OÖ Industrie-Präsident Greiner
"Es steht jetzt mehr am Spiel als die Wirtschaft"

Industriellenvereinigung OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch und Präsident Axel Greiner (v. l.) sehen große Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine für die heimische Industrie. | Foto: IV OÖ/Eric Krügl
  • Industriellenvereinigung OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch und Präsident Axel Greiner (v. l.) sehen große Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine für die heimische Industrie.
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Versorgungsengpässe bei Elektro- und Haushaltsgeräten. Lange Wartezeiten auf neue Autos. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine müsse sich Österreichs Bevölkerung "auf Zustände einstellen, die wir noch nicht gekannt haben", sagt Industriellenvereinigung OÖ-Präsident Axel Greiner im Dreier-Gespräch mit IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch und BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler.

OBERÖSTERREICH. Aber, so Greiner: "Es steht jetzt mehr am Spiel als die Wirtschaft. Wir müssen Putin klar machen, dass er überzogen hat, sonst nimmt er sich ein Land nach dem anderen." Russlands Präsident Wladimir Putin habe schon so viele Sanktionen verdaut und ignoriert und immer auf das Eigeninteresse des Westens vertraut, sich selbst nicht zu schaden. "Er betreibt jetzt geopolitische Machtpolitik aus dem vorigen Jahrhundert. Wenn wir ihm da mit Feigenblatt-Sanktionen kommen, dann steht eine Neuordnung der russischen Einflusssphäre im Raum. Da geht es nicht nur um Weißrussland und die Ukraine, sondern auch um das Baltikum und Finnland. Auch Polen fürchtet sich. Wir haben einen Krieg im Herzen Europas, an den Außengrenzen der EU. Die Vehemenz, Brutalität und Kaltblütigkeit, mit der Putin seine Truppen in diesen Angriffskrieg geschickt hat, war nicht vorhersehbar."

"Wir müssen damit rechnen, dass manche Betriebe nach dem Ende des Konflikts nicht mehr existieren." Axel Greiner, Präsident der Industriellenvereinigung OÖ

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen sind laut Greiner gravierend: "Sie können bei manchen Unternehmen an die Substanz gehen, weil kein Handel mehr mit der Ukraine und Russland möglich ist, manche ihre Aktivitäten ganz einstellen müssen, weil sie im Konfliktgebiet liegen oder ihre Mitarbeiter zum Militärdienst eingezogen worden sind. Wir müssen damit rechnen, dass manche Betriebe nach dem Ende des Konflikts nicht mehr existieren."

Preisanstieg ohne Wirtschaftswachstum

Schon aktuell sorgen abgerissene Lieferketten für Stillstand etwa in der Autoindustrie und für weitere Verteuerungen. Um die Wirtschaft nicht zu belasten, werde die EZB jedoch die Zinsen nicht erhöhen. Bedeutet: Inflation ohne Wirtschaftswachstum - eine alles andere als wünschenswerte Entwicklung. Derzeit gebe es zwar noch gute Wachstumsraten, die durch den Ausfall der Handelsbeziehungen zu Russland und Ukraine laut Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo nur mit rund 0,5 Prozent Minus beim Bruttoinlandsprodukt belastet würden, aber: "Darin sind nicht die Verteuerungen bei der Verknappung von Rohstoffen, Betriebsstillstände in der Industrie und Ähnliches eingerechnet – deren indirekte Folgen auf das BIP lassen sich nicht abschätzen", so Greiner. Das Gespenst der Stagflation gehe also um, so der IV OÖ-Präsident. Derzeit gehe es zwar noch nicht in diese Richtung, die Situation bedürfe aber genauer Beobachtung, denn: "Das Gespenst des Krieges hat sich bereits manifestiert."

Ukraine-Krieg ist "Turbo für die Energiewende"

Dass mit dem Krieg in der Ukraine auch die Versorgung mit Öl und Gas aus Russland auf dem Spiel steht, sieht IV OÖ-Präsident Greiner als "Turbo für die Energiewende". Österreich könne sich so wie Deutschland nicht einfach aus anderen Quellen mit Gas eindecken, ein schneller Umstieg auf Flüssiggas sei nicht möglich: "Alleine für die Versorgung Österreichs mit Flüssiggas bräuchte es 100 Schiffsladungen. Es gibt aber weltweit insgesamt nur 120 bis 140 Tankschiffe, die mit einer Ladung ja viele Tage unterwegs sind."

"Haben nicht bis zum nächsten Winter Zeit"

IV OÖ-Geschäftsführer Haindl-Grutsch übt in diesem Zusammenhang Kritik an der heimischen Politik, wenn davon gesprochen werde, dass die Heizsaison eh bald vorüber sei: "Der Winter ist vorbei, aber die Industrie braucht 365 Tage im Jahr Gas. Etwa 40 Prozent des gesamten Gasverbrauchs gehen in die Industrie, weitere 30 Prozent brauchen die Gaskraftwerke, rund 20 Prozent entfallen auf die Haushalte. Wir haben nicht bis zum nächsten Winter Zeit. Wenn die Produktion wegen Gasmangels stillsteht, kostet das Arbeitsplätze und Steuern."

Endlich auf Gas aus Ökostrom setzen

Die Abkehr von russischem Gas sei deshalb nur durch Effizienzmaßnahmen und durch den Einsatz "regenerativer Energie" möglich, so Greiner. Gemeint ist das Erzeugen von Gas und Treibstoffen aus Strom, der durch Wind- und Sonnenkraftwerke gewonnen wird. Für dieses "Power to gas"-Verfahren und die E-Fuels spricht sich Greiner seit Jahren aus. Die Forschung habe sich aber in den vergangenen Jahren von der Politk getrieben nur aufs Thema Batterie konzentriert. Großes Potenzial sieht Greiner auch in der Forschung an Atomkraft, die dazu führen könnte, das Nuklearenergie künftig auch aus den ohnehin vorhandenen radioaktiven Abfällen bei vergleichsweise geringem Risiko gewonnen werden könnte. Eine Renaissance der Kernenergie werde es wegen des Konflikts mit Russland jedenfalls geben.

Schnelle Genehmigungen für Kraftwerke & Pumpspeicher

In Deutschland überlege man ja auch bereits den Ausstieg aus dem Atomausstieg so, Haindl-Grutsch, aber: "Die österreichische Politik hat noch immer nicht erkannt, dass jetzt radikale Fortschritte notwendig sind. Wann, wenn nicht jetzt, muss es Turboverfahren für die Genehmigung von Wasserkraftwerken, Pumpspeichern und Ähnlichem geben? Die Zeit für naive Klimapolitik ist vorbei."

Gas nicht per se verteufeln

Aber: Gas dürfe jetzt nicht per se verteufelt werden, so Greiner: "Man denkt nicht an das grüne Gas aus Wind- und Sonnenstrom, weil alles ideologiegetrieben ist." Gaskraftwerke und auch Gasleitungen wie die lang umstrittene und nun möglicherweise umsonst auf 2.800 Kilometern verlegte Nord Stream 2-Pipeline dürften deshalb nicht völlig aufgegeben werden. "Vielleicht gibt es in zehn bis 20 Jahren nach Putin ja die Möglichkeit, sich wieder die Hände zu reichen."

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