Interview mit Kathrin Gaál
Leistbares Wohnen in Wien und Kritik an Bund
Wiens Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) spricht im Interview über leistbaren Wohnraum, Versäumnisse der Bundesregierung beim Thema Mietrecht und wie alte Häuser künftig besser geschützt werden.
WIEN. Wie hat sich die Wohnsituation der Wienerinnen und Wiener in den vergangenen Jahren entwickelt? Wie können wir uns überhaupt das Wohnen in Wien noch leisten? Und warum einige Wohnungen derzeit nicht zum Wohnen da sind und was man dagegen unternehmen kann? Wiens Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) im großen Interview.
Die BezirksZeitung feiert heuer 40. Geburtstag. Wie hat sich die Wohnsituation der Wiener in den vergangenen 40 Jahren verändert?
KATHRIN GAÁL: Bereits vor 100 Jahren hat die Stadt mit den ersten Gemeindebauten leistbare Wohnungen für die Wienerinnen und Wiener geschaffen. Sie wollte aber auch die soziale Infrastruktur dazu haben, wie Kindergärten, Gemeinschaftsküchen oder eine Bücherei. Und an diesen Grundsätzen haben wir als Stadt immer festgehalten. Wir haben das weiterverfolgt, aber auch weiterentwickelt. Aber an diesem Gemeinsamen, diesem miteinander Wohnen und Leben, an dem halten wir heute noch fest.
Der Abriss alter Häuser lag und liegt unseren Leserinnen und Lesern immer im Magen. Welchen verbesserten Schutz bietet hier die neue Bauordnungsnovelle?
Es ist natürlich schon so, dass ab und an was Altes abgerissen werden muss, damit sich was Neues entwickeln kann. Jedoch werden wir mit der neuen Bauordnungsnovelle – die Ende November noch im Wiener Landtag beschlossen werden muss – den Spekulationen mit alten Häusern einen weiteren Riegel vorschieben. Wir nehmen die Hausbesitzerinnen und -besitzer stärker in die Pflicht und schauen auf den Erhalt dieser schönen, alten Häuser, die ja auch den Charme und den Charakter der Stadt mitprägen.
Das Leben wird immer teurer, wie kann man sich in Wien das Wohnen noch leisten?
Die Zeiten sind momentan wirklich für alle sehr herausfordernd. Aber im Vergleich zu den anderen Städten in Europa ist in Wien das Wohnen noch leistbar. Mehr als 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben im geförderten Wohnbau oder Gemeindebau. Davon können andere europäische Städte nur träumen. Nichtsdestotrotz sind wir uns auch der Verantwortung bewusst, dass wir in diesen schwierigen und herausfordernden Zeiten auch unsere Wienerinnen und Wiener noch intensiver unterstützen. Da gab es einerseits vonseiten der Stadt den Energiebonus, den Wohnbonus, wir haben im Gemeindebau den Gemeindebaubonus entwickelt, um hier zu entlasten und zu unterstützen. Und wir haben gerade an einer Novellierung der Wohnbeihilfe gearbeitet, um auch hier wirklich noch breiter aufgestellt zu sein und um noch mehr unsere soziale Verantwortung wahrzunehmen.
Negative Entwicklung in Immobilienblase
Horrende Mieten und absurde Preise für den Kauf von Immobilien dominieren den privaten Wohnungssektor. Was kann die Stadt dagegen tun?
Also diese Immobilienblase ist schon eine, die sich in den letzten Jahren massiv ins Negative entwickelt hat. Daher haben wir 2018 die Flächenwidmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ eingeführt. So wird sichergestellt, dass bei allen großen Flächenwidmungen der geförderte Wohnbau mit zwei Drittel dabei sein muss.
Sozialer Wohnbau versus Verbauung: Wie schafft man es hier, die richtige Balance zu finden und die Natur zu erhalten?
Es ist natürlich ein sensibles Thema. Denn immer, wenn etwas neu gebaut wird, dann gibt es ein bisschen Verunsicherung in der Umgebung. Was natürlich verständlich ist. Was passiert in meinem Grätzl, und wenn’s passiert, dann ist es laut und es staubt. Ich habe da mit der Kampagne "Wien baut vor" probiert, ein bisschen Sensibilisierung zu schaffen und zu erzählen, was hier entsteht. Hier entsteht vielleicht eine neue Ordination, ein neuer Kindergarten, ein Spielplatz oder ein neuer Park – also es sind da auch positive Entwicklungen, die da entstehen, neben dem leistbaren Wohnraum für alle. Also wir überlegen uns immer etwas, um die Gemeinschaft zu fördern und auch ein bisserl um die Angst zu nehmen.
Kampf gegen Leerstand
Gerade in den innerstädtischen Bezirken werden Wohnungen meist als Anlage gekauft und nicht genutzt – wie kann man dem einen Riegel vorschieben?
Also hier wäre ganz dringend die Bundesregierung gefragt, endlich einmal etwas im Bereich Mietrecht zu tun. Das ist längst überfällig und steht auch im Koalitionsabkommen. Genauso wie die Bekämpfung des Leerstandes. Beides fehlt leider noch. Wir haben uns auch sehr intensiv mit dem Thema Kurzzeitvermietungen beschäftigt, was ja ein bisschen in diese Kerbe schlägt und haben da in der Bauordnungsnovelle strengere Regeln aufgestellt. Denn Wohnungen sind zum Wohnen da – da ist das Wesentliche.
Wie werden wir in den nächsten 40 Jahren wohnen?
Ich glaube, dass die Stadt weiterhin tagtäglich die politische Entscheidung treffen wird, leistbaren und sozialen Wohnraum für die Wienerinnen und Wiener zu schaffen. Es werden sich wahrscheinlich die Bedürfnisse ändern, aber an diesem grundsätzlichen Bekenntnis, leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wird die Stadt auch in den nächsten 40 Jahren festhalten.
Das könnte dich auch interessieren:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.