Tirols WK-Präsident Christoph Walser:
"Im Frühjahr kommt der Aufschwung"

WK-Präsident Christoph Walser (l.) mit Stefan Garbislander, Leiter der WK-Abt. Wirtschaftspolitik und Strategie. | Foto: Die Fotografen
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WK-Tirol-Präsident Christoph Walser sieht nach schwierigen Monaten im Winter den Aufschwung in Frühjahr kommen. Der wird geringer, wenn ein weiterer Lockdown kommt.

TIROL. "Es gilt vordergründig einen fünften Lockdown zu verhindern. Denn ein solcher würde den Anstieg der realen Bruttowertschöpfung knapp halbieren", so der Präsident bei der Vorschau auf das Wirtschaftsjahr 2022 in Tirol. "Wenn es gelingt, die Situation mit der Kombination der verfügbaren Maßnahmen zu kontrollieren, ist mit einem Anstieg der realen Bruttowertschöpfung im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021 von rund 5 bis 6 Prozent zu rechnen. Dabei wird extrem der private Konsum helfen, bis zu 8 Prozent wird dieser im Idealfall steigen", erklärt Walser.
Bei den Nächtigungen ist in der Wintersaison ein Rückgang von 25  bis 35 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Wintersaison 2018/19 zu erwarten. "Sollte allerdings im ersten Quartal ein Lockdown kommen, wird dieser Rückgang bei 50 bis 65 Prozent liegen. In diesem Fall dürfte die Wirtschaftsleistung in Tirol im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021 nur um rund 3  bis 4 Prozent steigen."
Walser sieht sich  derzeit intern durch Mitglieder der Wirtschaftskammer kritisiert. "

Klar, es ist schwierig,  die 2-G-Kontrollen im Handel zu durchzuführen, aber gerade durch diese Maßnahmen kann ein erneuter Lockdown verhindert werden",

sagt Walser, der zur Zeit viele kritische Anrufe von Unternehmern beantworten muss.

Rückblick 2021 und aktuelle Lage

Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona- Pandemie treffen Tirol im Bundesländer-Vergleich nach wie vor überproportional. Die entgangene Wertschöpfung nach fast zwei Jahren Pandemie beträgt rund 5 Milliarden Euro. Die Ursache für diesen großen Einbruch liegt im hohen Anteil an wirtschaftsbezogenen Dienstleistungen. Besonders Beherbergung, Gastronomie, Seilbahnwirtschaft und Handel sind im Vergleich zu anderen Bundesländern in Tirol stark ausgeprägt. Damit sank auch die Wirtschaftsleistung in Tirol 2021 mit minus 10 Prozent stärker als im Bundesschnitt (-6,7 %).
"Auf der anderen Seite erweisen sich die exportorientierte Industrie, das Gewerbe und die Bauwirtschaft einmal mehr als Träger der Konjunktur. Die hohe Nachfrage nach Qualitätsprodukten „Made in Tyrol“ führte zu einem neuen Exportrekord: Auf das Gesamtjahr 2021 gerechnet kann von einem Exportwachstum von etwas mehr als 1 Milliarde Euro ausgegangen werden. Somit dürfte die Tiroler Wirtschaft 2021 erstmals die Grenze von 14 Milliarden Euro an Warenexporten (nach 12,9 Milliarden 2020) erreicht haben", so der WK-Präsident.

Optimistischer Blick auf den Sommer

Deutlich optimistischer sind die Erwartungen für Frühjahr und Sommer, da wie in den vergangenen Jahren mit einem abgeschwächten Infektionsgeschehen zu rechnen ist. Als Träger der Konjunktur erweisen sich erneut der produzierende Sektor und die Bauwirtschaft. Schließlich ergeben sich auch neue Chancen für den Sommer-Tourismus:

"Da Fern- und Überseereisen weiterhin nur reduziert stattfinden, wird Tirol als coronasichere Destination in der Sommersaison profitieren"

, hofft Walser.

Große Herausforderungen

An erster Stelle steht für die Unternehmen der Arbeitskräftemangel (79 Prozent), gefolgt von steigenden Energiepreisen (64 Prozent) und stockenden Lieferketten (58 Prozent). Eine Herausforderung für den Arbeitsmarkt – trotz der tendenziell positiven Erwartungen – wird das Thema Langzeitarbeitslosigkeit. Seit 2019 stieg die Anzahl der Langzeitarbeitslosen um 150 Prozent auf 2.450 Personen an. „Neben dem seit Herbst 2021 bestehenden Beihilfen-Programm „Sprungbrett“ muss daher die Förderung der innerbetrieblichen Ausbildung („Qualifikation nach Maß“) unbedingt verstärkt werden“, fordert Christoph Walser. Er appellierte auch an das AMS, sich die Langzeitarbeitslosen genau anzusehen.

„Tirol-Bonus“ soll Energiepreise dämpfen

Im Bereich Energie stellt sich die Entwicklung dramatisch dar: In den vergangenen zwölf Monaten stieg der österreichische Strompreisindex um mehr als 100 Prozent, der österreichische Gaspreisindex um 600 Prozent. Mittelfristig ist mit keiner Entspannung zu rechnen. Auch die Einführung der CO2-Bepreisung zur Jahresmitte 2022 wird die Energiepreise weiter nach oben treiben. „Daraus ergeben sich zwei Schlussforderungen“, erklärt Stefan Garbislander, Leiter Wirtschaftspolitik, Innovation & Strategie in der Tiroler Wirtschaftskammer:

„Einerseits müssen die Betriebe ihre Kosten senken, etwa durch die Deckung des Eigenbedarfs mittels Photovoltaik oder der Steigerung der Effizienz. Andererseits sollte diese Energiepreis-Explosion durch einen Tirol-Bonus seitens des Landes abgefedert werden.“

Der konkrete Vorschlag der WK Tirol lautet: In den Sommermonaten erzeugt das Landesunternehmen TIWAG regelmäßig mehr Strom aus Wasserkraft als nachgefragt wird. „In diesen Monaten des Strom-Überschusses sollte die TIWAG im Jahr 2022 ihren Geschäfts- und Privatkunden einen Strompreis-Bonus zukommen lassen“, fordert WK-Präsident Walser.

Lehren aus den zwei Corona-Jahren

Die beiden Corona-Jahre haben schonungslos Schwächen zu Tage gefördert, aber auch neue Chancen aufgezeigt.

„Allem voran hat sich gezeigt, dass die heimischen Betriebe in der Lage sind, schnell und professionell auf neue Herausforderungen zu reagieren“

, erklärt Christoph Walser. Von der Politik erwartet der Präsident mehr Verlässlichkeit und Berechenbarkeit anstatt Ho-ruck-Maßnahmen.
Zudem sollte das Verhältnis zwischen dem Dienstleistungssektor und dem Produktionssektor ausgewogener werden. „Wir müssen dafür die Rahmenbedingungen für den produzierenden Bereich deutlich verbessern. Das betrifft Genehmigungsverfahren, die Raumordnung und die Wirtschaftsförderung“, fordert Walser. Und für den Tourismus bietet die erhöhte Nachfrage in der Sommersaison die Möglichkeit für viele Betriebe, zu einem Ganzjahres-Betrieb zu kommen.

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