Kulturspange: Feste jenseits der Gnadenakte
Das Aprilfestival auf Schloß Freiberg darf heuer als eine gelungene Mischung aus Geselligkeit und Befassung mit der Kunst gelten. Oder ist an dieser Mischung etwas falsch?
Das war einer der Diskussionspunkte in der kleinen Rückschau. Fokus Freiberg und Kunst Ost kooperieren seit vorigem Jahr. In der Kulturspange wird eine kontrastreiche Zusammenarbeit Kulturschaffender gepflegt.
Im Gegensatz zu herkömmlichem Kulturmanagement, das verwaltet und promotet, was eben verfügbar ist, widmet sich die Arbeit von Kulturinitiativen auch detailliert den gesellschaftlichen Zusammenhängen ihres Tuns.
Da Kurator Winfried Lehmann und Organisationsleiter Ewald Ulrich heuer mehrerer hundert Gäste empfangen und bewirtet haben, stellte sich unter anderem die Frage, ob das mit der Zuwendung zur Kunst in gutem Einklang stehe. In der Debatte kamen mehrer Aspekte so eines Festivals zur Sprache.
Das Angebot ästhetischer Erfahrungen über den Zugang zur Kunst, also Wahrnehmungserfahrungen, ist der Anlaß und der Angelpunkt des Geschehens. Darin ist der Kurator gefordert, eine bemerkenswerte Auswahl zu treffen und der Organisationsleiter, um Publikum anzusprechen, ihm den Zugang schmackhaft zu machen.
Darüber hinaus muß aber gelten, daß das Kulturgeschehen keine Erziehungsanstalt ist und daß einem Publikum Zurufe erspart werden sollten, wie es seine Begegnung mit der Kunst zu regeln habe.
Bleibt in diesem Berührungspunkt zwischen Kunstschaffenden, Publikum und Gastgebenden das Zeremonielle. Wo dieses Zeremonielle gedankenlos passiert, wird es auch als erstarrte Formel wahrgenommen, was nur gut erzogene Leute am lauten Seufzen hindert.
Ulrich ist sich seiner Rolle klar. Um Menschen zur Geselligkeit zu führen, sollte man sich darauf verstehen, ein Gastgeber zu sein. Da möge auch die Bewirtung nicht fehlen, was Knausrigkeit verbietet. Die Kunst ist das Transzendente, ist Ereignis auf einer symbolischen Ebene. Doch wir sind in Leiblichkeit zuhause.
Speisen und Getränke, vor allem ein Wein, der nicht aus dem Billigregal kommt, verweisen auf den Moment des Festes. So auch der Tanz, wie er diesmal in einigen grundlegend verschiedenen Formen im Schloß stattgefunden hat. Ach ja, das Schloß. Auch der Ort ist symbolträchtig.
Früher hat hier der Adel seinen Untertanen die Haare vom Kopf gefressen. Dafür gab es manchmal Gelegenheit, diesen Boden betreten zu dürfen. Heute ist dieses Terrain alter Herrschaftsformen von anderem Geist beseelt. Da ist es kein Gnadenakt mehr, wie einst der klein gehaltene Pöbel ausnahmsweise in den Hof durfte.
Da sind es auch nicht mehr die Eliten, denen Zeit, Geld und Muße auf Kosten anderer gegeben wurden, um sich mit Kunst zu befassen und den guten Wein zu genießen. Hier zeigt sich eine kulturelle Selbstermächtigung, in der Menschen ihrem Leben nach eigenen Regeln kulturelle Akzente geben.
Lehmann und Ulrich sind sich einig, daß sie in dieser Entwicklung ihrer engen Kooperation die künstlerische Qualität vertiefen möchten. Außerdem zeigt sich Lehmann neugierig, den Aspekt des Festes in solchen Zusammenhängen einmal näher zu überprüfen.
Menschliche Gemeinschaft bedarf der symbolischen Akte, um Stabilität zu gewinnen. Waren das einst die schuldige Gefolgschaft dem Grundherren gegenüber oder später ein Eid auf eine Fahne, so suchen wir heute zivilere Formen, uns der Gemeinschaft zu versichern.
Dabei lehrt uns aber auch die Geschichte allerhand, die Volkskultur zeigt manche Ereignislinien, das Wesen von Festen soll in der Kulturspange Richtung 2016 konsequenter bearbeitet werden.
Es macht ja einen essentiellen Unterschied, ob einen Kaufleute an die Biertische bitten, weil sie ihre Geschäfte voranbringen möchten, wogegen nichts einzuwenden ist, oder ob der Anlaß immaterielle Zusammenhänge hat. Die Frage nach den Intentionen ist ein gewichtiges Thema der Kulturschaffenden.
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