Psychologie / Psychotherapie
Homophobie: DIE ANGST VOR DEM GLEICHEN - EIN WELTWEITER ÜBERBLICK

Was ist Homophobie?

Der Begriff Homophobie leitet sich vom griech. ὁμός homós: gleich und φόβος phóbos: Angst ab und kam erst in den späten 1960er Jahren in den allgemeinen Sprachgebrauch. In diesem Sinne meint Homophobie die irrationale Angst vor gleichgeschlechtlichen Lebensweisen, die sich in der Regel in Ekel und Aversion vor homo- und bisexuellen Menschen äußert.
Bei uns in Westeuropa sowie in jüdischen und christlichen Kulturen ist diese Angst, welche mit Patriarchat, Heteronormativität und Heterosexismus einhergeht, seit tausenden Jahren tief in der Gesellschaft verwurzelt. Im Christen- und Judentum berufen sich homophobe Traditionen in der Regel auf die mosaischen Gesetze. Vor diesem Hintergrund wurden homosexuelle Menschen im Mittelalter verfolgt, gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Österreichs homophobe Tradition reicht bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Erst 1971 wurde Homosexualität unter erwachsenen Menschen legalisiert, während das Schutzalter für männliche Homosexuelle erst 2003 von 18 auf 14 Jahre gesenkt wurde.

Ursachen

Homophobie hat viele Ursachen. Manche Forscher betrachten sie als ein anthropologisches Phänomen, d.h. als einen kollektiven Abwehrmechanismus von Gruppen und Gemeinschaften, der das „auffällige andere“ aus der Gemeinschaft ausschließen soll. Dem widersprechen Ethnolog*innen, da es zahlreiche Kulturen gibt, in denen Homosexualität gelebt wird; demzufolge kann die Homosexualität auch als ein kulturell, soziologisch und psychologisch bedingtes Phänomen angesehen werden. Die soziale Komponente besteht in der Übernahme homophober Normen in der eigenen Familie und im Milieu, die soziologische durch die Verinnerlichung homophober Normen der unterschiedlichen Teilsysteme bzw. Sozialisationsinstanzen, in denen Menschen leben (Familie, Schule, Arbeitsplatz, Kommune, Staat).

Tiefenpsychologisch betrachtet hat Homophobie vielfältige und komplexe Ursachen, wie etwa

  • Angst vor der eigenen sexuellen Identität und Sexualität
  • Angst vor eigenen homosexuellen Zügen
  • Angst vor sozialer Unsicherheit
  • Angst vor der Infragestellung zentraler (heteronormativer, patriarchaler) Normvorstellungen
  • Angst vor „Angriff“ auf die traditionelle Familie
  • Angst vor Infragestellung des gängigen Männlichkeitsideals und der traditionellen Genderrollen
  • Angst vor dem „Abweichenden“ und Fremden.1
  • Homophobie ist aber auch ein historisches Phänomen. Abgesehen von der Antike, in denen es vor allem in Griechenland den wenigen Angehörigen der Oberschicht vorbehalten war, Homosexualität auszuleben, kam es bei uns erst im 20. Jahrhundert zu bedeutsamen, nachträglichen Fortschritten und zur Akzeptanz von Homosexualität.

