Festakt in Telfs/Mösern - mit Video
Friedensglocke erklang zum ersten Mal am neuen Standort
Es war ein großer Aufmarsch am Sonntag, 22. Oktober 2023 im idyllischen Ortsteil Mösern: Hoch über Telfs feierten das Land Tirol und die Marktgemeinde die Segung der erneuerten Friedensglocke am neuen Standort. Bischof Hermann Glettler und Alt-LH Herwig van Staa wurden zu neuen Botschaftern der Friedensglocke ernannt.
VIDEO: Der Klang der neuen Friedensglocke
TELFS. Vertreter des Landes Tirol, der Marktgemeinde Telfs, sämtliche Traditionsvereine, Ermöglicher und an der Errichtung der Friedensglocke Mitwirkende sowie viele Telfer versammelten sich am Dorfplatz in Mösern zum ersten Punkt des Festaktes: LH Anton Mattle, Bischof Hermann Glettler, LRin Cornelia Hagele und Bgm. Christian Härting schritten zum landesüblichen Empfang durch Musikkapelle, Schützenkompanie und die Fahnenabordnungen der Traditionsvereine. Dann marschierte der große Zug mit den Schützen und ihre Schwegler voran hinauf zur neuen Aussichtsplattform beim ehemaligen Menthof-Areal, wo jetzt die Friedensglocke thront.
Verlegung und neuer Guss
"Man hat viel gelernt in den letzten Jahren, wie das Materiel einer so großen Glocke und deren Klöppel beschaffen sein muss, damit sie länger hält",
erklärt Glockengießer-Seniorchef Christof Grassmayr beim Fußmarsch zum neuen Friedenssymbol. Die größte freistehende Glocke Österreichs musste ja wegen feiner Risse neu gegossen werden, was – wie schon 1997 – die bewährte Innsbrucker Glockengießerei Grassmayr übernahm.
Jetzt erstrahlt das Symbol des Friedens nicht nur in neuem Glanz, sie steht jetzt auch auf Gemeindegrund: Die neue Glocke wurde etwa dreihundert Meter Luftlinie an den nordwestlichen Ortsrand von Mösern verlegt (Bericht vom Transport zum neuen Standort)
Diese Verlegung war aufgrund des auslaufenden Vertrages nötig, die Gemeindeführung unter Bgm. Christian Härting konnte sich mit den bisherigen Grundstückseigentümern beim Inntalerhof nicht auf den Fortbestand einigen (zur Vorgeschichte). 1997 wurde die "alte" Friedensglocke südwestlich des "Inntalerhofes" eingeweiht, sie erinnert an die Gründung der ARGE ALP genau in jenem Gastbetrieb 25 Jahre zuvor. Das 50-jährige Jubiläum der ARGE ALP wurde im Vorjahr mit den Regierungschefs der zehn Bündnisländer aus Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz zelebriert.
"Der Gemeinderat hat weitsichtig und einhellig entschieden",
dankte Bgm. Christian Härting seinem Rat und weiters allen beteiligten Gremien sowie Abteilungen im Amt und auch Förderern, welche die nicht einfache Verlegung vorbereitet und erfolgreich abgeschlossen haben:
"Ich denke, wir haben mit diesem wunderschönen Platzl die goldrichtige Wahl getroffen. Ich danke dem Land Tirol, der Landesgedächtnisstiftung, dem Tourismusverband Seefeld, den ARGE-ALP-Mitgliedsländern, Gemeinden, Unternehmen, Vereinen sowie privaten Sponsoren und Gönnern für die großzügige Unterstützung. Weiters unserem Bauamt für die Planung und Projektleitung, der Glockengießerei Grassmayr sowie den bauausführenden Firmen. Diese Glocke mag als Friedensymbol schon 25 Jahre alt sein, seit kurzer Zeit erscheint sie aber in einem ganz neuen Licht. Ihr tägliches Läuten vermittelt Beständigkeit und Zuversicht in Zeiten, die wir als schnelllebig, unruhig und unsicher empfinden. Sie macht uns Mut.“
Segung des Friedenssymbols
