Alltagskultur
Sacktuch

- Josef Tschida
- hochgeladen von martin krusche
Josef Tschida ist Bauer, ist Schauspieler, ist Lokalpolitiker. Das sind drei völlig unterschiedliche Bezugssysteme. Eine kleiner Hinweis darauf, daß wir ja alle auf mehrere Arten zugehörig sind. Daraus ergibt sich ein zwingender Kontrast zu den simplen Zuschreibungen wie: Der da! So ist der! (Sie kennen das.)
Ich hab mich jüngst mit Tschida vor allem über zweierlei unterhalten: das Wesen von Bäumen und der praktische Umgang mit Traktoren. Neuerding hatten wir auch im Fokus, daß unsere Auffassungen von Menschschein genau nicht universal sind, obwohl wir das gerne annehmen. (Auch so eine populäre Art der Komplexitätsreduktion.)
Nein, unser (Das Westliche? Das Alpine?) Welt- und Menschenbild wird nicht von einer Mehrheit der Menschheit geteilt. Es ist bloß eine Variante. Dadurch entwickelt es sich so interessant wie fordernd, wenn wir uns mit dem Weltgeschehen befassen.
Wie geht das Unvereinbare zusammen? Afghanische, afrikanische, chinesische Leute; oder aktuell jene aus Rußland und jene aus der Ukraine. Sehr knifflig! Dank der aktuellen Mediensituation erfahre ich ja alles von überall; falls ich das will.
Apropos Medien!
Nun sah ich Tschida ein Sacktuch zücken. (Volkstümlich: Schneuzfahne, Rotzfetzen etc.) Mir kam vor, das sei völlig aus der Mode gekommen. Wer hat denn sowas heute noch eingesteckt? Ich erinnere mich, daß es zu den Erziehungsmaßnahmen gehörte, die in meiner Kindheit angewandt wurden.
Nein, nicht nur Prügel, wann immer mir meine Fügsamkeit abhanden gekommen war. Auch so nützliche Kulturleistungen wie: „Du solltest immer ein sauberes Taschentuch eingesteckt haben.“ (Das kam gleich nach „Mit der Hose gehst du mir nicht aus dem Haus!“)
Oder diese entsetzlichen Momente, wenn Muttern in meinem Gesicht Schmutz zu entdecken meinte, ihr Taschentuch zuckte, es anspuckte und mir damit den Schmutz aus dem Gesicht rieb. Es ist eben mit allerhand Anforderungen verbunden, um aus dem Gemeindebau in eine bürgerliche Mittelschicht aufzusteigen. Ein sauberes Taschentuch gehörte damals unbedingt dazu. (Aber wie meine Biographie belegt, es ist kein Garant für ein Ankommen in „besseren Verhältnissen“.)
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