Sorgenkind Afrika

Laut einem von UNAIDS veröffentlichen Bericht gilt homosexueller Sex in 79 Ländern als Verbrechen, in sieben Ländern droht einem sogar die Todesstrafe.
In den meisten afrikanischen Ländern stellt Homosexualität ein großes Problem dar. In 38 von 54 afrikanischen Staaten werden homosexuelle Akte strafrechtlich verfolgt und Homophobie wird politisch instrumentalisiert. Vorallem dann, wenn Regierungen wegen Korruption, Machtmissbrauchs, Veruntreuung von Entwicklungsgeldern usw. von Seiten der Zivilgesellschaft unter Druck geraten, müssen homo- und bisexuelle Menschen als Sündenböcke herhalten, um durch diese Projektion von den wahren Problemen des jeweiligen Landes abzulenken.
Doch auch andere Faktoren spielen bei der Verschärfung der Homophobie in afrikanischen Ländern eine nicht unbedeutende Rolle. So unterstützen evangelikale Gruppen aus den USA die homophobe-Volksverhetzung. Methodisten, Episkopalen und Presbyterianern gelingt es, mit Netzwerken und viel Geld prominente afrikanische Pastoren und Bischöfe für Kampagnen gegen LGBT*s (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender/Transidente) zu gewinnen. Damit stoßen sie nicht nur im Klerus, sondern auch bei afrikanischen Politiker*innen auf offene Ohren.
Rechtskonservative Christen aus den USA vertreten dabei die Meinung, dass Menschenrechte nichts anderes seien als imperialistische Manipulation und dass durch die Menschenrechte die westliche Akzeptanz gegenüber Homosexualität nach Afrika einströme. So hat etwa Scott Lively, der Präsident einer evangelikalen Lobbygruppe, in Uganda vier Stunden vor Parlamentarier*innen gesprochen, um diese zu überzeugen, dass die LGBTI*-Bewegung behindert werden müsse. Er vertritt die verrückte These, wonach, nachdem LGBTIs bereits Brasilien, die USA, die UN und Europa erobert hätten, sie nun auch in Afrika die Macht ergreifen wollen.

Menschenrechtsaktivist*innen beobachten diesen Einfluss von US-amerikanischen christlichen Fundamentalist*innen auf die Innenpolitik christlich geprägter afrikanischer Staaten mit großer Besorgnis. In Uganda zog das massive politische Konsequenzen und Menschenrechtsverletzungen nach sich. So wurde dort heuer über strengere Gesetzesvorlagen diskutiert, welche ein drakonisches Vorgehen bis hin zur Todesstrafe für LGBTIs vorsehen. Nicht nur die betroffenen Schwulen, Lesben und Bisexuellen würden hierbei kriminalisiert werden, sondern auch deren Familienangehörige, sollten sie die Homosexualität eines Verwandten nicht der Polizei melden. Erst jetzt im August wurde nach großen Protesten von Menschenrechtsaktivist*innen das umstrittene Anti-Homosexuellen-Gesetz aufgehoben, das lebenslange Haftstrafen für LGBTI*s vorsah.
Neben Uganda missionieren diese erzkonservativen Fundamentalist*innen auch in Nigeria und Kenia und wettern dort gegen LGBTI*s. Ein inneramerikanischer Kulturkampf scheint sich auf den Nebenschauplatz Afrika zu verlagern und dort ausgetragen zu werden.
Auch Simbabwe ist ein Musterbeispiel für dieses Sündenbock-Verhalten. Anfang der 1990er Jahre wurden dort die Ausgaben für das Gesundheitswesen und für den Kampf gegen HIV/AIDS drastisch gekürzt. Um von diesen gesundheitspolitischen Missständen abzulenken, gab Präsident Mugabe in homophoben Reden den schwulen Männern die Schuld an der Verbreitung von HIV/AIDS.
Trotz dieser starken Homophobie darf nicht übersehen werden, dass es in Afrika immer mehr Gruppen gibt, die sich für die Rechte von homosexuellen Menschen einsetzen. Auch Organisationen wie die Justice for Gay Africans (siehe http://www.jfga.org.uk/), in welcher der gebürtige Nigerianer Godwyns Onwunchekwa als stellvertretender Direktor fungiert, nehmen eine wichtige Vorreiterrolle ein. Justice for Gay Africans agiert von Großbritannien aus und versteht sich als Sprachrohr von LGBTI*s welches die westlichen Staaten auffordert, mit afrikanischen Regierungen über das Thema der Homophobie und Homosexualität zu reden. Zudem steht die Organisation in permanentem Kontakt mit Aktivist*innen in Afrika und unterstützt diese. Wegen seines Engagements macht sich Onwuncheka in seinem Heimatland Nigeria viele Feinde.
Wichtig ist ihm die Klarstellung, dass Homophobie kein rein afrikanisches Problem ist, sondern vielmehr von Politiker*innen geschürt wird, weswegen auf der Ebene der Politik gegen diese Homophobie angegangen werden müsse.
In Südafrika ist zwar eine Homosexuelle Ehe möglich, dennoch kommt es dort immer wieder zur Gewalt gegen Schwule, Lesben und Bisexuelle.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Homophobie (aber auch Transphobie) in Afrika ein junges Phänomen ist, das im Zuge von Kolonialismus, Imperialismus und christlicher Mission künstlich erschaffen wurde. Früher gab es in Afrika über 40 Ethnien, welche etwa die Ehe zwischen zwei Frauen tolerierten oder transidente Rollen akzeptierten.
Die Medien unterstützen diese homophobe Entwicklung, indem sie Bilder von „mutmaßlichen LBGTI*s“ veröffentlichen und auf diese Weise den Weg für Übergriffe ebnen. Die Doppelmoral ist selbstredend groß; vor allem verhaftete lesbische und bisexuelle Frauen werden von Polizisten oftmals vergewaltigt, mit dem Vorwand, diese durch die Vergewaltigung von ihrer Homosexualität kurieren/konvertieren zu wollen (dieses gewaltsame Vorgehen wird als „Corrective Rape“ bezeichnet). Die Täter fühlen sich umso mehr legitimiert, je öfter führende Politiker*innen und Religionsvertreter*innen bestehende Verbote verschärfen und gleichgeschlechtliche Liebe als unmoralisch und krankhaft titulieren. Die Diskriminierung geht soweit, dass LGBTI*s sogar die medizinische Behandlung verweigert wird, da das medizinische Personal fürchtet, durch die Behandlung von LGBTI*s selbst Opfer von Verfolgung zu werden.
Bedauerlicherweise springen zahlreiche afrikanische Staaten auf diesen Zug auf, nur einige wenige wie Mosambik und Botswana haben die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung gesetzlich verboten. Dennoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Anzahl der zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich für die Rechte von LGBTs einsetzen, beständig wächst.

