Christine Haberlander (ÖVP) im Interview
"Niemand denkt: Wie quäle ich die Österreicher?"

Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (40) ist für Gesundheit, Bildung, Kinderbetreuung und Frauen-Politik in OÖ zuständig. | Foto: Land OÖ
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Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) im Sommergespräch über die Aufhebung der Quarantäne, wie "lebensnah" die aktuelle Corona-Verordnung ist, die Impfquote in OÖ, den "zu langsamen" Ausbau bei den Krabbelstuben und das Energiesparen in den Schulen.

von Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: Sie und Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) haben die Aufhebung der Corona-Quarantäne schon länger gefordert. Was war eigentlich das Haupt-Argument dafür? Es heißt, es sei Druck aus der Wirtschaft gewesen.
Haberlander: Diese Entscheidung der Bundesregierung beruht auf dem Rat von Experten. Was die Mediziner sagen, ist, dass dieser Schritt zum aktuellen Zeitpunkt gesetzt werden kann. Die harte Währung ist die Belegung der Intensivbetten bzw. die Hospitalisierungsrate. Und da sehen wir, dass diese derzeit anders ist, als noch vor einem Jahr. Man sieht, dass wir es mit einer anderen Virusvariante als noch 2021 oder 2020 zu tun haben. Somit ist ein Instrument aus dem März 2020 im August 2022 nicht mehr unbedingt tauglich. Was wir auch von den Ärzten hören ist, dass die aktuellen Virus-Varianten unglaublich „schnell“ sind. Soll heißen: Man ist meistens schon einige Zeit infektiös, bevor überhaupt Symptome auftreten. Die Quarantäne ist also kein taugliches Mittel mehr, um eine Weitergabe aufzuhalten. Und darüber hinaus gibt es Schutzmaßnahmen, die es früher nicht gegeben hat: die Impfung und Medikamente, die nun verstärkt zum Einsatz kommen.

Nochmals zur Begründung: Es wird unterstellt, die Wirtschaft habe Druck auf die ÖVP ausgeübt, diese wiederum auf den Gesundheitsminister und der habe dann die Quarantäne abgeschafft.
Ich habe den Gesundheitsminister immer nur in Kontakt mit Medizinern gesehen und die sagen …

… es hat sehr kritische Stimmen von Experten gegeben.
Die Experten die uns in OÖ beraten, Primar Lamprecht oder Stefan Meusburger, haben die gleiche Meinung, wie jene im Beratungsstab des Ministeriums. In der Wissenschaft wird es immer unterschiedliche Meinungen geben. Es ist jetzt jedenfalls ein taugliches Mittel und es gibt weiterhin die Möglichkeit, dass die Menschen Maske tragen. Und eines ist schon wichtig: Wenn jemand positiv ist und Symptome hat, muss er oder sie zuhause bleiben. Diese Person ist krank. Es ist dann nicht so, dass diese Menschen hustend durch die Landstraße gehen. Ohne Symptome gilt ab Kenntnis die Maske, und jemand mit Symptomen bleibt zuhause.

Und wie ist das dann konkret in den Schulen im Herbst? Gehen positiv getestete Schüler ohne Symptome ganz normal in die Schule?
Der Bildungsminister wird noch vor Schulstart bekannt geben, welche Maßnahmen im kommenden Schuljahr greifen.

Was gilt für die Kindergärten? 
Die Verordnung des Bundes sieht vor, dass positiv getestete Kinder nicht in den Kindergarten können – vor allem auch deshalb, weil ein Tragen der Maske bei Kindern schwierig ist.

Ist eine Quarantäne nicht ein relativ gelindes Mittel, um die Infektionsketten ein bisschen unter Kontrolle zu haben? Oder ist der Zugang nun: Corona ist da und man macht nichts mehr dagegen?
Wenn die Mediziner sagen, dass das jetzt ein tauglicher Schritt ist, sich das Virus verändert hat und eine Ausbreitung durch Contact-Tracing und Quarantäne nicht mehr zu verhindern ist, dann muss man dieses Instrument nun rausnehmen. Wir hatten das ja seit Corona-Beginn: Man muss eine Situation jetzt bewerten und jetzt taugliche Instrumente finden – oder es braucht neue Instrumente und dafür alte nicht mehr. Aber grundsätzlich müssen wir mit dem Virus leben lernen. Es gibt trotzdem weiterhin einen Variantenplan, der alles abdeckt – von der jetzigen Situation bis hin zum Worstcase, also einem Lockdown.

Wie wird es in Zukunft in den OÖ-Spitälern gehandhabt? Dürfen oder sollen positiv getestete Mitarbeiter ohne Symptome arbeiten gehen?
Grundsätzlich sollen Mitarbeiter, die infiziert sind, nicht in den oö. Spitälern mit oder an Patienten arbeiten. Das gilt natürlich insbesondere zur Sicherheit und zum Schutz der Patienten.

