Weihnachtsinterview mit Bischof Hermann
Glettler: "Geduld ist gefragt"

Bischof Hermann Glettler wird heuer Weihnachten etwas nachdenklicher, aber mit Freude feiern | Foto: © Arno Cincelli
  • Bischof Hermann Glettler wird heuer Weihnachten etwas nachdenklicher, aber mit Freude feiern
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Zum bevorstehenden Weihnachtsfest baten wir Innsbrucks Diözesanbischof Hermann Glettler zum Interview.

Wie haben Sie bisher als Bischof in Tirol Corona privat erlebt?
Bischof Hermann:
"Entlastend, weil Termine weggefallen sind, gleichzeitig waren neue Herausforderungen da. Geistliche Impulse und Kommunikation sind noch wichtiger geworden. Fazit: Auch mir geht Corona längst schon auf die Nerven. Geduld ist gefragt. Empörung und Beschuldigung nützen niemandem." 

Und als Diözesanoberhirte?
"Ich denke oft an jene, die physisch und psychisch sehr zu kämpfen haben. Gott mutet uns einen außerordentlichen Lernprozess zu. Es braucht einen kühlen Kopf und die Bereitschaft, einander zu helfen. Auch Stille ist notwendig – unnötiges Geschwätz belastet. Machen wir mit beim ‚Stilleschenken'."

Wie sehen Sie die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung? Denn gerade die Religionsausübung war massiv betroffen.
"Grundsätzlich waren die Maßnahmen für mich nachvollziehbar. Ein Blick in die Intensivstationen reicht, um der Versuchung zu widerstehen, es besser wissen zu wollen. Das Aussetzen der öffentlich zugänglichen Gottesdienste war ein schmerzhafter Einschnitt." 

Die Menschen sehnen sich wieder nach Gottesdienst, nach Kirchenmusik, nach Treffen mit den Gläubigen. Wann kommt die Öffnung?
"Vorläufig gelten noch starke Einschränkungen, aber gemeinsames Feiern ist jetzt schon möglich. Außerdem findet Kirche ja nicht nur in der Kirche statt. ‚Praktizierter Glaube' hat viel mit unserem Alltag zu tun."

NGOs beklagen den Rückgang der Spendentätigkeit. Wie sieht im Krisenjahr die finanzielle Situation der Diözese Innsbruck aus?
"Wir haben einige Einbußen beim Kirchenbeitrag. Nicht wenige entdecken aber jetzt, dass Glaube und Seelsorge lebensrelevant sind – und dass Kirche den Zusammenhalt stärkt." 

Wird die Zahl der ehrenamtlich Tätigen in der Kirche in Tirol durch die Coronakrise zurückgehen?
"Ich hoffe nicht. Die Zahl derer, die sich kreativ und fürsorglich um Menschen kümmern, ist erstaunlich hoch. Nicht nur in der Kirche. Im kirchlichen Ehrenamt geht es um die Begleitung von Menschen, soziale Tätigkeiten, Besuchsdienste oder die Gestaltung von Gottesdiensten."

Und die Zahl der Gläubigen? Wie sehen die Austrittszahlen 2020 aus?
"Die Anzahl der Gottesdienst-Mitfeiernden geht zurück. Was nicht heißt, dass es keine Wende geben könnte. Austritte gibt es vorerst weniger als im Vorjahr. Unsere Kirche ist immer noch tief in der Bevölkerung verankert. Ich danke allen, die treu ihren Beitrag leisten."

Kirche fand heuer oft nur online statt. Welche Erfahrungen ziehen Sie aus den Radiogottesdiensten im engsten Kreis am Sonntag?
"Die zahlreichen Rückmeldungen waren äußerst positiv. Die Anzahl der Mitfeiernden ging in die Zehntausende. Durch die mediale Vermittlung lässt sich auch eine Atmosphäre des Gebetes aufbauen."

Aber Ihnen fehlt der direkte Kontakt zu den Gläubigen doch sehr?
"Ja, nicht nur mir, viele leiden darunter. Die Vorfreude auf ein baldiges Feiern in realer Gemeinschaft wächst. Wir alle leben von direkten Begegnungen." 

Weihnachten wird heuer wohl ein wenig anders gefeiert werden als andere Jahre. Für Sie auch eine Chance zur Veränderung?
"Positive Veränderung gibt es nur durch Versöhnung. Weihnachten ist die Chance dafür. In die Krippe kann man alle schmerzlichen Erfahrungen hineinlegen. Gott kennt unsere inneren Wunden. Im Blickkontakt mit dem Jesuskind können wir Zuversicht tanken."

Viele Menschen in den Pflegeeinrichtungen werden heuer Weihnachten alleine verbringen. Ihre Botschaft an sie?
"Wir gehören als Menschen zusammen. Einsamkeit tut weh. Versuchen wir uns im Gebet zu verbinden. Weihnachten tröstet, auch wenn keine Trost-Bonbons verteilt werden. Gott vergisst niemanden. Bitte auch nicht die Mühe des Pflegepersonals zu übersehen. Ihm gilt mein besonderer Dank."

Welche Schwerpunkte setzt die Diözese Innsbruck im kommenden Jahr?
"Wir feiern im kommenden Jahr den 500. Geburtstag unseres Diözesanpatrons Petrus Canisius. Aus diesem Anlass wollen wir „500 Herzfeuer“ des Glaubens und der Nächstenliebe entzünden. Kleine Initiativen, um die Freude einer Gottesbeziehung wieder aufzuwecken und Netzwerke zu knüpfen."  

Wie wird Bischof Glettler heuer Weihnachten feiern?

"Etwas nachdenklicher, aber mit Freude. Ich werde ins Hospiz in Hall gehen und auch ein paar andere Einrichtungen besuchen. Am Abend gibt es ein Gebet, das traditionelle Räuchern und ein gemütliches Abendessen im Bischofshaus. Zur Mette bin ich auswärts."

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