Homophobie in Indien

Der Hinduismus selber, der seinen Ursprung in Indien hat und die drittgrößte Weltreligion darstellt, ist zwar, geht man auf seine Ursprünge zurück, tolerant (die vedischen Schriften sind nicht homophob, sondern erwähnen vielfältige Formen der Sexualität), was den Rückschluss erlaubt, dass die Homophobie in Indien von religiöser Seite her nicht begründet werden kann. Der Hinduismus ist allerdings so vielfältig (er besteht aus vielen verschiedenen monotheistischen, dualistischen und polytheistischen Richtungen), dass keine einheitlichen Aussagen bezüglich seiner Stellung zur Homosexualität getätigt werden können.
Dennoch wird männliche Homosexualität in Indien kriminalisiert: §377 des Indian Penal Codes (des indischen Strafgesetzbuches) stellt schwule Handlungen wie Anal- oder Oralsex unter drakonische Strafen mit bis zu zehn Jahren Haft. Gemäß der Gesetzgebung stellt jeder einvernehmliche schwule Sex, auch wenn er in Privaträumen stattfindet, eine kriminelle Handlung dar. Auch Cruising, das zielgerichtete Suchen nach meist anonymem Sex an verschiedenen Orten (etwa Toilettanlagen), oder der Austausch von Zärtlichkeiten im öffentlichen Raum können zu einer Verhaftung führen. Generell wird der Strafrahmen in der Praxis nur selten ausgeschöpft.
Auch hier ist wieder anzumerken, dass die homophobe Gesetzgebung aus der britischen Kolonialzeit stammt. Das britische Pendant zum indischen Gesetz, welches schwule Handlungen unter Strafe stellte, wurde im Vereinigten Königreich 1967 aufgehoben, in Indien blieb das Gesetz jedoch weiterhin aufrecht.
Neben diesen historischen Ursachen existieren auch kulturelle Besonderheiten, welche Homophobie im Alltag mitverantworten. In Indien besteht ein Kastenwesen, das eine hierarchische Anordnung gesellschaftlicher Gruppen ist. Innerhalb einer Kaste herrscht eine heteronormative, männerdominierende Ordnung. Gründe für die Homophobie sind mehr im soziologisch-gesellschaftlichen Bereich, denn, wie oben bereits ausgeführt, in den Religionen zu suchen. Die Ordnung ist streng patriarchalisch, Söhne gelten als Segen, Töchter oft als Fluch. Zudem sind die Werte von Gleichheit und Individualität nicht mit dem traditionellen Kastenwesen vereinbar.