Ein großer Renner wird die Impfung nicht mehr werden. Das ist der Politik auch klar, oder?
Man wird sehen, wie die Bevölkerung darauf reagiert, wenn ein adaptierter Impfstoff kommt. Aber wir haben schon weiterhin die Aufgabe, dass wir auf diese wichtige Präventionsmaßnahme hinweisen. Denn es geht um Prävention und darum werden wir auch unsere Impfkampagnen weiterfahren. Die Gemeinden haben dafür Geld bekommen und es hat immer am besten funktioniert, wenn sich die Menschen vor Ort mit dem Thema positiv auseinandersetzten und dadurch ein Drive entsteht.

Die Bundesregierung hat mit zahlreichen Hü-Hott-Maßnahmen, Stichwort Impfpflicht, viel Vertrauen verspielt.  Teilen Sie diese Einschätzung?
Das Ergreifen und das Aufgeben von Maßnahmen, oft in einer zeitlichen Nähe zueinander, und eine nicht immer ideale Kommunikation hat teilweise für Verunsicherung in der Bevölkerung gesorgt. Es ist uns allen miteinander – von der Bundesregierung bis hinunter zu den Gemeinderäten und den Ärzten – oft nicht gut genug gelungen zu erklären: Unterschiedliche Varianten bedingen unterschiedliche Maßnahmen. Es gibt nicht das Patentrezept, das man jahrelang anwenden kann. Sondern man muss schauen, welche Virusvariante gerade dominant ist, und dann wird bei einer Variante die Maske reichen und bei einer anderen Variante braucht es schärfere Maßnahmen. Das zu kommunizieren, ist uns nicht gut genug gelungen. 

Zu Kommunikation und Vertrauen gefragt: In der neuen Verordnung steht, dass positiv Getestete ins Gasthaus dürfen, dort aber nichts konsumieren, weil man die Maske nicht abnehmen darf …
… ob jeder Absatz in einer Paragrafen-Verordnung lebensnah ist, darüber kann man diskutieren. Aber vielleicht geht jemand zu einem Gesundheits-Präventionsvortrag im Gasthaus und es ist dieser Person wichtig, daran teilzunehmen.

Und dieser Fall ist jetzt lebensnah?
(lacht)

Aber Sie wissen, worauf die Frage abzielt: Sind solche Verordnungen nicht nur Wasser auf die Mühlen von denjenigen, die sich denken: Ihr habt ja einen Klopfer?!
Regeln sind komplex und da liegt der Teufel im Detail. Ich erinnere mich, als das Land eine Verordnung gemacht hat, um Zusammenkünfte zu untersagen – da ist dann die Diskussion aufgetaucht, was überhaupt eine Zusammenkunft ist. Wo zieht man da die Grenze? Je länger wir darüber diskutiert haben, desto komplexer wurde es. Je kleinteiliger man es herunterbricht, desto weniger lebensnah werden gewisse Regelungen.

Haben Sie Verständnis dafür, dass solche Verordnungen auf Unverständnis stoßen?
Ja, dafür habe ich Verständnis. Aber dahinter gibt es sicher eine Überlegung, die sinnvoll ist. Denn niemand geht her, macht eine Verordnung und denkt sich: "Wie quäle ich die Österreicher?“ Aber natürlich geht es um die Kommunikation, denn, wenn klar ist, was der Hintergedanke einer Maßnahme ist, dann ist auch das Verständnis dafür da.

Christine Haberlander. | Foto: Land OÖ

Themenwechsel: Die Arbeiterkammer OÖ hat Sie wegen des Personalmangels in den OÖ Krankenhäusern und der damit einhergehenden Überlastung der Mitarbeiter kritisiert. Die AK OÖ wirft ihnen „Untätigkeit“ und „Alibihandlungen“ vor. 
In manchen Krankenhaus-Bereichen gibt es Personalengpässe, wie in allen anderen Wirtschafts- und Arbeitsbereichen, nicht nur in Oberösterreich. Also das Thema Mitarbeiterrekrutierung ist eines, mit dem sich alle Unternehmen, und auch die Krankenhäuser, auseinandersetzen müssen. Wir müssen uns grundsätzlich überlegen, wie wir Mitarbeiter gewinnen, aber ebenso essenziell ist es, die bestehenden Mitarbeiter zu halten. Und dazu gehört, die Mitarbeiter zu entlasten – etwa durch das Einsetzen von Digitalisierung, und wir müssen auch darauf achten, dass ein Patient an der richtigen Stelle behandelt und nicht im Kreis geschickt wird.