Bischof Hermann Glettler nahm die feierliche Segung der neuen Friedensglocke vor und erinnert in seiner Ansprache an die Dringlichkeit eines solchen Friedenssymbols gerade in diesen Zeiten der weltweiten Krisen, Kriege und Terror (seine ansprache im Wortlaut unten). Ins selbe Horn stieß LH Anton Mattle, der an den Sinn der über 10 Tonnen schweren Glocke erinnert, die die Wappen aller ARGE ALP-Länder trägt, sowie eine Innschrift, die an die Gründung der »Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer« im Jahr 1973 erinnert:
„Im Rahmen der ARGE ALP arbeiten wir seit über 50 Jahren grenzüberschreitend zusammen. Damit können wir uns nicht nur mit vereinten Kräften für die gemeinsamen Anliegen und Ziele im Alpenraum einsetzen, sondern wir pflegen auch die Zusammenarbeit und den Dialog für ein friedliches, nachbarschaftliches Miteinander. Denn Frieden ist die Grundlage für Stabilität, Fortschritt und Wohlstand. Die Friedensglocke des Alpenraums ist ein Symbol für diese erfolgreiche Zusammenarbeit und verbreitet – nun im neuen Kleid – weiterhin den Klang von Harmonie und Eintracht im Alpenraum.“
Frieden ein kostbares Gut
„Frieden ist der Klang, den unsere Welt gerade jetzt am dringendsten braucht. Ob in der Ukraine oder im Nahen Osten – weltweit führen uns Kriege und Konflikte vor Augen, dass Frieden alles andere als selbstverständlich ist. Wir dürfen und müssen uns glücklich schätzen, in einem friedlichen Alpenraum, eingebettet in das größte Friedensprojekt – die Europäische Union – leben zu dürfen. Frieden ist ein kostbares Gut, das geschützt und gefördert werden muss – von jeder und jedem Einzelnen. Denn der Frieden fängt im Einzelnen an – Gedanken und Werte sind die Basis unseres Tuns und Handelns“,
ist LH Anton Mattle überzeugt.
VIDEO vom Festakt in Mösern:
Bgm. a. D. Helmut Kopp, neben Landeshauptmann Eduard Wallnöfer einer der „Väter“ der Friedensglocke, konnte krankheitsbedingt leider nicht am Fest teilnehmen. An seiner Stelle nahm sein Sohn Michael als besonderes Geschenk die Wachsform des Tiroler Wappens entgegen, das die Glocke schmückt.
BotschafterInnen der Friedensglocke
Seit 1998 werden regelmäßig „Botschafterinnen bzw. Botschafter der Friedensglocke“ ernannt – 53 Personen und Vereinigungen sind es bisher. Es handelt sich hierbei um Menschen und Institutionen, die durch ihr Lebenswerk Grenzen überschritten und die in den Entfaltungen der Kultur, des Sports, der Wirtschaft, der Medizin, der Politik, des Gemeinwesens oder der Religion Wesentliches geleistet haben und leisten. Im Rahmen des Festakts würdigte HR Josef Federspiel, Obmann des Freundeskreises der Friedensglocke im Alpenraum, Bischof Hermann Glettler sowie LH a. D. Herwig van Staa, sie wurden zu den neuen Botschaftern der Friedensglocke ernannt.
Dazu betont Bischof Glettler:
„Die Sehnsucht nach Frieden ist der stille Herzklang, den wir alle in uns tragen. Er wird übertönt und gestört vom Getöse empörter Anklagen und empathieloser Kommentare. Besser: Still werden und den inneren Resonanzraum öffnen, um den ‚Modus der Aggression‘ (Hartmut Rosa) zu verlassen. Der starke Klang der Friedensglocke ist eine dringliche Mahnung, in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens Räume für Dialog, Versöhnung und Begegnung zu öffnen. Die Friedensglocke ist über diesen persönlichen Auftrag hinaus bereits seit Jahrzehnten ein stimmiges Zeichen einer faszinierenden menschlichen Verbundenheit im Alpenraum. Ich danke allen, die an der Neugestaltung und Übersiedelung der Glocke beteiligt waren. Möge ihr Klang heilsam und nachhaltig sein – und Zukunftsmut vermitteln."