Ein selbstbestimmtes homosexuelles Leben ist unabhängig von den gesellschaftlichen Kasten und Klassen nur schwer möglich. Aufgrund der schweren Tabuisierung von Homo- und Bisexualität wissen viele Inder*innen gar nicht, was sie fühlen. Homosexuelle Menschen stehen in der Regel ratlos ihren gleichgeschlechtlichen Empfindungen gegenüber, und wissen diese durch Abspaltung und Verdrängung nicht in ihre Persönlichkeit zu integrieren. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine Ansprechpartner*innen gibt, mit denen sie sich über ihre Gefühle austauschen können und die ihnen bei der Selbstfindung hilfreich zur Seite stehen. So ist es nicht verwunderlich, dass homo- und bisexuelle Menschen starke Schamgefühle empfinden und Angst davor haben, den von ihnen erwarteten gesellschaftlichen Ansprüchen und Normen nicht gerecht zu werden. In der Regel fühlen sie sich mit ihren innerseelischen Konflikten und Problemen völlig alleine.
Viele schwule, lesbische und bisexuelle Inder*innen können sich nicht mit dem homo- bzw. bisexuellen Lebensgefühl identifizieren, sondern suchen „lediglich“ gleichgeschlechtlichen Sex. Sie bezeichnen sich nicht als „Gay“ oder „Queer“, sondern vielmehr als „same sex desiring“, „women attracted to women“ oder „men having sex with men“. Das sexuelle Begehren wird ausgelebt, es reicht allerdings nicht aus, um zu einer LGBTI*-Identität zu finden.
Für patriarchalische, heteronormative Gesellschaften ganz typisch ist die in Indien stattfindende Kategorisierung von Schwulen, die aktiven Analverkehr praktizieren als heterosexuell und männlich und jenen, die (auch) auf passiven Sex stehen, als „weiblich“ (in pejorativer Bedeutung).
Obwohl es mittlerweile viele Künstler*innen und Intellektuelle gibt, die das Thema der Homosexualität zu enttabuisieren suchen, hat sich an den herrschenden Normen bis jetzt noch nichts geändert. Die offizielle Ablehnung und Kriminalisierung bleibt weiterhin aufrecht, wurde nach Filmen, welche sich gegen Homophobie und für die Akzeptanz von LGBTI*s einsetzten, sogar verschärft, sodass es zu einer Verurteilung Indiens durch die Vereinten Nationen kam.

