Kriegsrelikte im Salzkammergut
Explosive Erinnerungen an ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte

Beim Tennisclub Bad Ischl (2021), in Bad Goisern (2019) und in Gmunden (2021) wurden explosive Entdeckungen gemacht. | Foto: Gratzer/fotokerschi.at/Gde. Gmunden
  • Beim Tennisclub Bad Ischl (2021), in Bad Goisern (2019) und in Gmunden (2021) wurden explosive Entdeckungen gemacht.
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Ende Mai wurden in Bad Ischl zwei potenziell gefährliche Kriegsrelikte bei Grabungsarbeiten gefunden. Gemeinsam mit Historiker Michael Kurz begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise.

BAD ISCHL, SALZKAMMERGUT. Allein in der jüngeren Vergangenheit wurde in Bad Ischl an zwei Stellen Granaten gefunden. So musste der Entminungsdienst am 29. Mai anrücken, weil ein Neunjähriger im Aushub eines Baggers eine explosive Entdeckung gemacht hatte. Die mit 1,2 Kilogramm TNT versehene Granate, die als Panzerabwehrmunition auf einem sogenannten Panzerschreck vorgesehen war, wurde vom Entminungsdienst gesichert und vom Grundstück entfernt. Nur wenige Tage später – am 1. Juni – musste die Anlage des TC Bad Ischl für mehrere Stunden gesperrt werden. Grund: Bei Grabungsarbeiten im Zuge der Tennishallensanierung fand man eine – lt. ersten Angaben der Polizei – französische Granate. Auch hier konnte nach dem Einsatz des Entminungsdienstes wieder grünes Licht für die Tennissportler gegeben werden.
Update: Am 17. Juni fand ein Bauarbeiter eine Wurfgranate in Roitham – Details gibt es hier

2019: Fliegerbombe in Bad Goisern gefunden

Ein Einzelfall sind das leider nicht. So fanden Bauarbeiter im Mai 2019 im Bad Goiserer Ortsteil St. Agatha eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Der betroffene Bereich war damals großräumig abgesperrt worden, einige Häuser wurden aus Sicherheitsgründen evakuiert. Auch die B145 war kurzzeitig von der Sperre betroffen.
Einen kuriosen Fund gab es im Februar in Gmunden. Dieses Mal aber nicht bei Grabungsarbeiten, sondern am Dachboden des Pepöck-Hauses. Mehr über die "Orsini-Bombe" finden Sie im Zur Sache-Kasten.

Michael Kurz: Blick in die Vergangenheit

Solche Funde sind Zeitzeugen besonders dunkler Stunden der Menschheitsgeschichte. Auch der Bad Goiserer Historiker Michael Kurz hat sich anlässlich des Fundes mit den regionalen Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges auseinander gesetzt: "In Goisern kam es am 7. Mai 1945 vermutlich zu einer der letzten Kriegshandlungen des Zweiten Weltkrieges in Europa, die Umstände dazu sind (noch) nicht geklärt." Amerikanische Flieger – vermutlich vom bayrischen Kitzingen kommend – bombardierten die deutschen Wehrmachtsfahrzeuge auf der Straße in St. Agatha Richtung Pötschenpass. "Einerseits hieß es, dass sie aus der Kolonne beschossen wurden, andererseits, sie hätten die ultimative Freimachung der Straße verlangt und da dies nicht erfolgte, die Beschießung durchgeführt", erklärt Kurz.

Zeitzeuge schildert Vorfälle in Bad Ischl

Einer Aufzeichnung von Fritz Wiener zufolge, die Kurz im Zuge seiner Recherchen gefunden hat, könnte diesem Vorfall auch eine Episode in Bad Ischl vorausgegangen sein. „Am frühen Vormittag des folgenden Tages – Montag, 7. Mai – reihte ich mich in die lange Schlange der Wartenden vor der Bäckerei Hausotter in der Perneckerstraße, um Brot zu besorgen, das aufgerufen war, d. h. auf einem bestimmten Abschnitt der Brotkarte zu bekommen war", schreibt Wiener. "Hoch über uns flogen drei amerikanische Jagdbomber. Plötzlich stießen sie herunter und schossen mit ihren Bordwaffen die JU-52 in Brand, die Tage zuvor vom Sterzens Abendsitz in den Hubkogel verbracht worden war. Der Pilot und der Kopilot, der sich gerade unter einer Tragfläche des Flugzeugs rasieren wollte, konnten sich im letzten Augenblick retten.
 Als die wartenden Leute in der Schlange vor mir, fast nur Frauen und Kinder, das Geknatter der Bordkanonen und Maschinengewehre hörten, stoben sie aus Angst auseinander und liefen nach Hause.“

Zur Sache-Kasten

Im heurigen Februar sorgte ein kurioser Fund in Gmunden für Aufsehen. Der Leiter des Kammerhofmuseums, Johannes Weidinger, entdeckte auf dem Dachboden des Pepöck-Hauses eine sogenannte Orsini-Bombe.
Bei dem Fund handelt es sich um eine Frühform heutiger Handgranaten, wie sie vor allem europäische Anarchisten und Terroristen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder einsetzten. Felice Orsini, ein italienischer Revolutionär und Terrorist, hatte den Sprengkörper Ende 1857 entwickelt – und selber als erster eingesetzt. Er und Komplizen warfen am 14. Januar 1858 drei dieser Handgranaten auf Kaiser Napoleon III., als dieser gerade zur Oper unterwegs war. Napoleon und seine Frau blieben unverletzt, aber es gab acht Tote und 142 Verletzte, unter ihnen Orsini selbst. Außer der Gmundner Orsini-Bombe, von der man laut Prägung nur weiß, dass sie 1864 gebaut wurde, existiert in Österreich nur noch ein zweites Stück.

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