Fortsetzung: Vertrieben (21)

Foto: Bayrischer Rundfunk

Die wahre Geschichte eines kleinen Mädchens

Autorin: U. Hillesheim ©

In dieser wilden gesetzlosen Zeit hat es Muttl dennoch gewagt, mit dem Leiterwagen zu Fuß mehrmals nach Bennisch zu gehen. Unterwegs macht sie bei Familie Straube in Freudenthal halt. (Die alte Frau Straube war die Freundin von Muttls Mutter). Aus der ungeschützten Bennischer Wohnung will Muttl so viel wie möglich vor Plünderung und sinnloser Zerstörung nach Mohrau retten. Sie findet die Wohnung in einem unglaublichen Zustand vor. Alles ist aufgebrochen und über die Wohnung verstreut. Türen wurden zerhackt, Bettdecken aufgeschlitzt und Kochtöpfe als Toilette benutzt. Auf einem großen Haufen im Wohnzimmer liegen unsere Fotos, zum Teil verkohlt, zum Teil aber noch gut. Man hatte den Haufen angezündet, doch zum Glück ist das Feuer wieder erloschen.

Wir hatten sehr viele Fotos von unserer Familie. Papa besaß eine ausgezeichnete Zeiss-Ikon-Spiegelreflexkamera. In jener Zeit war unser Vater einer der wenigen, die privat fotografiert haben. Für jedes seiner Kinder wollte er ein eigenes Album anlegen. Muttl hat von dem halbverbrannten Haufen eine ganze Anzahl von Fotos und Negativen gerettet.

Als Roswitha einmal nach Bennisch mitgeht, ist die Wohnung schon wieder weitgehend aufgeräumt. Vielleicht haben die Russen deswegen so schlimm gewütet, weil Muttl bei unserer hastigen Flucht vergessen hatte, das obligatorische Hitlerbild abzuhängen.

Bei unserem Nachbarn, dem Reinisch, haben sich Russen einquartiert. Von dort sehen sie in unsere Küche und könnten über das Dach zwischen den Häusern jederzeit direkt in die Wohnung gelangen. Am besten, man meidet die Küche, damit sie nicht merken, dass sich in der Wohnung Frauen aufhalten. Immer wieder kommen Russen ins Haus. Sie poltern laut an der Haustür und Fräulein Paula muss sie einlassen. Roswitha flüchtet in Panik auf den Dachboden, dann auf das Dach. Unter sich hört sie den Russen. Wenn er ihr nachgestiegen wäre, hätte sie sich vom Dach auf die Straße gestürzt.

Ein anderes Mal ist sie vor einem Russen über den Dorner Hof bis zum Uhrmacher Zeiger geflohen. Dort hat sie erlebt, wie ein Russe verlangte, der Uhrmacher solle einen großen Wecker zu zwei kleineren Uhren umarbeiten. Noch andere kuriose Geschichten erzählt uns Muttl von Russenbegegnungen. Nur einiges weiß ich noch: Ein betrunkener, aber freudestrahlender Russe kommt auf Muttl zu, will sie umarmen: „Hitler kaputt, Hitler kaputt“!
Ein anderer Russe schießt auf einen läutenden Wecker. Er hält ihn wohl für eine Höllenmaschine. Immer wieder sagt Muttl: „Nur keine Angst zeigen! Wer Angst zeigt, hat schon verloren. Wer aber unerschrocken auftritt, der kann den Angreifer sehr häufig abschrecken“!

Es gilt, das Wichtigste mit nach Mohrau zu nehmen. Das Kinderzeug, an dem unser Herz doch so hängt, gehört nicht dazu. Daher wagen wir erst gar nicht, Muttl um unsere „Schätze“ zu bitten (Andenkenbild von der Erstkommunion, Erstkommunion-Rosenkranz von Tante Rosi, die Kette, die ich aufgefädelt habe, als ich krank war, ein Doppel-Bleistiftspitzer….). Doch da ist ja noch der gutmütige Gottfried. Ihn bitten wir um die Sachen. Tatsächlich bringt er sie uns mit (versteckt in der Unterwäsche), als auch er einmal Muttl nach Bennisch begleitet. Und noch etwas ganz Unerwartetes trägt Gottfried nach Mohrau: Kasperlpuppen, drei unserer Kasperlpuppen (die Kleider von Mama selbst genäht)!

Mit dem Kasperl, dem Räuber und dem Polizisten spielen wir in den folgenden Wochen Viktor oft Kasperlspiele vor. Bei nur drei Figuren müssen wir sehr erfinderisch sein. Unsere Bühne ist einfach die Stuhllehne, über die eine Decke gehängt wird.

Fortsetzung folgt

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