Ärztemangel im Fokus
Ärztekammer fordert "mehr Zeit fürs Arztsein"

Um den Beruf als Ärztin oder Arzt wieder attraktiver zu machen, müsse man mehr auf die individuellen Lebensmodelle eingehen.  | Foto: Symbolbild Pixabay
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  • Um den Beruf als Ärztin oder Arzt wieder attraktiver zu machen, müsse man mehr auf die individuellen Lebensmodelle eingehen.
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Man müsse mehr auf die Bedürfnisse und Wünsche der Ärztinnen und Ärzte eingehen, um den Personalmangel zu entkräften und der bevorstehenden Pensionswelle entgegenzuhalten, fordern Vertreterinnen und Vertreter der Ärztekammer am Dienstag. Außerdem brauche es neue Arbeitsmodelle, um junge Menschen für den Beruf zu begeistern.

STEIERMARK. Wie in der Pflege sieht auch die aktuelle Personalsituation der Ärzteschaft wenig rosig aus. Ärztinnen und Ärzte sind momentan einer großen Arbeitsbelastung ausgesetzt, um eine gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Wie "krank" das steirische Spitalswesen inzwischen ist, wurde erst Ende April in einer Podiumsdiskussion an der Med Uni Graz diskutiert - MeinBezirk.at berichtete. 

Um die jetzigen und künftigen Herausforderungen zu meistern, müsse "endlich zugehört" werden, forderten der  Präsident der Ärztekammer für Steiermark und Leiter des Referats für Jungmedizinerinnen und Jungmediziner der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Michael Sacherer und die Jungmediziner-Referentin der (ÖÄK) und Turnusärztin in Steyr, Cornelia Sitter bei einer Pressekonferenz in Graz. Denn die ärztliche Versorgung der Zukunft hänge maßgeblich von jenen jungen Ärztinnen und Ärzten ab, die jetzt ausgebildet werden.

Zu viel Bürokratie und Dokumentation

Bürokratische Hürden würden den Beruf zunehmend unattraktiv machen, Kontakt und Betreuung der Patientinnen und Patienten umgekehrt immer mehr in den Hintergrund rücken. Eine 2019 durchgeführte Befragung von Spitalsärztinnen und -ärzte ergab etwa, dass 58 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit auf ärztliche Aufgaben entfallen, 37 Prozent auf Administration und fünf Prozent auf Lehre und Forschung. „Wir müssen jetzt leider zu dem Schluss kommen, dass sich die Situation seither nicht verbessert, sondern sogar noch zugespitzt hat“, betonte Sacherer.

Sehen die Politik gefordert: Cornelia Sitter, Jungmediziner-Referentin der ÖÄK und Turnusärztin in Steyr und Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer für Steiermark und Leiter des Referats für Jungmedizinerinnen und Jungmediziner. | Foto: Schiffer
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Vor allem auch Auszubildende würden über zu viel Bürokratie und Dokumentation berichten, ergänzte Sitter: "Dort macht das sogar knapp 50 Prozent der Arbeitszeit aus. Wenn wir es schaffen, das zu ändern, wäre dies schon ein ganz wichtiger Schritt zu einer deutlichen Attraktivierung des Arztberufs."

(Un)vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Großes Thema bei jungen Medizinerinnen und Medizinern sei auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die Realität sehe momentan aber ganz anders aus: "Versteckte" Überstunde oder kurzfristiges Einspringen vor allem auch nachts oder am Wochenende stünde aufgrund des Personalmangels derzeit auf der Tagesordnung. 

„Wir Ärztinnen und Ärzte sind aber auch Menschen und wir haben Familien und andere Bedürfnisse, auch wir wollen echte 40 Stunden arbeiten und unsere Arbeitszeit darf nicht mit 50 oder 60 Wochenstunden geplant werden“, so Sitter, die gemeinsam mit Sacherer ein flexibles Arbeitszeitmodell und eine bessere Planbarkeit der Dienste fordert. „Daher ist es Zeit, dass die Politik den Jungen endlich ganz genau zuhört, wie sie in Zukunft arbeiten wollen – und danach trachten, diese Wünsche bestmöglich zu erfüllen“, so Sacherer.

Mehr Ressourcen für Ausbildung gefordert

Den Grundpfeiler bietet hier die Ausbildung. Um die Qualität dieser zu evaluieren, fand von 1. März 2023 bis vergangenen Freitag (12. Mai) die bisher größte Evaluierung der ärztlichen Ausbildung – in Kooperation von Österreichischer Ärztekammer und ETH Zürich (Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich) - statt. Die Ergebnisse der Umfrage, die Schwächen und Stärken der momentanen Ausbildung aufzeigen soll, werden im Herbst veröffentlicht, hieß es in der Aussendung weiter.

Viele junge Ärztinnen und Ärzte gehen ins Ausland oder wählen erst gar nicht den Arztberuf aus, heißt es seitens der ÖÄK.  | Foto: Markus Spitzauer
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Die Ressourcen müssten hier "drastisch" erhöht werden, um junge Ärztinnen und Ärzte in Österreich zu behalten, so Sacherer: „Wir wissen, dass die Ausbildung für die jungen Ärztinnen und Ärzte extrem wichtig ist und dass diese jederzeit bereit sind, in ein anderes Land zu gehen, wenn dort die Ausbildung und die Karrierechancen besser sind. Die Ausbildung muss genutzt werden, um ärztliche Kompetenz zu erwerben. Dazu muss sie ernst genommen werden“, betonte Sacherer.

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