AK Tirol
Krankenkassenreform "fundamental gescheitert"

Für die Arbeiterkammer Tirol ist die Krankenkassenreform "fundamental gescheitert". Die Länder bräuchten wieder Kassen-Kompetenzen. | Foto: istock
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Die Krankenkassenreform ist in den Augen des AK Tirol-Präsidenten Zangerl "fundamental gescheitert". Er fordert wieder Kassen-Kompetenzen für die Länder. 

TIROL. Die Österreichische Gesundheitskasse würde bis 2027 1,2 Milliarden Euro an Abgängen haben. Dieses Rekorddefizit würde überwiegend von den Bundesländern Tirol, Salzburg und Vorarlberg eingedämmt, so die Arbeiterkammer Tirol. Dies bestätigt die AK, dass der "totale Zentralismus" nicht in der Lage ist, auf die komplexen Anforderungen im Gesundheitswesen eine Antwort zu geben. 

"Vollmundige Versprechungen" wurden nicht erfüllt

Von den "vollmundigen Versprechungen wie der Patienten-Milliarde", wäre nichts übrig geblieben, so die AK Präsident Zangerl

„Würden die positiven Ergebnisse der westlichen drei Bundesländer in Höhe von 819 Millionen Euro nicht nach Wien abgesaugt, hätte die ÖGK sogar ein Defizit von zwei Milliarden Euro zu erwarten.“

Von den "vollmundigen Versprechungen wie der Patienten-Milliarde", wäre nichts übrig geblieben, so die AK Präsident Zangerl.  | Foto: AK Tirol
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Gemeinsam mit den Präsidenten aus Salzburg, Peter Eder, und Vorarlberg, Bernhard Heinzle, fordert Zangerl die Rückführung elementarer Kassen-Kompetenzen in die Länder und eine Stärkung der regionalen Gesundheitspolitik.

Vorwürfe der AK 

Horrende Abgänge statt der berühmten „Patientenmilliarde“, Machtzentralisierung und gut dotierte Jobs in Wien statt Beseitigung von Defizitstrukturen. Hinzu komme eine absurde Bürokratie und ein zentraler Entscheidungswirrwarr im Verbund mit Kompetenz- und Ressourcenmäßig ausgehungerten Landesstellen sowie eine weitgehende Entmachtung der ehrenamtlichen Arbeitnehmervertreter in ihrer eigenen Krankenkasse. Das wäre die katastrophale Bilanz der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zum zentralen Verwaltungsmoloch ÖGK in Wien.

Dass diese Entwicklung keine einmalige wäre, sondern langfristig eine katastrophale wirtschaftliche Situation in einzelnen Landesstellen herrschen wird, zeige auch ein Blick auf die ÖGK-interne Prognose bis zum Jahr 2027. Trotz massiver Mittelabsaugung aus dem Westen (aktuell Tirol 400 Mio., Salzburg 354 Mio., Vorarlberg 65 Mio.), wird im Jahr 2027 das Jahresdefizit der gesamten ÖGK immer noch so hoch sein wie im Jahr 2022, so die Arbeiterkammer. 

"Diese alarmierenden Befunde verschwimmen allerdings in der neuen ÖGK, weil es ja nur noch ein Gesamtergebnis gibt. Im Unterschied zu der Struktur mit den einzelnen Länderkammern mit jeweils eigenen Rechnungsabschlüssen und der Möglichkeit, in den Bundesländern Reserven aufzubauen, fließen die in den westlichen Bundesländern erwirtschafteten Überschüsse still und heimlich in die Taschen der defizitären ÖGK-Landesstellen."

Nettozahler aus dem Westen. Wahlarztkosten: Bitte warten!

Gesamt werden es bis 2027 Abgänge in der Höhe von rund 1,2 Milliarden sein. Den drei westlichsten Bundesländern werden im Gegenzug 819 Millionen Euro entzogen.

„Es gelingt dem Management der ÖGK in keinster Weise, die offensichtlichen Ausgabenungleichgewichte in einzelnen Bundesländern abzustellen – lieber greift man weiter ungeniert in die Taschen der westlichen Bundesländer und entzieht ihnen jenes Geld, das sie dringend für Gesundheitsprojekte und die Weiterentwicklung der Versorgung auf regionaler Ebene brauchen würden.“,

kritisiert AK Präsident Zangerl. Die Personalstruktur der ÖGK führt aber nicht zu den versprochenen schnelleren Abwicklungen, im Gegenteil: So warten derzeit Tiroler Patientinnen und Patienten auf die Rückerstattung von insgesamt 110.000 Rechnungen an Wahlarztkosten, allgemein liegen die Wartezeiten nicht unter drei bis vier Monaten.

„Der zentrale Besetzungsprozess führt auch dazu, dass die Länder keine Möglichkeit haben, Personal einzusetzen oder anzustellen, wenn es notwendig ist“,

sagt Zangerl dazu.