LH. a. D. van Staa sagt:
„Ich bin der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer seit ihrer Gründung sehr eng verbunden, da ich als junger Universitätsassistent für Landeshauptmann Eduard Wallnöfer das erste Konzept für die Gründung der ARGE ALP erstellen durfte. Die Idee, eine große Tiroler Friedensglocke zu gießen, hat Wallnöfer bereits seit der 150-Jahr-Feier der Erhebung Tirols bis zu seinem Tode beschäftigt. Leider war es ihm nicht vergönnt, diese Idee in die Tat umzusetzen. Dem langjährigen Bürgermeister von Telfs, Helmut Kopp, war es durch seinen unermüdlichen Einsatz gelungen, mit Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer dieses Friedensglockenprojekt zum 25-jährigen Jubiläum der ARGE ALP 1997 zu realisieren. Seither wurden viele großartige Persönlichkeiten als Botschafter der Friedensglocke ausgewählt."
Bischof Hermann Glettler: Der heilsame „andere“ Klang
Die Predigt des Bischofs zur Weihe der neuen Friedensglocke in Telfs, 22. Oktober 2023:
Mehr als nur Worte
In diesen Tagen erleben wir von Neuem die bedrängende Ohnmacht angesichts von Terror und Kriegen – Worte reichen nicht mehr aus, um dieser bedrohlichen Wirklichkeit gerecht zu werden. Man kann sie schlichtweg nicht in gültige, belastbare Worte fassen. Zahlreiche Kommentare widersprechen sich. Worte versagen, werden selbst zur Last, weil sie meist erklären, erfassen, verteidigen, rechtfertigen, ja selbst Partei ergreifen wollen. Was tun? Schweigen. Nur die Stille kann heilsam sein. Oder ein Glockenklang. Berührend, tröstend, nicht erklärend. Höhe und Abgründigkeit empfindend. Eine Stimme vor dem Unsagbaren.Hörend das Leben achten
Glocken besetzen nicht. Sie öffnen einen Raum. Sie verstärken die Sehnsucht nach Verbundenheit und Zugehörigkeit – gestört und übertönt vom Zuviel an Informationen, bedrängenden News und negativen Botschaften. Der Glockenklang kann eine Hilfe sein, um vom „Modus der Aggression“ in den „Modus der Resonanz“ (Hartmut Rosa) zu kommen. Nur in einem hörend-aufmerksamen Wechselklang kann das Leben, können Beziehungen gelingen. Kann unser Menschsein und In-der-Welt-sein gelingen. Wir müssen Resonanz-fähig werden! Nur so gibt es Zukunft für unsere Mitwelt, für Gottes Schöpfung und für ein soziales Miteinander in pluraler Gesellschaft. Der Klang der Friedensglocke ermutigt uns, achtsamer, dankbarer und zärtlicher mit dem Leben umzugehen. Es unbedingt zu schützen.
Versöhnung einüben
Im Getöse empörter Anklagen, Vorwürfe und Verurteilungen braucht es eine Gegenstimme. Der Klang der Friedensglocke ist eine dringliche Mahnung, in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens Räume für Dialog, Versöhnung und Begegnung zu öffnen. Über alle Grenzen und ideologischen Barrieren hinweg. Ja, wir müssen angesichts der gefährlichen Sackgassen von Hass und Vernichtung den Frieden auf die große Glocke hängen – entschlossen und leidenschaftlich! Beginnend mit den unmittelbaren Lebensräumen, die wir selbst zu gestalten und zu verantworten haben. Und davon ausgehend weltweit. Es braucht eine kontinuierliche Erziehung zum Frieden. Und wir alle sind Lernende. Unsere Familien, Nachbarschaften und Dörfer sollten Lernorte gewaltfreier Konfliktlösung sein.Zukunftsmut aufnehmen
Die Friedensglocke in Telfs ist bereits seit Jahrzehnten ein stimmiges Zeichen einer faszinierenden Verbundenheit und Zusammenarbeit im Alpenraum. Wir vertrauen, dass dies auch in Zukunft möglich ist. Der Klang dieser größten Glocke Tirols soll nachhaltig viel Gutes zum Schwingen bringen – und allen, die auf sie achten, Zukunftsmut vermitteln. „Selig, die Frieden stiften, sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden“ (Mt 5,9), lautet die aktuell wichtigste Seligpreisung Jesu. Gottes Segen wird jedenfalls mit Sicherheit die vielen Schwingungen dieser Friedensglocke verstärken. Ist doch der Friede Gottes erstes Geschenk und sein Herzensauftrag an uns alle.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.