Die Ängste der islamisch geprägten Welt

Ganz problematisch ist die Situation in jenen Ländern, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht, hierzu zählen u.a. der Iran, Saudi Arabien, Jemen und Sudan.
Besonders der Iran wird immer wieder von Amnesty International scharf verurteilt. Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 wurden dort über 4.000 LGBTs öffentlich hingerichtet. Für aktiven und passiven Analverkehr sieht die Gesetzgebung die Todesstrafe vor, Petting, Küssen oder erotischer Körperkontakt werden mit schweren Auspeitschungen geahndet, welche entweder auch zum Tod oder zu schweren Vernarbungen und Verstümmelungen führen.
Ganz anders verhält es sich im Iran bezüglich der Transsexualität. In keinem Land gibt es nach Thailand so viele Geschlechtsumwandlungen wie im Iran. Ruhollah Chomeini, der Staatsgründer des Iran, erklärte den chirurgischen Eingriff als mit dem Islam vereinbar, da dieser im Koran nicht erwähnt wird und darum keinen religiösen Verstoß darstellen könne. Die Kosten der Operation werden sogar zur Hälfte von der staatlichen Krankenkasse übernommen.
Ein schwules oder lesbisches Paar kann somit nur dann offiziell (d.h. verheiratet) zusammenleben, wenn sich einer/eine der beiden einer Geschlechtsumwandlung unterziehen lässt, sodass nach außen die Heterosexualität gewahrt bleibt. Für Homosexuelle ist die schwerwiegende Operation der einzige Weg, um schwerer sozialer Stigmatisierung bis hin zur Todesstrafe zu entgehen. Aufgrund des gesellschaftlichen Drucks und der ständigen Bedrohung (die Todesstrafe wird zwar nur sehr selten verhängt, doch reicht der Angstdruck vor Willkür und möglicher Bedrohung von Leib und Leben aus) lassen sich zahlreiche Iraner*innen durch operative Eingriffe dem anderen Geschlecht angleichen, obwohl dies nicht ihrem Empfinden und ihrer Kerngeschlechtsidentität entspricht. Etwa die Hälfte aller Menschen, die eine Geschlechtsanpassung an sich vollziehen lassen, sind nicht transident, sondern homo- bzw. bisexuell. Viele dieser Betroffenen werden nach der Operation schwer depressiv und begehen Suizid.
Trotz der Begründung der drakonischen Strafen mit Suren aus dem Koran, muss an dieser Stelle der religiöse Anteil an der staatlichen sowie gesellschaftlichen Homophobie stark relativiert werden, da diese Phänomene relativ jung sind. Homophile Kunst und Kultur vergangener Zeiten legen Zeugnis ab, dass Homosexualität dort früher nicht so sehr stigmatisiert wurde und z.T. sogar frei gelebt werden konnte. Auch in den islamisch geprägten Ländern wurden Heterosexismus und die damit einhergehende Homophobie vom „Abendland“ importiert, Diskriminierungen wurden vom Westen übernommen.

Einen guten Überblick hierzu bietet Georg Klauda[1]. Um den Import der Homophobie aus dem Westen verständlicher zu machen, möchte ich hier ein ausführliches Zitat von Klauda bringen:
„Die Aussage, der Islam verdamme «die Homosexualität», ist im höchsten Maße irreführend. Er [Korrektur: Sie, d.V.] bringt ein Konzept ins Spiel, das erst in der Zeit der europäischen Aufklärung relevant wurde: die Konstruktion eines devianten Begehrens, das zwei Personenklassen voneinander unterscheidet, eine «normal» fühlende Mehrheit und eine sexuell «andersartige» Minderheit. Demgegenüber verbot die islamische Rechtswissenschaft zwar eine Reihe von sexuellen Akten, betrachtete deren Subjekt aber nicht als «Defekt der Natur» (Thomas von Aquin). Dieser Diskurs konnte sich nur auf dem Boden der christlichen Theologie formieren, weil innerhalb dieser Tradition geschlechtliche Akte nicht bloß als erlaubt oder unerlaubt, sondern darüber hinaus auch als «natürlich» oder «widernatürlich» klassifiziert wurden. […] Dass die binäre Einteilung und Identifizierung von Lebensformen entlang der Kategorien von «Homo-» und «Heterosexualität» trotz aller Liberalisierungen nichts an Schärfe verloren, sondern gerade in letzten Drittel des 20. Jahrhunderts unter Jugendlichen noch einmal erheblich an Fahrt gewonnen hat, wirft dabei auch ein ambivalentes Licht auf die progressiven Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, mit denen im «Kampf der Kulturen» gerne gewuchert wird. Offenbar war die Emanzipation der «Homosexuellen» eben nur dies: die Befreiung einer Minderheit von gesetzlichen Oppressionen, aber keine Infragestellung des Prozesses, der gleichgeschlechtliche Liebe aus den normativen Lebensentwürfen der Bevölkerungsmehrheit rigoros ausgesondert hat.“
( Klauda, S 129ff)

Die heteronormativen Konzepte sind für die Radikalisierung der Homophobie im „Morgenland“ mitverantwortlich. Neurosen (wie Homophobie eine ist) schaffen enge Denkkategorien, welche wiederum die Homophobie verstärken – ein schlimmer Teufelskreis!

Was geschieht bei uns?