Patienten sind die Verlierer

Bis auf einige wenige Reformgewinner gibt es fast niemanden mehr, der sich nicht für eine Rückführung von elementaren Kompetenzen wie Personal oder Finanzen in die Länder ausspricht. ÖGK-Führungspositionen wandern in neu geschaffene zentrale Strukturen ab. Durch die maximale Zentralisierung ist keine optimale Anbindung der Systempartner wie Ärztekammer, Landesgesundheitsreferenten, regionalen Interessensvertretungen und regionalen Gesundheitsdienstleistern mehr möglich. Das führt unter anderem auch dazu, dass in den Bundesländern zunehmend Kassenärzte fehlen und die Versorgung der Patienten leidet.

Theoretisch möglich wäre eine Rückführung einiger Kompetenzen durch einfache Beschlüsse des ÖGK-Verwaltungsrats in Wien, von dem die Landesstellenausschüsse momentan komplett ausgeschlossen sind. Das aber verhindert die neue Leitung der ÖGK nachhaltig, weshalb die AK Präsidenten in Abstimmung mit den Obleuten der ÖGK-Landesstellen gemeinsam ein Eingreifen des Gesetzgebers und eine Änderung der Geschäftsordnung sowie der Richtlinien des ÖGK-Verwaltungsrats fordern. 

Beispiele für das Bundesland Tirol und Forderungen der AK Tirol

In den Bezirken Kitzbühel und Kufstein sind die halben Zahnarztstellen seit langem unbesetzt. Ein Lösungsansatz ist die Errichtung eines Zahngesundheitszentrums. Die Gespräche mit der Stadt Kitzbühel hinsichtlich Standort und Bedingungen sind abgeschlossen. Es liegt nach einer einjährigen Verhandlung auch die Zustimmung der Österreichischen Zahnärztekammer vor, sodass mit dem Umbau und der Errichtung begonnen werden könnte. Seit Monaten wird nun auf die Behandlung und Genehmigung durch den Verwaltungsrat in Wien gewartet, um mit der dringend notwendigen Errichtung beginnen zu können. Das Zentrum in Kitzbühel hätte die Kapazität von fünf Behandlungsstühlen. Allgemein werden die Wartezeiten auch bei Wahlzahnärzten immer länger und betragen derzeit 14 Wochen, bei Wahlärzten 10 Wochen und bei Ergo-, Logo- und Physiotherapeuten bis zu 4 Wochen beträgt.

Alleine mit dem Überschuss der ÖGK-Landesstelle Tirol im Jahr 2023 (53 Mio. €) könnten etwa

  • 30 neue Vertragsarztstellen finanziert werden
  • das Angebot in der Psychotherapie verdoppelt werden
  • die längst überfälligen 6 Primärversorgungseinheiten errichtet und betrieben werden
  • die Zahnmedizinische Versorgung im Tiroler Unterland verbessert werden, in dem unter anderem das längst überfällige Zahngesundheitszentrum in Kitzbühel – das immer noch auf seine Freigabe durch den Verwaltungsrat in Wien wartet –gebaut und mit 4 Zahnärztinnen und Zahnärzten betrieben werden könnte.

Forderungen der AK Tirol

Die Landesstellenausschüsse sind in der neuen ÖGK-Struktur komplett von der Mitbestimmung im zentralisierten Verwaltungsrat ausgeschlossen. Die regionale Selbstverwaltung ist künftig wieder verstärkt in zentrale Planungen und Entscheidungen einzubinden.

Jeder der in der ÖGK neu geschaffenen 18 Fachbereiche und Expertisezentren braucht einen Ansprechpartner im Status eines Abteilungsleiters oder Stellvertreters im Bundesland um die Abstimmung zwischen zentralen Vorgaben und regionalen Bedürfnissen vor Ort bedarfsorientiert und bürgerfreundlich zu gewährleisten.

  • Künftig ist wieder pro Land im Rahmen von Vorgaben ein Dienstpostenplan zu erstellen – die Besetzung der Dienstposten soll wieder von Personalausschüssen in den Ländern und nicht von einer zentralen Stelle aus erfolgen. Beispiel Tirol: Möglichkeit, bei Engpässen auch ohne den zentralen Besetzungsprozess Personal anstellen zu können (z. B. Anstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um den riesigen Stau bei der Kostenerstattung abbauen zu können).
  • Keine weitere „Absaugung“ von Personal der Landesstellen zugunsten der Stärkung zentraler Strukturen. Besonders ist das im Bereich der Führungsebene fest zu stellen.
  • Die Landesstellenleitung (ehem. Direktion) nimmt eine fachbereichsübergreifende Koordinationsrolle auf Landesebene ein. Daher ist sie den Landesstellenausschüssen und nicht dem Generaldirektor in Wien zu unterstellen. Die Landesstellenleitung fungiert als die von den regionalen Systempartnern benötigte regionale Ansprechstelle der ÖGK.
  • Die Pressebetreuung soll wieder verstärkt vor Ort in den Ländern erfolgen – die Aufgaben des zentralen Pressebüros sind neu zu regeln und um die regionalen Anforderungen abdecken zu können.


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