Kommentar
Hexenjagd auf die Bürgermeister muss enden

Julia Hettegger, Chefredakteurin Bezirksblätter Salzburg
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Unsere Bürgermeister müssen gerade exemplarisch als Schuldige für diverse Impfpannen herhalten. Und das alles wegen eines Impfstoffes, den noch im Dezember niemand haben wollte.

SALZBURG. Noch vor ein paar Wochen wurden unsere Beiträge zum Thema Corona-Impfung kommentiert von Lesern, die sich gegen diese Impfung und dadurch angeblich entstehende Impfzwänge vehement wehrten. Jetzt sind sie verschwunden. Viele von ihnen sind abgewandert und machen mobil gegen geimpfte Bürgermeister. 

Von der Ablehnung zum Neid

Es entsteht ein Neid um jede einzelne Impfdosis und Diskussionen darüber, wem sie zu allererst zusteht. Für viele ist es klar: den Bürgermeistern und deren Angehörigen jedenfalls nicht. Es werden Bürgermeister generalbeschuldigt, sich bei den Impfungen vorgedrängt zu haben. Andere, die tatsächlich geimpft wurden, müssen sich in der Öffentlichkeit entschuldigen, und zwar für ein völlig zulässiges Verhalten. Denn in den Priorisierungsempfehlungen des Gesundheitsministeriums ist bei der Priorität I im Zusammenhang mit der Impfung von Bewohnerinnen/Bewohnern und Personal der Seniorenwohnheime festgehalten, dass auch Personen mit einer regelmäßigen Tätigkeit oder regelmäßigem Aufenthalt in Seniorenwohnheimen mitgeimpft werden können. Wenn Bürgermeister als Träger dieser Einrichtungen regelmäßige Aufenthalte in Seniorenwohnheimen haben – und damit ist zu rechnen –, ist deren Impfung zulässig.

Bürgermeister als Dreh- und Angelpunkte der Gemeinden  

Man vergesse außerdem nicht: Bürgermeister sind für sehr viele Einrichtungen in ihren Gemeinden zuständig und daher immer in Kontakt mit unterschiedlichen Menschen und Generationen in ihren Gemeinden. Ich denke an betreubare Wohneinheiten, an Kindergärten, Krabbelgruppen, an Baustellen und Bauhöfe und vieles andere. Häufig sind sie persönliche Ansprechpartner für verschiedenste Belange ihrer Bürger. Wer, wenn nicht die Bürgermeister als Dreh- und Angelpunkte in den Gemeinden, hätte daher ein Recht auf eine hohe Priorität bei der Impfung? 

Impfstart ohne Datenbank

Dass nun auch da und dort Ehefrauen und -männer, Kinder und andere Akteure der Gemeinden auch im ersten Durchgang geimpft wurden, mag berechtigteren Anlass zur Diskussion geben. Man muss sich dazu aber folgendes Szenario vor Augen führen: Anfang Jänner, wo es noch keine Datenbank gab, um sich als potentiell zu impfende Person einzutragen, wurden erste Dosen in die Seniorenheime ausgeschickt. Dort wurde vorab eine bestimmte Anzahl an zu impfenden Personen unter den Bewohnern und in der Belegschaft ermittelt und daraus resultierend eine bestimmte Zahl an Dosen angefordert. Dann wurde aber die Möglichkeit bekannt, aus den Impfdosen mehr Einheiten zu ziehen als vorab kalkuliert wurde. Die Anzahl an möglichen, zu impfenden Personen erhöhte sich damit sprunghaft.

Wen hättet ihr angerufen?

Der empfindliche Impfstoff, der den Häusern zugestellt wurde, musste aber noch an diesem Tag verimpft werden, um nicht "abzulaufen". Was macht man also in einer Gemeinde, wo plötzlich Dosen übrig bleiben und keine Datenbank zur Verfügung steht, in der impfwillige über 80-Jährige erfasst sind? Man ruft natürlich spontan Bekannte und Verwandte an, die in der Nähe wohnen, damit die Dosen verimpft und nicht weggeworfen werden. Wir sprechen hier übrigens von einem Impfstoff, der auch nicht geschüttelt werden darf. Er kann also nicht spontan zu impfwilligen Senioren gefahren werden. Die Impfer müssen zur Dosis kommen. In manchen Gemeinden soll es hier zeitlich um eine knappe Stunde gegangen sein, ehe der Impfstoff weggeworfen hätte werden müssen. Wen hättet ihr in dieser Situation angerufen? 

Das Problem mit den Hochaltrigen

Es sei hier auch erwähnt, dass es nicht so einfach ist, wie man sich das vielleicht vorstellt, durch das Seniorenheim oder die betreute Wohnanlage zu laufen und Senioren zu impfen, die sich vorab nicht dafür gemeldet haben. Häufig entscheiden Angehörige für diese Bewohner, die erst erreicht werden müssen. Und jene Bewohner, die es selbst entscheiden können, können natürlich nicht zwangsgeimpft werden, auch wenn Dosen übrig bleiben. Dazu kommt, dass über 80-Jährige häufig an Vorerkrankungen leiden und ein Arzt abklären muss, ob eine Impfung überhaupt möglich ist. All das wurde vorab nicht gemacht.

Warum gab es noch keine Datenbank?

Wir sollten also nicht nach Schuldigen, sondern nach den Gründen suchen, die zu diesen Handlungen geführt haben. Es stellt sich die Frage, warum es bis zum Ausliefern der ersten Dosen noch keine Datenbank mit potentiell impfwilligen über 80-Jährigen gab? Dass es zu  möglichen Restdosen des empfindlichen Impfstoffs kommen würde, war ja wohl absehbar. Wenn, dann waren es organisatorische Schnitzer, für die man aber am allerwenigsten die Heimleiter, Ärzte oder Bürgermeister verantwortlich machen kann. Diese konnten in der Situation nur rasch reagieren. Statt Schuldige zu suchen, sollte lieber versucht werden, aus organisatorischen Fehlern wie diesen zu lernen. 

Zeigt euch, ihr Bürgermeister

Diese Hexenjagd auf die Bürgermeister ist aus all diesen Gründen unfair und muss sofort enden. Das kann entweder geschehen, wenn sich nun alle Bürgermeister, die bereits geimpft sind, zeigen und dazu stehen. Denn dann wird es ob ihrer Menge unmöglich sein, jeden einzelnen mit Namen und Porträtfoto in die Öffentlichkeit zu zerren. Oder, wir kommen zur Besinnung, treten einen Schritt zurück und sehen das große Ganze: Jeder Einzelne, der geimpft ist, trägt zur Stabilisierung der Situation bei – jeder Einzelne, auch wenn er Bürgermeister ist.

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