Bezirk St. Pölten: Lokale Wasserversorgung bedroht
Eine neue Richtlinie der EU könnte das Aus für Gemeindebrunnen bedeuten.
ST. PÖLTEN (bt). Im Großteil der Orte im Bezirk St. Pölten stammt das Trinkwasser aus Brunnen und Wasserwerken der Gemeinden. Das könnte sich aber bald ändern. Denn eine neue Richtlinie der EU sieht strengere Kontrollen und Grenzwerte vor als bisher. EU-Parlamentarier Lukas Mandl schlägt Alarm: „Die neue Richtlinie würde für die Betreiber örtlicher Wasserwerke grob eine Verzehnfachung der Kosten bedeuten. Große Versorger können sich das leisten, aber für viele kleine Anlagen könnte das das Aus bedeuten.“
Was als Konsumentenschutz gedacht war, könnte also am Schluss teuer für die Konsumenten werden. Denn entweder müssen die erhöhten Kosten auf den Wasserpreis aufgeschlagen, oder das Wassser überhaupt von einem Drittanbieter zugekauft werden. Im Bezirk St. Pölten reagieren die Verantwortlichen auf die EU-Pläne.
Große bleiben entspannt
Große Wasserwerke wie jenes der Stadt St. Pölten bleiben entspannt. Wie Leiter Mirza Sacic meint, "werden sich vermutlich noch Teile des Entwurfes ändern. Der laufende Prozess wird von uns verfolgt. Sobald die neue Richtlinie in Kraft tritt, werden wir diese auch einhalten". Er hält fest: "Die Trinkwasserversorgung für die Stadt St. Pölten hat bisher einwandfreies Trinkwasser in höchster Qualität, in ausreichender Menge und zu einem leistbaren Preis verteilt und wird dies auch in Zukunft tun."
Kleine raufen ums Überleben
Weitaus besorgter sind kleinerer Gemeinden mit eigenständiger Wasserversorgung. "Wir raufen eh schon jahrelang mit der Kostendeckung der Wasserversorgungsanlage. Wir haben nur 260 Anschlüsse aber 14 Kilometer Wasserleitung zu erhalten. Es braucht keine Mathematik, dass man sich ausrechnen kann, wie die ganze Geschichte finaziell dasteht. Bei der Kostendeckung sind wir am Ende der Stange", seufzt Michelbachs Bürgermeister Hermann Rothbauer. Während für Kleinstversorger aktuell nur eine Volluntersuchung pro Jahr vorgeschrieben ist, könnten es in Zukunft zehn sein. Die Kosten würden nach oben klettern. "Meiner Meinung nach bringt das überhaupt nichts, unser Wasser wird ausreichend untersucht und wir haben keine Probleme. Durch noch mehr Untersuchungen wird die Qualität des Wassers auch nicht besser", poltert Rothbauer. Er würde es begrüßen wenn die Richtlinie lediglich auf nationaler und nicht auf EU-Ebene überarbeitet würde. "Es ist ein Unterschied ob ich eine Wasserversrogungsanalge in Sizilien betreibe oder im Alpenland - wo wir in Sachen Qualität ja eh auf die Butterseite gefallen sind. Ich denke, dass noch kräftig zurückgerudert werden wird."
"Ich kann immer noch mehr Untersuchungen machen, aber zahlen muss das im Endeffekt der Endverbraucher. Eine Wasserversorgung muss kostendeckend arbeiten", sagt Neidlings Bürgermeister Karl Schrattenholzer, während er zum Hochbehälter Steinberg führt. Das Wasser wird aus 65 Metern gepumpt. "Da ist nichts drinnen außer Eisen und für das haben wir eine Enteisungsanlage", so der Ortschef. Die Anlage versorgt 500 bis 600 Haushalte. "Die Grenzwerte sind bei uns eh schon sehr streng ausgelegt", betont Schrattenholzer, dass er keinen Verschärfungsbedarf sieht. "Wir haben sehr gutes Wasser. Alle wollen immer perfektere Werte, aber diese sind nur möglich, wenn es keine Lebewesen mehr gibt."
Hintergrund
2013 erzielte die Europäische Bürgerinitiative „right2water“ mehr als 1,3 Mio Unterschriften. Sie forderte einen Gesetzesvorschlag, der „Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung“ fördert. In der Folge begann die Europäische Kommission mit der Überarbeitung der alten Trinkwasser Richtlinie aus dem Jahr 1998.
Am 7. Juni 2018 war zum Kommissions-Vorschlag die erste Aussprache im zuständigen Ausschuss. Der Ausschuss wird voraussichtlich Mitte September abstimmen, das Plenum im Oktober 2018.
Die Ziele der Überarbeitung sind:
- Zugang zu Trinkwasser für alle Europäer (besonders für schutzbedürftige und ausgegrenzte Gruppen)
- Verbesserung der Wasserqualität und -sicherheit (Aufnahme von 18 neuen Kriterien in den Prüfkatalog für unbedenkliches Wasser)
- Informationen über die Qualität des Trinkwassers und die Trinkwasserversorgung in Wohngebieten zugänglich zu machen.
- Zusätzlich sollen durch den zu erwartenden Rückgang von Flaschenwasser jährlich 600 Mio. Euro eingespart und weniger Plastik verbraucht werden.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.