Lokalaugenschein
Neues Leben aus alter Schule in Neustift ausgezogen

Zutiefst enttäuscht über die Vorgangsweise: Eigentlich-Kultur-Obmann Udo Frizzi, Bosko Gastager, Sabine Eller, Robert Pfurtscheller, Kata Hinterlechner, Daniel Markt und Armin Haas (v.l.) | Foto: Kainz
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  • Zutiefst enttäuscht über die Vorgangsweise: Eigentlich-Kultur-Obmann Udo Frizzi, Bosko Gastager, Sabine Eller, Robert Pfurtscheller, Kata Hinterlechner, Daniel Markt und Armin Haas (v.l.)
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"Was hier passiert ist, ist einfach nur beschämend", so der Tenor vieler bisheriger Nutzer der alten Schule in Neustift. Ein Lokalaugenschein.

NEUSTIFT. Mit Mittwoch endete die kurze Frist für den Auszug. In den Tagen zuvor räumten die jungen Unternehmer, Kulturschaffenden und mancher Verein die Räumlichkeiten in der alten Schule in Neustift. Nach einem Gespräch mit der Gemeindeführung Anfang Jänner gab es die Zusage, dass Sperrgut noch bis Ende des Monats unter Aufsicht abgeholt werden darf. Im Übrigen hat sich weder an der Sachlage noch an Argumenten viel geändert. Bei unserem Lokalaugenschein ist nicht nur die Temperatur im Gebäude sehr kühl.

Innovatives Projekt scheint gestorben

Während Vizebgm. Friedl Siller den Rauswurf gegenüber dem BEZIRKSBLATT vor allem mit der Absage der Polizeischule und steigenden Betriebskosten in Verbindung brachte, meint Bgm. Andreas Gleirscher, dass mit der Polizei das letzte Wort doch noch nicht gesprochen sei. Der Ortschef nennt "Gefahr im Verzug" als Hauptgrund für das Ende des innovativen Projekts: "Baupolizeilich passt einiges nicht und ich bin für die Sicherheit zuständig. In der alten Schule wurden Parties gefeiert, es wurde gekocht und Radiatoren sind gelaufen - das geht einfach nicht." Trotz mehrerer Leerstände im Dorf sah es bis zuletzt nicht danach aus, als würde die Gemeinde den Nutzern ein Ausweichquartier zur Verfügung stellen.

Nutzer vermissen stichhaltige Argumente

"Die Argumente sind an den Haaren herbeigezogen. Da wurden Probleme gemacht, wo keine waren", ärgern sich die Kulturtreibenden. "Fix ist, dass das Haus jetzt nicht schlechter in Schuss ist, als vor unserem Einzug. Feten hat es gegeben, das stimmt, aber andererseits beweist das ja nur, dass das Projekt lebte und dass es dringend solche Plätze braucht. Aus unserer Sicht ist alles super gelaufen", beteuert Eigentlich-Kultur-Obmann Udo Frizzi aus Telfes und ergänzt. "Die  Rechnungen für Heizung und Strom in der Höhe von angeblich über 90.000 Euro würden wir gerne sehen. Die sind für uns schwer nachvollziehbar." Zusammengefasst sind die anwesenden Nutzer zutiefst enttäuscht. Über den Rauswurf sowieso, aber auch über die Vorgangsweise. "Über einen gültigen Gemeinderatsbeschluss zur Fortführung des Projekts bis 2025 wird einfach drübergefahren. Man stellte uns vor vollendete Tatsachen", ärgert sich Frizzi.

Man fühlt sich in Neustift unerwünscht

Was allen zudem besonders sauer aufstösst ist, dass Kunst und Kultur von der nicht ganz traditionellen Sorte in Neustift anscheinend keinen Platz haben: "Wir sind offenbar unerwünscht, dabei haben auch wir demokratiepolitisch ein Recht auf Teilhabe! Die Voraussetzungen in der alten Schule waren ideal, um etwas draus zu machen. Und weil es dauernd um die Kosten geht: Wir haben Raummieten angeboten, um Förderungen angesucht und wollten neben den Co-Working-Spaces auch Angebote für den Kulturtourismus schmieden. Mit Ausstellungen, Festen und Konzerten hätten wir Einnahmen lukriert und sicher heuer schon kostendeckend wirtschaften können. Leider blieb uns diese Chance aber verwehrt. Vielmehr wird nun wohl anstelle eines 'Leuchtturmprojekts' das xte Hotel entstehen." Damit verbunden ist die Ankündigung der Nutzer, dass es weitergehen wird. Wo und wie ist noch unklar. Darum läuft dazu jetzt quasi eine Herbergssuche auf modern.

Stimmen einiger Nutzer

Daniel Markt aus Fulpmes: "Wir haben in der alten Schule mit unserer noch jungen Band Cigolos geprobt und wissen jetzt nicht wohin. Anstehende Auftritte haben wir deshalb erst einmal auf Eis gelegt."
Sabine Eller aus Telfes: "Ich hatte ein offenes Atelier für Jugendliche, wo jeder kommen konnte und das Material zum Arbeiten gestellt wurde. Das ist jetzt leider vorbei."
Katharina Hinterlechner aus Telfes: "Wir hatten eine tolle Zeit. Es war eine super Räumlichkeit mit feiner Atmosphäre. Wir haben viel gemalt und innovative Geschichten auf die Beine gestellt. Was hier passiert ist beschämend! So kurzerhand, mitten im Winter und über die Feiertage – das finde ich nicht christlich."
Robert Pfurtscheller aus Neustift: "Uns werden Fotos gezeigt, wo Kabel heraushängen, die schon seit drei Jahren heraushängen. Insgesamt sind mir noch selten so viel Ignoranz und Boniertheit  begegnet."
Armin Haas aus Neustift: "Gemeinsam mit zwei Künstlerinnen habe ich hier eine Ausstellung organisiert und bin gerade dabei, mit Freunden einen Kulturverein zu gründen. Wir wollten in Neustift noch mehr veranstalten, um kulturell neben dem ganz Traditionellen wieder einmal etwas Neues ins Laufen zu bringen. Dafür gibt es jetzt keine Möglichkeit mehr. Wenn man sich als Neustifter nicht gerade für die Jungbauern oder die Musikkapelle faszinieren kann, hat man kaum Alternativen."
Bosko Gastager aus Wien: "Als Externer aus Wien bin einfach nur schockiert, wie visionslos und destruktiv die lokale Politik da unterwegs ist. Mir kommt leider vor, für jede Lösung findet die Gemeinde ein Problem. Man kommt sich unerwünscht und völlig verarscht vor."

Beismann: "Vertane Chance"

Auch Michael Beismann (regionalSynergie) holte noch ein paar Dinge ab. Der Innsbrucker war es, der 2021 von der Gemeinde Neustift den Auftrag bekam, die alte Schule mit neuem Leben zu füllen. Auch er findet die jüngsten Entwicklungen bedauerlich: "Das beauftragte Projekt sollte beweisen, wie tauglich das Gebäude ist und wie geartet die Gesellschaft im Dorf und im Tal ist – konkret, ob sie das Gebäude zu nutzen wüsste. Beide Beweise sind gelungen! Was die Gemeinde als Auftraggeberin mit dem Wissen tut, haben wir leider gesehen - gar nichts! Das Projekt wurde zu Tode gewurstelt. Das ist nicht nur für Neustift schade. Vielleicht war dieses Leuchtturmprojekt einfach ein bisschen zu groß für die Geister, die hier herrschen."

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