Stadtpfarrkirche Gleisdorf
Uraufführung "IN CHANGE IS REST" als raumklangliches Hörerlebnis
"In change is rest" - 4 Chöre mit 150 Sänger:innen, 4 Solist:innen und 4 Instrumentalisten boten den in die Pfarrkirche Gleisdorf geströmten Zuhörer:innen ein unvergessliches Erlebnis: Chorleiter Franz Jochum dirigierte und regelte dabei in weißen Handschuhen weithin sichtbar den inszenierten "Musikerverkehr". Die Chöre in den Seitenschiffen und im Eingangsbereich, wie auch die Solist:innen und Instrumentalisten, veränderten während ihrer Darbietung ihre Raumposition und machten mit ihrer Bewegung das im Stück thematisierte Thema der Transformation sichtbar, hörbar und spürbar.
GLEISDORF. Das chorforum.gleisdorf hat 2019 ein abendfüllendes, experimentelles Chorwerk bei der steirischen Pianistin und Komponistin Elisabeth Harnik in Auftrag gegeben. Es sollte 2020 in der Stadtpfarrkirche Gleisdorf zur Aufführung kommen. Doch dann kam alles anders.
Ein Chorprojekt mit weit mehr als 100 Sängerinnen und Sängern schien mit der Pandemie in weite Ferne gerückt. Im Publikumsgespräch erläuterte die Komponistin Harnik:
„Der menschliche Stimmausdruck geriet sofort 'unter Verdacht' und dies sollte die folgenden zwei Jahre so bleiben“.
Wie kam es zu „In change is rest“?
Menschen können gerade in Krisensituationen zu ihrer Inspiration finden, wenn sie versuchen mit Uneindeutigkeiten und Unsicherheiten konstruktiv umzugehen. – So auch die renommierte Musikerin und Komponistin Harnik, die sich in dieser Zeit intensiv mit dem Philosophen Heraklit und der antiken Dichterin Sappho beschäftigte.
Harnik:
„Ich finde es als Künstlerin wichtig, die Komplexität unserer Zeit zu absorbieren und in meiner Arbeit zu reflektieren, Widersprüche zu erkennen und auszuhalten. Genau diesen offenen Möglichkeitsraum fand ich in den Fragmenten Heraklits, dem Prozess beständigen Werdens und Wandels. Seine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Gegensätzen resonierte sehr stark in mir. Gerade im Kontrast zueinander, werden die Pole eines Gegensatzes besonders stark erfahrbar.“
Diese Auseinandersetzung hat Harnik in ihrer Raumklangkomposition „in change is rest“ durch klangliche und räumliche Verschränkung aufgearbeitet. Durch die Verteilung und Veränderung der Positionen der Chöre, Instrumentalisten, sowie Solistinnen und Solisten wird die Auseinandersetzung mit "Transformation" für die Zuhörerschaft mit allen Sinnen wahrnehmbar.
„Gleichzeitig gibt es Momente, in denen auch die Zusammengehörigkeit der verschiedenen Chor- und Instrumentalgruppen zelebriert wird“,
so Harnik.
Für das Publikum gab es je nach Sitzplatz „individuelle Gestimmtheit“ und raumklangliche Hörerfahrung.
Was waren die Herausforderungen?
Für Gesamtchorleiter und Raumklang-Koordinator Franz Jochum war es wichtig, dass alle agierenden Personen die Botschaft und Bedeutung des experimentellen Werkes verinnerlichen konnten. Denn in weiten Teilen der Komposition geht es darum, Laute zu formen, diese länger zu halten, dann wieder Lautfärbungen und Lautstärken zu verändern – und bei gleichzeitiger Bewegung im Raum koordiniert und werksgetreu mit- aber auch gegeneinander zu agieren. Das funktioniert nur, wenn sich die Mitwirkenden individuelle persönliche Bilder in ihrem Inneren schaffen, um zu allen Zeiten das Werk mit der eigenen Emotion mitzutragen.
„Die Komposition von Harnik beinhaltet sehr genaue Anweisungen für Klang, Raumpositionen und Bewegungen aller Beteiligten“,
so Jochum. Das bedeutet absolute Konzentration über die Gesamtlänge des Werkes von 45 Minuten. - Insgesamt mussten ja 150 Menschen - 4 Chöre, 4 Solistinnen und Solisten und 4 Instrumentalisten (einer davon der Organist auf der Empore) zu allen Zeiten die Handzeichen des Chorleiters verfolgen.
Die Komponistin Harnik hat für „in change is rest“ die räumlichen und akustischen Gegebenheiten der Gleisdorfer Pfarrkirche genau studiert und sich auch mit der mechanischen Orgel auseinandergesetzt. Da man das Konzert nach der Uraufführung auch in Graz und Wien präsentieren wollte, war die Schwierigkeit dann allerdings, entsprechende Kirchen zu finden, die über eine mechanische Orgel verfügen. - Denn diese sind heute nur mehr selten zu finden.
Experimentelle Chorwerke für Gleisdorfer Publikum
Das chorforum.gleisdorf hat eine lange Tradition in der Aufführung sakraler Werke und verfügt über eine sehr große Fangemeinde.
Bei der Uraufführung dieses zeitgenössischen experimentellen Stückes war die Pfarrkirche Gleisdorf bis auf den letzten Platz besetzt. Am Schlussapplaus, wie auch bei der anschließenden Publikumsdiskussion, konnte man sich von der Begeisterung der Anwesenden für dieses raumklangliche Ausnahmewerk überzeugen.
Die Botschaft
Heraklit wird in dem Stück „in change is rest“ zitiert:
„…The unlike is joined together and from differences results the most beautiful harmony…“
- Eine Inspiration aus der Antike, kann sie uns in der Gegenwart helfen, mit den allgegenwärtigen und vielschichtigen Unsicherheiten umzugehen?
Die Musikerinnen und Musiker:
Elisabeth Harnik: Komponistin
Franz Jochum: Musikalische Leitung
Melis Deiray, Sopran
Klaudia Tandl, Mezzosopran
Valentino Simonovski, Bassbariton
Filip Novakovic, Akkordeon
Cem Tolunay Gürakar, Kontrabass
Ivan Cruz-Contreras, Kontrabass
Aleksey Vylegzhanin, Orgel
chorforum.gleisdorf
Chor der Kunstuniversität Graz
Chor der Kirchenmusik der Kunstuniversität Graz
Kontakt chorforum.gleisdorf:
Obfrau Michaela Köck
Telefon: +43 650 4901055
Mail: mail@chorforum.at
https://chorforum.at/
Weitere Aufführungstermine:
- Basilika Mariatrost, Kirchplatz 8, 8044 Graz
So., 26. Nov. 19:00 Uhr - Kalvarienbergkirche, St.-Bartholomäus-Platz 3, 1170 Wien
Sa., 25. Nov. 19:30 Uhr
Hermine Arnold
Freie Redakteurin
https://www.nedi.at
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