozent steigt?!
Darunter leiden Arbeitnehmer genauso wie Arbeitgeber. ÖVP und Grüne tun immer so, als ob man gegen diese Teuerung nichts tun könnte, als ob man keine Staatseingriffe machen könnte. Auf Drängen der Sozialpartner wurde eine Preiskommission eingesetzt, um sich den Ölpreis anzusehen. Da hat man herausgefunden, dass die OMV den Ölpreis um 20 Prozent erhöht hatte – also das Preisniveau gehalten hat, als der Rohölpreis schon gesunken war. Oder bei den Pellets – da hat die Bundeswettbewerbsbehörde Hausdurchsuchungen durchgeführt. Es wurde eine Firma zutage gefördert, die die Lager voll hatte, nicht ausliefern wollte und Kurzarbeit beantragt hätte. Das sind Skandale, die sich da abspielen.

Nochmal zu den Maßnahmen – welche sind für Sie bzw. die AK jetzt die wichtigsten Anti-Teuerungsmaßnahmen?
Das Wichtigste wäre ein Heizkostendeckel, die Heizkosten sind das gravierendste Problem. Egal mit was geheizt wird, es muss einen Deckel geben, denn wir würgen uns sonst selbst die Wirtschaft ab und schaffen Arbeitslosigkeit. Man darf jedenfalls die Menschen nicht alleine lassen mit diesen hohen Energiepreisen. Manch andere Bundesländer machen auch schon selbst etwas.

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Sie meinen Niederösterreich?
Ja, die haben einiges gemacht. Aber insbesondere das Burgenland. Dort zahlen die Energienanbieter eine Abgabe und eine Heizkostenbremse gibt es auch. Ich habe hier gerade ein Inserat des Landes OÖ vor mir (zeigt auf einen Zeitungsausschnitt, Anm.), worin man sich für die Stromkostengarantie für Bestandskunden der Energie AG rühmt. Damit sagt das Land OÖ, dass in den Markt eingegriffen wurde. Dann könnte das Land auch weiterhin durch die Energie AG in den Markt eingreifen, die Preise gestalten und mal keinen Profit erwirtschaften.

Sie haben das Land OÖ wiederholt kritisiert – Landeshauptmann Stelzer würde da antworten, man habe etwa die Wohnbeihilfe erhöht, ebenso den Heizkostenzuschuss und die Fernpendlerhilfe, und ein Paket für Sozialmärkte auf den Weg gebracht. Sind das nur Peanuts aus Ihrer Sicht?
Nein, das nicht. Sind ja doch viele Millionen – insgesamt 48 Millionen Euro, davon gehen 30 Millionen Euro in den Wohnbau. Die Mehreinnahmen des Landes OÖ aufgrund der guten Konjunktur betragen aber 400 Millionen Euro. Also 48 Millionen gibt der Landeshauptmann den Menschen zurück, den Rest streift das Land selbst ein – hat sich ein Körberlgeld gemacht. Bei den Hilfen im Bundesländervergleich schneidet Oberösterreich immer schon sehr schlecht ab und jetzt in der Krise ist es auch so. Ein Beispiel ist etwa der Schulbonus: In Tirol sind das 150 Euro, in Niederösterreich 200 Euro – für alle Kinder. In Oberösterreich gibt es den Schulbonus nur durch die Arbeiterkammer, das Land OÖ macht null, nichts. Das ist zu wenig!

Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür?
In der Landespolitik ist die Teuerung noch nicht angekommen. Ich habe jetzt 70 Betriebsbesuche gemacht und höre überall das Gleiche: Energiekosten, hohe Kosten fürs Pendeln, Heizkosten – wir kriegen das unmittelbar mit. Und offensichtlich bekomme ich mehr mit als die Landespolitik, die nicht so oft bei den Arbeitnehmern ist, sondern eher bei den Arbeitgebern. Wir haben vor Weihnachten noch eine IFES-Befragung in Auftrag gegeben und 80 Prozent der Oberösterreicher geben uns Recht mit unseren Forderungen.
Der Landeshauptmann müsste ja gar nicht die gesamten 400 Millionen hernehmen, die er zusätzlich eingenommen hat. Es wär schon das Doppelte der derzeitigen Hilfen viel Wert, das Doppelte von 48 Millionen Euro – da bleibt dem Land dann trotzdem noch viel Geld übrig.