Natürlich darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass auch hierzulande Homophobie noch immer ein großes Problem darstellt. Im allgemeinen gesellschaftlichen Leben, am Arbeitsplatz, in der Familie und in den Schulen (sowohl durch Schüler*innen als auch durch Lehrer*innen) kommt es zu schweren Diskriminierungen von LGBTI*s. Homophobie ist tief in der österreichischen Gesellschaft und Kultur verankert.
Der Widerspruch zwischen Events à la Life Ball oder dem diesjährigen Songcontest und dem alltäglichen Leben könnte größer nicht sein. So gaben in einer aktuellen Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte 84 % aller LGBTs an, dass sie innerhalb des letzten Jahres persönliche Diskriminierung oder Belästigung wegen ihrer sexuellen Orientierung erfahren hatten. 26 Prozent berichten sogar von körperlichen oder verbalen Attacken, während nur 17 Prozent der schweren Fälle angezeigt wurden. LGBTI*s sind willkommene Opfer, da sie oft schweigen oder keine Anzeige erstatten.
Eine sehr homophobe Bastion stellt in Österreich der Mannschaftssport, allen voran der Fußball dar. Bei rassistischen Entgleisungen von Seiten der Zuschauer müssen Spiele mittlerweile unterbrochen und das Publikum ermahnt werden, bei homophoben Parolen hingegen ist das nicht der Fall.
Auf politischer Ebene zeichnet sich vor allem die FPÖ durch homophobe Äußerungen aus, schürt somit Feindbilder und trägt indirekt zur Volksverhetzung und zu homophoben Gewalttaten bei. Aber auch die Verweigerung der rechtlichen Gleichstellung durch viele ÖVP-Politiker*innen stellt einen passiven Akt homophober Gewalt dar. Auch wer sich nicht für gleiche Rechte und Pflichten einsetzt, handelt homophob.

Zero Discrimination
Homophobie stellt auch ein großes Problem im weltweit geführten Kampf gegen HIV/AIDS dar. Die weltweite Diskriminierung von MSM („Men who have sex with men“) führen dazu, dass sich HIV umso schneller ausbreitet, da die Stigmatisierung die Aufklärung und effiziente Behandlung von Menschen mit HIV/AIDS behindert. HIV-Expert*innen wiesen bei der Welt-AIDS-Konferenz 2014 in Melbourne darauf hin, dass sich HIV unter stigmatisierten Minderheiten besonders rasch ausbreitet. Homo- und bisexuelle Menschen, denen Haft oder Strafe drohen, lassen sich (ähnlich wie drogenabhängige Menschen) weder testen noch einer Behandlung unterziehen.
Auch psychologisch betrachtet, ist Homophobie ein großes Problem: Homophobie und die Angst vor den negativen sozialen Folgen bei einer Infektion mit HIV ergeben eine fatale, mitunter tödliche Kombination für viele Betroffene. Entwickelt sich in einer Gesellschaft das Bild, dass HIV/AIDS eine „Homosexuellenkrankheit“ sei, welche den Ausschluss aus der Gesellschaft erwarten lässt und sozialen Abstieg zur Folge hat, so spiegelt sich diese Annahme auch in den Bewertungen der eigenen HIV-Infektion wider. Aus Angst vor diesen erwarteten negativen Folgen wird ein HIV-Test vermieden, damit man sich nicht mit den möglichen Auswirkungen auf das eigene Leben auseinandersetzen muss.
Scham- und Schuldgefühle, verstärkt durch internalisierte Homophobie, stehen mit der Infektion in Verbindung und hindern den Betroffenen, sich einer Therapie zu unterziehen. Zudem führt verinnerlichte Homophobie häufig zu Selbstverletzungen und selbstschädigendem Verhalten, welches u.a. auch in ungeschütztem Sexualverkehr besteht, bei dem aufgrund eines (unbewussten) Strafbedürfnisses das Risiko einer Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten eingegangen wird.

[1] Klauda, Georg (2008): „Die Vertreibung aus dem Serail. Europa und die Heteronormalisierung der islamischen Welt.“ Hamburg: Männerschwarm Verlag.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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