Landesgeologe über Hangrutschungen
Entspannung, aber noch keine Entwarnung

Nicht nur im Süden der Steiermark, auch in Kleinlobming im Bezirk Murtal ist die Feuerwehr derzeit nach einem Hangrutsch im Einsatz. | Foto: KK
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  • Nicht nur im Süden der Steiermark, auch in Kleinlobming im Bezirk Murtal ist die Feuerwehr derzeit nach einem Hangrutsch im Einsatz.
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Unzählige Hänge sind in Folge der Starkniederschläge von vergangenem Wochenende ins Rutschen geraten. Landesgeologe Michael Konrad steht seither gemeinsam mit seinem Team im Dauereinsatz. Die Lage würde sich langsam entspannen, von einer Entwarnung könne aber noch nicht gesprochen werden. Nach wie vor sei viel Wasser in den Böden und Rutschungen möglich.

STEIERMARK: "Wir sind derzeit bei mehr als 340 Schadstellen allein im Bezirk Südoststeiermark angelangt. Dabei handelt es sich in erster Linie um Rutschungen von größtenteils landwirtschaftlichen Nutzflächen", berichtet Landesgeologe Michael Konrad, der seit Freitag alle Hände voll zu tun hat. Insgesamt besteht das Team, das Konrad koordiniert, aus sechs Geologen des Landes Steiermark, drei weitere – externe – Geologen wurden angesichts der Vielzahl an Schadensmeldungen verpflichtet und befinden sich ebenfalls landesweit im Einsatz. 

Allein mehr als 340 Schadensmeldungen gab es bis Dienstagmittag im Bezirk Südoststeiermark: Hier eine Hangrutschung im Ortszentrum von St. Johann im Saggautal im Bezirk Leibnitz. | Foto: ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com
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"Ich begebe mich zuerst in die Einsatzzentrale, bekomme dort die Liste an Schadensmeldungen und priorisiere diese", beschreibt Konrad die Vorgehensweise. Meldungen mit dem Verweis "Gefahr in Verzug" würden vorrangig behandelt werden und stünden auf der Tour an oberster Stelle. Vor Ort fände eine Begehung des Hanges statt. "Dabei schauen wir uns die Hangform an, den Wassergehalt des Bodens, welche Wässer aus dem Hang austreten oder sich ansammeln." In erster Linie gehe es aber um die Bewertung des Gefährdungspotenzials.

"Ein Hangrutsch im Wald wo weit und breit nichts betroffen ist, hat keine Priorität. Schadstellen, wo Wohn- oder Wirtschaftsgebäude beziehungsweise wichtige Infrastruktur betroffen ist, aber sehr wohl."
Michael Konrad, Landesgeologe

Nach der Begehung und Einschätzung des Gefährdungspotenzial werde über die weitere Vorgehensweise entschieden. Hier gehe es um Sicherung und Sanierung. Ist eine Stabilisierung nicht mehr möglich, müsse man zu Sperren greifen, Betretungsverbote aussprechen oder in letzter Instanz evakuieren, erläutert Konrad.

Landesgeologe Michael Konrad steht nach den heftigen Regenfällen vom vergangenen Wochenende im Dauereinsatz und beurteilt Gefahrenstellen.  | Foto: Tamara Stangl
  • Landesgeologe Michael Konrad steht nach den heftigen Regenfällen vom vergangenen Wochenende im Dauereinsatz und beurteilt Gefahrenstellen.
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Entspannung, aber keine Entwarnung

"Angesichts der Wetterlage und der Witterung können wir grundsätzlich mit einer Entspannung rechnen", lautet die positive Nachricht des Landesgeologen. Die Anzahl neu gemeldeter Schadensmeldungen sei rückläufig, die Temperaturen würden steigen, es werde trockener. "Das heißt aber nicht, dass die Rutschungen komplett zum Erliegen kommen", warnt Konrad vor einer frühzeitigen Entwarnung. Es befände sich noch immer viel Wasser in den Böden, wodurch auch Hangbewegungen nach wie vor möglich seien. 

Wie genau man sich das vorstellen könnte, erläutert der Experte folgendermaßen: "Regen beziehungsweise Starkniederschläge werden vorrangig an der Oberfläche abgeführt, daher auch die Hochwassersituation, die wir am Wochenende hatten hatten."

"Ein Teil der Wassers versickert im Boden in tiefer gelegene Erdschichten und gelang dort auf eine Stauschicht, wo es zur Ausbildung eines Wasserfilms kommt. Gepaart mit der Hangneigung kann es dann zur Abgleitung der Erdmassen, die darüber liegen, kommen. Mit der Zeit wird der Wasserfilm zwar dünner beziehungsweise schmäler, ist aber immer noch da. Darum haben wir nach wie vor diese kleinräumigen Bewegungen." 
Michael Konrad, Landesgeologe

Zu einem Erdrutsch kam es beispielsweise in St. Wolfgang – hier der Blick vom Gegenhang. | Foto: KK
  • Zu einem Erdrutsch kam es beispielsweise in St. Wolfgang – hier der Blick vom Gegenhang.
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Die Oststeiermark, ergänzt der Experte, sei geologisch gesehen besonders gefährdet für Hangrutschungen. Grund dafür sei die vorhandene Wechselfolge von gut und weniger gut durchlässigen Bodenschichten. 

"Mit einem blauen Auge davongekommen"

Die Einschätzung der Schwere des Hochwassers von vergangenem Wochenende überlässt Michael Konrad lieber den zuständigen Expertinnen und Experten. "Rein was die Rutschungen betrifft, sind wir aber mit einem blauen Auge davon gekommen, auch wenn wir da und dort massive Schäden haben", zieht Konrad Bilanz und vergleicht die aktuelle Lage mit jener nach dem dramatischen Hochwasser im Jahr 2009. 

Zunehmend kritisch sieht der Experte jedoch gewisse Entwicklungen unserer Gesellschaft. "Die Selbstverantwortung und Eigeninitiative sind stark in den Hintergrund geraten. Die Bevölkerung verlässt sich zusehends darauf, dass Land und Bund tätig werden. Und ja, diese helfen und unterstützen über Gesetze und Förderungssysteme. Das entbindet aber keinen davon, selbst Hand anzulegen." Viele Schäden könnten von vornherein verhindert werden, würden die Menschen selbst versuchen, Gewässer abzuleiten, bevor sie ins Haus gelangen.

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