Schwerpunkt Boden
Die Ritter gegen die Bodenvernichter
Es sind Idealisten, die Mitglieder des Mürztaler Vereines "Ins Gras beißen – Initiative gegen Bodenvernichtung". Sie engagieren sich ganz ohne Eigennutz und Prestigegewinn. Sie handeln für nachkommende Generationen. Zumeist unbedankt, dafür oftmals Kritik ausgesetzt.
BRUCK-MÜRZZUSCHLAG. Am 2. März 2020, eine Woche vor dem ersten Lockdown, hat sich der Verein "Ins Gras beißen – Initiative gegen Bodenvernichtung" im Kreativraum des Kindberger Cowerks erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Damals wurden auf Gras-Tischen Weckerln aus Beton serviert und an den Wand hingen Negativbeispiele von leerstehenden Objekten im Mürztal. Ein erster Vergleich: In Österreich überdecken leerstehende Gebäude eine Fläche von 40.000 Hektar, das ist zirka die Fläche von Wien.
Das will der Mürztaler Verein bewirken: Vernetzung aller regionalen Initiativen, die ähnliches Bewirken wollen. Informationsaustausch, auch an interessierte Bürger. Meldestelle sein für geplante Bauvorhaben – "auch Whistleblower sind willkommen". Beispiele (positiv und negativ) dokumentieren. Mit Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen will man auf brennende Themen aufmerksam machen.
Und man will Meinungsbildungsfunktion übernehmen: Beispiel 1978: Zwentendorf – Nein, danke! Eine Initiative, die von unten ausgegangen ist.
Verschiedenste Initiativen
Christian Zöscher und Manfred Fraiss, beide aus dem St. Lorenzener Ortsteil Alt-Hadersdorf, ziehen Bilanz nach mehr als drei Jahren Aktionismus gegen Bodenvernichtung. Initiativen gab es unter anderem gegen die Bebauung der Königgründe in Kapfenberg, gegen die geplanten Parkplätze am Schinitzhof in Kapfenberg und gegen ein Steinbruchprojekt in St. Lorenzen.
"Aktuell überlegen wir, das große Kreisverkehrprojekt am Schirmitzbühel in Kapfenberg und den neuen Wirtschaftshof auf der grünen Wiese in Kindberg genauer unter die Lupe zu nehmen", erklärt Christian Zöscher.
Manfred Fraiss war auch schon Begründer der Bürgerinitiative "Lebenswertes Hadersdorf", damals hat man für einen wirkungsvollen Hochwasserschutz und gegen den Steinbruch im Lahmbachgraben gekämpft: "Der Hochwasserschutz wurde umgesetzt und 2024 sollte auch der Abbau im Steinbruch Geschichte sein – zumindest laut Vorgaben der Behörde."
Beide freuen sich, dass die Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag per Bescheid den Antrag für eine Rodungsbewilligung in einem stillgelegten Steinbruch abgewiesen hat. Ein intakter Wald habe Vorrang gegenüber einem Steinbruch-Abbau ohne erkennbaren Nutzen für die Öffentlichkeit – so der Spruch der Behörde.
Sie halten wenig vom vielgehörten Spruch "Da kann man eh nichts machen". Viel eher setzen sie auf "Geht nicht, gibts nicht!". Als Verein habe man mehr Möglichkeiten, als eine Bürgerinitiative. "Bei Genehmigungsverfahren haben wir als Verein ein Mandat, das wir auch gerne wahrnehmen, sofern wir über ,bodenvernichtende‘ Projekte informiert werden", erklärt Christian Zöscher.
Hartnäckig bei der Umsetzung
Und so wird eine Kampagne umgesetzt: Es werden Anfragen an Gemeinden und Bezirkshauptmannschaft gestellt, auch Abteilungen des Landes werden eingebunden. Falls notwendig werden auch Institutionen wie das Denkmalamt eingeschaltet. Es wird Einsichtnahme ins Grundbuch verlangt, es folgen Unterschriftenaktionen, Plakatkampagnen, Medien werden über Pressekonferenzen und Aussendungen informiert. Auch Rechtsanwälte sind involviert. "Hilfreich sind auch durch uns in Gang gesetzte Interventionen durch Naturschutzbund oder Umweltanwaltschaft.", sagt Manfred Fraiss ergänzend.
Druck aufbauen über die Öffentlichkeit, das ist das legitime Mittel zum Zweck. Freunde machen sich die Vereinsaktivisten damit nicht – bei der Bevölkerung viel eher, als bei den handelnden Politikern. "Wir sind keine Streithanseln, aber wir scheuen auch keine Konflikte. Dabei könnte es für Politiker und Gemeinden doch so einfach sein: sie müssten Bauprojekte nur transparent und frühzeitig mit der Bevölkerung abwickeln. Ein gemeinsamer Weg ist fast überall möglich, durchaus auch mit Kompromissen", sagt Fraiss.
Ein neues Betätigungsfeld für die Initiative gegen Bodenvernichtung gibt es bei den Vorrangzonen für Photovoltaikanlagen, unter anderem auch in Kindberg-Mürzhofen. "Bevor man auf die grüne Wiese geht sollte man zuerst auf Dächer, Einkaufszentren und Fabriksgebäuden gehen. PV-Anlagen machen dort Sinn, wo es bereits versiegelte Bodenflächen gibt", sagt Christian Zöscher.
Politisch denkende Menschen
Natürlich sind die meisten Vereinsmitglieder politisch denkende Personen, da bleibt es nicht aus, dass diese auch politisch aktiv werden. So finden sich in der Initiative führende Persönlichkeiten der Bürgerlisten "LeLo – Lebenswertes Lorenzen" und "Liste Vogl" aus Kapfenberg. Betont wird jedoch die Überparteilichkeit der Initiative.
Der Verein sucht Unterstützer und Mitstreiter. Informationen auf www.ins-gras-beissen.com
Weil, noch einmal Christian Zöscher: "Um tätig zu werden, braucht es Zivilcourage. Denn die kleinstmögliche Zustandsveränderung kann jeder erreichen."
Weitere Beiträge über den Schwerpunkt "Unser Boden":
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.