Wollen Sie das Gespräch mit dem Landeshauptmann suchen, um ihm das zu verdeutlichen?
Der Landeshauptmann weiß, dass wir für eine Abfederung der Teuerung eintreten – und er wird auch noch einmal was machen müssen, er wird nicht auskommen. Die Bürger werden sich das sonst nicht gefallen lassen.

Themenwechsel zum Arbeitskräftemangel: Sind wir schon in einem Arbeitnehmermarkt und sind deswegen Institutionen wie die Arbeiterkammer weniger gefragt?
Die gute Nachricht ist, es gibt zum ersten Mal in der Zweiten Republik mehr als 700.000 Arbeitnehmer. Die Arbeitslosenquote beträgt 3,5 Prozent…

… also eigentlich Vollbeschäftigung.
Naja, es geht schon noch was. In Oberösterreich sind derzeit 3.226 Jugendliche arbeitslos, obwohl wir überall händeringend Lehrlinge brauchen. Da muss offensichtlich das „Matching“ noch besser werden. Außerdem gibt es mehr als 8.753 über 50-Jährige Arbeitslose. Da gäbe es also auch noch Potenzial – ebenso wie bei den Langzeitarbeitslosen. Und dann gibt es noch jene, die Teilzeit arbeiten wollen und jene die Teilzeit arbeiten müssen …

… wahrscheinlich in erster Linie Frauen?
Ja, großteils. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Teilzeitbeschäftigten in Oberösterreich von 133.000 auf 176.000 gestiegen. Da ist die Politik besonders gefragt – die Kinderbetreuungseinrichtungen müssen ausgebaut und die Nachmittagsgebühr im Kindergarten abgeschafft werden. Richtige Familienpolitik wäre, auf diese Gebühr zu verzichten und jene, die Teilzeit arbeiten, mehr in Richtung Vollzeit zu bekommen.

Sie hätten bei der Kinderbetreuung viele Alliierte: Wirtschaft, Industrie …
… aber das Land ist da noch säumig. Ich weise auf die Schwierigkeit hin, dass der Landeshauptmann selber derjenige war, der die Nachmittagsgebühr eingeführt hat. Er wird sich also schwer tun, diese wieder abzuschaffen. Aber vielleicht fällt ihm was Kreatives ein. Denn der Druck der Wirtschaft wird steigen und der Druck von uns auch. Viele unserer Mitglieder würden gerne mehr arbeiten, aber fragen sich dann wofür? Um Gebühren zu zahlen? Bevor bei der Rot-Weiß-Rot-Card was gemacht wird, muss man da was tun …

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… also besser die Kinderbetreuung ausbauen und dadurch die Arbeitskräftepotenziale bei Frauen heben, als mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland holen?
Es würde sich auszahlen genau hinzuschauen, wo im Land noch Potenziale liegen. Und natürlich hilft es, die Frauenerwerbsquote zu heben.

Man hat den Eindruck, die Sozialpartnerschaft in OÖ funktioniert wieder besser als früher.
Die Sozialpartnerschaft ist dazu verpflichtet, einen erfolgreichen Interessensausgleich zusammenzubringen. Wir haben jetzt zwei Projekte gemeinsam gemacht, ich will nicht sagen, dass die große Harmonie ausgebrochen ist, denn es zwickt ja trotzdem noch bei den KV-Verhandlungen. Aber es ist die Einsicht gewachsen, dass man mit den Arbeitnehmern nicht so verfahren kann wie in den letzten Jahren. Das grobe Foul war natürlich die Oö. Gebietskrankenkasse in die ÖGK einzubringen. Die Sozialpartner haben da drinnen in OÖ defacto nichts zu reden und man sieht eh wie es ausschaut.

Verantwortlich dafür waren ja Strache und Kurz, und nicht ihr Gegenüber Doris Hummer.
Ja, die Beiden wollten die Sozialpartner nicht haben. Für die waren wir das Feindbild. Aber diese Politik – ein Patientenmilliarde versprechen und mehr als 200 Millionen Euro Mehrausgaben am Schluss zu haben – ist gescheitert.

Aber die Gesprächsbasis mit WKOÖ-Chefin Hummer ist eine gute?
Ja, natürlich. Wir sind gemeinsam durch die Corona-Pandemie gegangen und haben gute Lösungen zusammengebracht.

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