Gemeindestrukturreform
Schützenhöfers größter Polit-Erfolg lag in der Minimierung

Zogen in beispielloser Konsequenz die Gemeindestrukturreform durch und stellten damit ein politisches Exempel auf: Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Landeshauptmann a.D. Franz Voves  | Foto: steiermark.at/Leiss
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  • Zogen in beispielloser Konsequenz die Gemeindestrukturreform durch und stellten damit ein politisches Exempel auf: Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Landeshauptmann a.D. Franz Voves
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Mit Hermann Schützenhöfer verlässt in wenigen Tagen auch jener Mann die politische Bühne der Steiermark, der im Zuge der historischen Reformpartnerschaft mit der SPÖ das auf den Boden gebracht hat, was über Jahrzehnte undenkbar erschien: Die Zahl der steirischen - großteils tiefschwarzen - Gemeinden drastisch zu reduzieren. MeinBezirk.at hat mit damaligen Wegbereitern und Mitstreitern über die Gemeindestrukturreform als größten politischen Erfolg gesprochen.

STEIERMARK. Am 1. Jänner 2015 wurde die steiermärkische Gemeindestrukturreform wirksam und gilt seither als historisches Aushängeschild der Reformpartnerschaft in der zweiten Legislaturperiode Voves-Schützenhöfer. Von zunächst 542 wurde die Zahl der steirischen Gemeinden auf 285 minimiert. Am Ende der langen politischen Karriere von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer blickt MeinBezirk.at auf diesen wohl größten politischen Coup zurück.

Großartige Überzeugungsarbeit als Grundlage

"Das Projekt war aufgrund seiner Dimension das schwierigste Unterfangen, das ich jemals mitgestalten durfte", fasst Wolfgang Wlattnig als Leiter der zuständigen Fachabteilung 7 im Land Steiermark seine Empfindungen an die Umsetzung der Gemeindestrukturreform zusammen. Ebenso anschaulich die Erinnerung eines anderen beteiligten Beamten: "Das hat mich Jahre meines Lebens gekostet." Der harte Kern der in den Jahren 2010 bis 2015 mit der Herkulesaufgabe betrauten Beamtinnen und Beamten umfasste nicht mehr als eine Handvoll Expertinnen und Experten, darunter eben Wolfgang Wlattnig, Doris Kampus (als Leiterin der damaligen Abteilung 16 für Landes- und Gemeindeentwicklung), Harald Grießer und Martin Nagler (Abteilung 17 Landes- und Regionalentwicklung), sowie Manfred Kindermann (heute Leiter des Referats Gemeinderecht und Wahlen) und Hans-Jörg Hörmann (heute Leiter des Referats Gemeindeaufsicht und Wirtschaftliche Angelegenheiten).

Eine Expertenrunde, der auch der damalige Landeshauptmann Franz Voves, im Nachhinein großen Respekt zollt: "Es war ein gut durchdachter Prozess, von einem hervorragenden Team begleitet und sehr partizipativ ausgerichtet. Es wurde großartige Überzeugungsarbeit geleistet, sonst wären diese Reformen nie in diesem hohen Maße angenommen worden!"

Aus 542 werden 287: In den Jahren 2010 bis 2015 blieb auf der politischen Landkarte der Steiermark kein Stein auf dem anderen. (screenshot) | Foto: Grafik OÖN/Quelle: APA
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Reform ohne "Muster"

Die größte Schwierigkeit der Reform lag für Wlattnig neben dem enormen Gegenwind, auf die sie stieß - sogar bis hin zum Verfassungsgerichtshof – besonders darin, dass es kein Muster, keine „Blaupause“ für eine solche Reform gab. "Die letzten Gemeindestrukturreformen lagen über 40 Jahre zurück, brauchbare Aufzeichnungen darüber lagen nicht vor. Es war eine strategische Meisterleistung, die Reform in vier Phasen einzuteilen (Vorschlags-, Verhandlungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsphase)."
Der Vorschlag dafür kam übrigens vom damaligen VP-Klubobmann Christopher Drexler. Dadurch wurden die Gemeinden in die Entscheidungsfindung für die Zusammenlegungen frühzeitig eingebunden. "Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer war diesbezüglich Tag und Nacht in den Gemeinden unterwegs, um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu überzeugen und das gelang ihm sehr oft", erinnert sich Wlattnig.

"Es war die spürbare, tiefe Überzeugung bei beiden „Reformpartnern“, dass die Steiermark diese Reformen benötigt und der spürbare, gemeinsame Wille sie auch umzusetzen. Wir wollten zeigen was politisch möglich ist, wenn man Standortpolitik statt Parteipolitik betreibt."
Franz Voves, LH a.D. fasst die Motive für die Gemeindestrukturreform zusammen

Im Jahr 2016 wurde das Buch zur Gemeindestrukturreform präsentiert: LH Hermann Schützenhöfer mit den Buchautoren Manfred Kindermann, Wolfgang Wlattnig, Hans-Jörg Hörmann und LH a.D. Manfred Voves (v.l.) | Foto: H. Kindermann/RegionalMedien
  • Im Jahr 2016 wurde das Buch zur Gemeindestrukturreform präsentiert: LH Hermann Schützenhöfer mit den Buchautoren Manfred Kindermann, Wolfgang Wlattnig, Hans-Jörg Hörmann und LH a.D. Manfred Voves (v.l.)
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"Wider jedes parteipolitische Kalkül"

Sowohl Expertinnen und Experten als auch Betroffene sind sich mittlerweile einig. Die Reform hat sich als völlig richtig erwiesen. "Diese Beurteilung kann man nach sieben Jahren 'Praxis' ohne weiteres treffen, es gibt seit Jahren keine Beschwerden mehr", bilanziert Wolfgang Wlattnig. Neben diesem sachlichen Aspekt war es für Voves vor allem der neue Zugang zur Politik, der den Reformprozess geprägt hat: "Entscheidend war die Offenheit, die Ehrlichkeit, das Weglassen jedes parteipolitischen Kalküls und damit des Vertrauens, das Hermann Schützenhöfer und ich uns gegenseitig- auch in schwierigsten Situationen-entgegengebracht haben. Das hat auf das ganze Team 'abgefärbt'. Besondere Herausforderungen brauchen auch besondere Formen der Zusammenarbeit, auch unterschiedlicher politischer Parteien", so der Altlandeshauptmann.

"Lebensverkürzender Prozess"

Last not least blickt auch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer selbst auf dieses "wichtigste und zugleich schwierigste Projekt", das er gemeinsam mit LH Franz Voves gemeinsam umgesetzt hat. "Es war ein lebensverkürzender Prozess, denn Bürgermeister haben plötzlich die Straßenseite gewechselt. Heute sagen viele, dass wir noch mehr Gemeinden fusionieren hätten sollen. Die Wahrheit ist eben immer eine Tochter der Zeit. Ich habe immer gesagt, in der Politik muss man auch bei Widerstand Flagge zeigen – und das haben wir bei der Gemeindestrukturreform mit Erfolg getan", resümiert der Landeserste.

Rückblick auf Hermann Schützenhöfers politischen Weg:

Hermann Schützenhöfer – vom Bauernsohn zum Landeshauptmann

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