Saufkram und Gesülze

- Was ich mit Freunden alles genußvoll wegräumen kann, wenn die Tafel sich biegt, unterliegt keinen zeitgeistig-bunten Lebensratschlägen aus dubiosen Agenturbüros
- hochgeladen von martin krusche
Medienleuten sollten was vom Kommunizieren verstehen. Richtig? Na, sicher! Wieso krieg ich dann von Medienprofis oft so komische Post?
Da beginnt eine Mail an mich etwa mit „Sehr geehrte Redaktion“. Sehe ich etwa aus wie eine Redaktion? Beginnen meine Emailadressen nicht mir Passagen wie „der.krusche“ oder „martin.krusche“?
Sollte man daraus nicht schließen, daß ich eine reale Person bin, die einer persönlichen Ansprache gewürdigt werde könnte?
Aber vielleicht heißt „public relations“, kurz: PR, heute eigentlich „fire and forget“. So nennt man den Modus von Raketen, die ein Ziel eingegeben bekommen, das sie nach dem Abschuß eigenständig suchen, weshalb man gleich vergessen kann, was man abgefeuert hat.
Manchen Leuten ist man augescheinlich gar keine Anrede wert. Die meinen sicher, ihr Thema sei so eine Wucht, das müsse als allererstes rübergewuchtet werden. Etwa so: „Der 17. Steiermark-Frühling in Wien hat Geschmack“.
Ach ja? Ich hab vielleicht Geschmack, guten oder schlechten oder gar keinen, Sie haben vielleicht Geschmack, aber der Frühling? Der schmeckt eventuell nach was, doch Geschmack hat er sicher keinen. Dieser Satz ist also Nonsens. Mumpitz. Dagegen hätte sich „Guten Tag, Herr Krusche!“ geradezu poetisch und inhaltlich klar ausgemacht.
Wozu also dieses Gesülze in meinem Postkasten?
Heute riet mir eine Eva Sowieso, die ich gewiß nicht kenne, die mich garantiert noch viel weniger kennt, mir einen Termin zu sichern. Hab ich Schwein, daß ich vom jahrelangen Abhören diverser Popsongs etwas Englisch kann, denn da stand „save the date“.
Dann wurde es allerdings italienisch: „...der pure italienische Genuss ist so bunt wie das Leben“. Wow! Donnerwetter!
Aber wie nun? Wessen Leben? Meines ist nämlich schon bunt, doch nicht italienisch bunt. Und pur ist es auch. Oh ja! Fast schon puristisch. Bloß weiß ich jetzt nicht, was ein „Crodino“ ist. (Das klingt ein wenig unanständig, muß ich sagen. Wie eine Hautkrankheit, die man seiner Familie lieber verschweigt.)
Immerhin hat man mich höflich als „Liebe Medienpartner“ angesprochen, immerhin Plural, also drauf gepfiffen, wer ich bin, einer von vielen eben, mich nicht gefragt, ob ich diese Post will. Das wäre aber gut gewesen, denn ich bin nicht bloß mit einer heftigen Deppen-Allergie auf die Welt gekommen, ich hab heute, mit zunehmendem Alter, auch eine ziemliche Aversion gegen blumiges Agentur-Geschwätz.
Im Klartext, mit „Neuen, farbenfrohe Ideen für das Trink-Erlebnis von…“ Dingen, die mir des Trinkens wert wären, braucht mir solche Plaudertaschen-Branche nicht kommen. Ob Weißburgunder oder Gelber Muskateller, ob Blauer Portugieser oder harter Kontrast in rauchigem Bourbon, ja selbst beschwipst von reichlich Cava ist mir gänzlich Anderes die Quelle von Buntheit.
Zur Trunkenheit und zu den passenden Geschmacksensationen suche ich mir Rat, falls ich Rat wünsche, mit Sicherheit nicht an solchen Stellen. „Ihre persönliche Einladung mit allen Informationen folgt in Kürze.“ Wirklich? Bitte nicht!
Ich zahl mir meine Drinks lieber selber und verzichte auf Gedudeltes, Gesprudeltes, Geprickeltes und was sonst noch so an zeitgeistträchtiges, zu den Modefarben der Saison passendes Klingelgesöff angekarrt wird.
Und bitte schreiben Sie mir nicht, wenn sie mich nicht meinen, sondern irgend eine Redeaktion, einen Medienpartner, was weiß ich, wen Sie sich dabei so vorstellen, der oder die eine Müllhalde für Ihre supa Sager sein soll, während Sie auf den nächsten Gehalts-Scheck warten. Danke! Und liebe Grüße!
P.s.:
Jetzt hab ich die Suchmaschine doch noch angeworfen. Crodino: „Italiens bekanntester und meisterverkaufter alkoholfreier Aperitif.“ Ihr könnt mich mal!
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