Die Arbeiterkammer fordert konkret 20 Prozent mehr Personal in den Krankenhäusern.
Ich verstehe, dass die Arbeitnehmervertreter mehr verlangen. Aber nur „mehr“ zu wollen, ist zu kurz gegriffen: Man muss sich ansehen, welche Mitarbeiter man in welchen Bereichen braucht. Dann stellt sich die Frage: Ist es ein strukturelles Thema, sind Prozesse nicht ideal aufgesetzt und fühlen sich deshalb die Mitarbeiter überlastet? Oder gibt es, weil es weniger Hausärzte gibt, mehr Patienten in den Krankenhäusern und man braucht deshalb mehr Mitarbeiter? Oder es gibt medizinischen Fortschritt, der mehr und anderes Personal bedingt? Also, unterm Strich, muss man sich das genau ansehen und das tun wir auch. Die Krankenhaus-Träger haben alle den Auftrag bekommen, sich mit der Entlastung der bestehenden Belegschaft und gleichzeitig mit der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern auseinanderzusetzen – aber für die richtigen Stellen.

Wieviele zusätzliche Pflegekräfte bräuchte es Ihrer Ansicht nach im Gesundheitswesen in Oberösterreich?
Man muss sich ansehen, wer in Pension geht, wie die Ausbildungen aussehen, wie neue Mitarbeiter rekrutiert werden können und wie die Arbeitszeiten ausschauen – das ist eines der Hauptthemen. Die Krankenhäuser bieten unglaublich viele verschiedene Arbeitszeitmodelle an. Aber wenn viele Menschen nur Teilzeit arbeiten, dann brauchen wir logischerweise mehr Mitarbeiter. Deshalb ist mein dringender Appell, speziell an die Frauen: Bitte stocken Sie Ihre Stunden auf, nicht wegen der Arbeitskraft, sondern wegen der finanziellen Absicherung im Alter.

Gutes Stichwort, Teilzeit: Laut Arbeiterkammer ist die Kinderbetreuung in nur sechs Prozent der oö. Gemeinden so ausgebaut, dass Eltern Vollzeit arbeiten gehen können. Wie sollen Frauen dann „raus aus Teilzeit“, wenn die Kinderbetreuung nicht vorhanden ist?
Ich verlasse mich auf die Daten der Statistik Austria und wir sehen einen enorm großen Ausbau bei der Kinderbetreuung, also bei Kindergärten und Krabbelstuben. Wir haben ein kontinuierliches Plus, aktuell sind 66.389 Kinder in OÖ in Betreuung, es gibt ein Plus zu vor fünf Jahren und vor zehn Jahren…

… das erwartet man sich eh, dass es da ein Plus gibt.
… im Bereich der Unter-Dreijährigen haben wir prozentuell den größten Ausbau in ganz Österreich zu verzeichnen.

Ja, aber eine prozentuelle Steigerung von 16 auf 17 ist größer als von 34 auf 35.
(lacht) Das ist eine Interpretationsart. Aber was wir schon sehen: Es gäbe für 88 Prozent der Kinder eine Betreuung nach 13 Uhr, aber es nehmen diese nur 23 Prozent in Anspruch – es gäbe also die Möglichkeit.

Könnte das mit der Vergebührung der Nachmittagsbetreuung zusammenhängen?
Die Gemeinde kann auf die Gebühr verzichten, sie ist sozial gestaffelt – also das Angebot ist, sozial verträglich, vorhanden.

In Zeiten der großen Entlastungsmaßnahmen könnte das Land die Bürger recht einfach entlasten, indem auf diese Nachmittagsgebühr verzichtet wird.
Wenn es darum geht, die Vollzeitquote zu erhöhen, müssen wir die Krabbelstuben weiter ausbauen. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, wir kommen zwar voran, aber es ist auch für mich noch zu langsam. Aber man merkt schon ein Umdenken in den Gemeinden, dass so ein Angebot wichtig, also ein Standortvorteil ist. Denn junge Familien ziehen dorthin, wo es ein Angebot gibt.

Sie sind jetzt ausgewichen, deshalb nochmal: Wäre es nicht eine gute Entlastung in Zeiten der hohen Inflation, wenn OÖ auf die Nachmittagsgebühr im Kindergarten verzichtet?
Das Land Oberösterreich hat rund um die Teuerung schon vieles gemacht und die Bundesregierung hat ebenfalls große Maßnahmen auf den Weg gebracht, die speziell Familien zugute kommen. Ich bin davon überzeugt, dass die Gratis-Betreuung am Vormittag wertvoll und wichtig ist und, dass ein Beitrag am Nachmittag sozial verträglich ist.

Also die Gebühren bleiben?
Die Beiträge können von den Gemeinden auch nicht eingehoben werden und sind sozial gestaffelt. Wenn eine Gemeinde in Zeiten der Teuerung darauf verzichten will, dann ist das eine Möglichkeit.

Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (40) ist für Gesundheit, Bildung, Kinderbetreuung und Frauen-Politik in OÖ zuständig. | Foto: Land OÖ
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