Versteckte Gedenkstätte
In St. Johann starben 3.818 Kriegsgefangene

Die Gedenkstätte am Russenfriedhof in St. Johann erinnert an 3.818 Menschen, die im nationalsozialistischen Kriegsgefangenenlager in St. Johann bis 1945 umkamen. Vor allem sowjetische Gefangene litten unter Hunger und Krankheiten. Ehrenamtliche engagieren sich für eine lebendige Erinnerungsarbeit. 

Wart ihr schon einmal am Russenfriedhof?

ST. JOHANN. Zwischen Bischofshofen und St. Johann versteckt sich unterhalb der Pinzgauer Straße eine Gedenkstätte, die an 3.818 Menschen erinnert, die im Kriegsgefangenenlager "STALAG XVII C" in St. Johann bis 1945 umkamen. Im Volksmund wird die Gedenkstätte als "Russenfriedhof" bezeichnet. Ein Großteil der Toten — in Zahlen 3.744 — waren nämlich Gefangene aus der ehemaligen Sowjetunion.

Annemarie Zierlinger von der Geschichtswerkstatt in St. Johann und Adi Schwaiger, der Betreuer des Russenfriedhofs, setzen sich für das aktive Erinnern auf de Gedenkstätte des Russenfriedhofs ein. | Foto: Felix Hallinger
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"Für die Russen war es ein Todeslager"

Annemarie Zierlinger von der Geschichtswerkstatt St. Johann berichtet aus dem dunklen Kapitel der Geschichte der Bezirkshauptstadt: "Im Sommer 1941 wurde das Kriegsgefangenenlager in St. Johann errichtet. Es bestand aus einem Nord- und einem Südteil. Im Südlager wurden Gefangene aus westlichen Ländern sowie aus Polen und dem ehemaligen Jugoslawien untergebracht. Das Nordlager war für die sowjetischen Gefangenen vorgesehen. Für sie war es ein Todeslager." Während die Kriegsgefangenen im Südlager mit Paketen des Internationalen Roten Kreuzes versorgt wurden, litten die Russen im Nordteil unter Hunger und Krankheiten. Speziell im ersten Winter im Lager, von 1941 auf 1942, kam es zu einem Massensterben russischer Soldaten.

Historische Aufnahmen aus dem Nordlager zeigen die schlechten Verhältnisse, unter denen die russischen Kriegsgefangenen untergebracht waren. | Foto: Privatarchiv Michael Mooslechner, Flachau, Austria
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Behandlung im Sinne der Rassenideologie

Die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Nationalitäten hat ihren Ursprung in der nationalsozialistischen Rassenideologie. "Amerikaner und Briten galten etwa als kulturell naheliegender und waren damit höher gestellt. Die Russen waren in der Gefangenenhierarchie ganz unten und wurden entsprechend schlecht behandelt", erklärt die ehemalige Mittelschullehrerin Zierlinger. Auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte wurden ab 1942 Massengräber für die verstorbenen, sowjetischen Kriegsgefangenen angelegt, weil die Kapazitäten am Ortsfriedhof von St. Johann nicht mehr ausreichten. In den Jahren nach dem Krieg wurden auf dem Gelände  Mahnmale errichtet, die an die umgekommenen Soldaten erinnern. Auch am Ortsfriedhof von St. Johann und hinter der Bezirkshauptmannschaft wurden Gedenksteine aufgestellt. 

Als am St. Johanner Ortsfriedhof kein Platz mehr für die Toten war, wurden im Bereich des heutigen Russenfriedhofs Gräber ausgehoben. | Foto: Privatarchiv Michael Mooslechner, Flachau, Austria
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Erst seit 2009 über Straße erreichbar

Die Gedenkstätte war über viele Jahrzehnte nicht an das öffentliche Straßennetz angeschlossen. Erst nach einer Unterschriftenaktion finanzierten die Gemeinde St. Johann und das Land Salzburg eine öffentliche Zufahrtsstraße zum Russenfriedhof, die im Jahr 2009 eröffnet wurde. "Seit es die neue Straße gibt, kommen viel mehr Besucher hier her", berichtet Adi Schwaiger, der die Gedenkstätte im Dienste des Schwarzen Kreuzes betreut. Vor dessen Tod war bereits Schwaigers Vater mit dieser Aufgabe betraut. Heute würden auch viele ausländische Gäste nach St. Johann kommen, um auf den Spuren ihrer verstorbenen Angehörigen zu wandeln.

In den Jahren nach dem Krieg wurden Mahnmale errichtet, die an die begrabenen Gefangenen erinnern. Auch im Ortszentrum von St. Johann sind derartige Gedenksteine zu finden. | Foto: Felix Hallinger
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Gedenken mit Jause und Wodka

"Sogar aus Neuseeland waren schon einmal Angehörige eines Soldaten hier, der im Lager umgekommen ist", erzählt der Friedhofsbetreuer. Ein anderes mal seien die Söhne des verstorbenen Russen, Michail Krasnoperov, nach St. Johann gekommen, um am Russenfriedhof eine Steintafel mit dem Konterfei ihres Vaters anzubringen. "Im Gedenken an Krasnoperov haben seine Söhne dann die Steinmetze, die die Tafel angebracht haben, und mich zu einer Jause mit russischem Wodka hier am Friedhofsbankerl eingeladen", erinnert sich Schwaiger. 

Die Söhne von Michail Krasnoperov brachten diese Steintafel aus Russland nach St. Johann, um an ihren verstorbenen Vater zu erinnern. | Foto: Felix Hallinger
  • Die Söhne von Michail Krasnoperov brachten diese Steintafel aus Russland nach St. Johann, um an ihren verstorbenen Vater zu erinnern.
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Kostenlose Führungen einmal im Monat

Interessierten steht der Russenfriedhof zwischen Bischofshofen und St. Johann jederzeit offen. Man muss nur die Ausfahrt an der B311 im Bereich des Autohauses "Pirnbacher" nehmen, um auf die Zufahrt der Gedenkstätte zu kommen. Für genauere Informationen bietet die Geschichtswerkstatt außerdem am ersten Sonntag eines jeden Monats um 14 Uhr kostenlose Führungen an. Vorherige Anmeldungen sind nicht notwendig. "Wir freuen uns immer, wenn sich interessierte Menschen finden, die etwas über die Geschichte ihrer Heimat erfahren wollen", erklärt Zierlinger.

Die Fotos wurden von einem ortsansässigen Fotografen im Kriegsgefangenenlager gemacht. | Foto: Privatarchiv Michael Mooslechner, Flachau, Austria
  • Die Fotos wurden von einem ortsansässigen Fotografen im Kriegsgefangenenlager gemacht.
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Kontakt mit russischem Konsul abgebrochen

Auch regelmäßige Gedenkveranstaltungen werden am Russenfriedhof abgehalten, um an die 3.818 Verstorbenen des nationalsozialistischen Kriegsgefangenenlagers in St. Johann zu erinnern. Bis ins Jahr 2021 war auch der russische Generalkonsul in Salzburg immer als Gast in St. Johann dabei. "Seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine haben wir nichts mehr von ihm gehört", erzählt Zierlinger. "Eine gemeinsame Veranstaltung mit offiziellen Vertretern Russlands ist aber angesichts der Gräueltaten in der Ukraine aktuell ohnehin undenkbar", fügt die St. Johannerin hinzu.

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