Widerstand gegen den NS
Partisanen harrten zwei Winter im Hochschwabgebirge aus

Der Partisanenbunker am Kollmannstock ist auch im Sommer nur schwer erreichbar. Dafür muss am Plateau der Wanderweg 801 verlassen werden. | Foto: Werner Anzenberger
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Vor 80 Jahren bildete sich in der Obersteiermark eine Partisanengruppe, die im Jahr 1944 mit Sprengstoffanschlägen das NS-Regime zu sabotieren versuchte. Verfolgt und gesucht fanden sie zwei Winter in den Bergen des Hochschwabmassivs Unterschlupf.

BRUCK/LEOBEN. Während des Zweiten Weltkriegs versteckten sich ein paar Dutzend Kämpfer der Österreichischen Freiheitsfront (ÖFF) im Hochschwabgebirge. Nach ihnen wurde gefahndet, denn sie agierten gegen das an der Front bereits schwer beschädigte NS-Getriebe, das von der breiten Bevölkerung aber noch mit Stolz am Laufen gehalten wurde. Die Partisanen teilten sich auf verschiedene Berge auf. So harrte eine Gruppe bestehend aus drei Mann in einer Höhle am Kollmannstock zwischen Eisenerz und Tragöß aus.

Das Gelände am Kollmannstock mit Latschenwuchs ist im Sommer bereits eine Herausforderung. | Foto: Tobias Graf
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Bis am Morgen des 1. Dezember 1944 SS-Schutzpolizisten auf den Bunker stießen. Ein Jäger hatte sie dort zuvor entdeckt. Die Männer erwiderten das Feuer. Partisanenführer Sepp Filz wurde am Oberschenkel verletzt, zusammen mit seinem Genossen Max Muchitsch gelang ihm dennoch die Flucht. Der Dritte im Bunde, ein Tragößer Keuschlersohn namens Heinrich Kohnhauser, wurde durch ein Geschoss allerdings so schwer verwundet, dass ihn seine Kameraden zurückließen. Wehrlos wurde „Heina“ dann durch einen Genickschuss gerichtet.

Der getötete Heinrich Kohnhauser war ein Keuschlersohn aus Tragöß. | Foto: CLIO Graz/Heimo Halbrainer
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Das Verbrechen blieb ungesühnt. Der mutmaßliche Mörder, ein Eisenerzer Gastwirt und Hilfspolizist, musste nach Kriegsende zwar zunächst in Untersuchungshaft, zu einem Prozess kam es aber nicht. Das geht aus dem Gerichtsakt hervor, den Jurist und Historiker Werner Anzenberger später studierte. Auf seine Initiative wurde 2019 am Parkplatz des Leopoldsteiner Sees nebst dem Jüdischen Friedhof eine Gedenktafel für „Heina“ aufgestellt, die an das Verbrechen und den Widerstand am Hochschwab erinnern soll.

Arbeiterschaft gebar Kämpfer

Mit dem Verlust am Kollmannstock „wurde die Bewegung mehr oder weniger zerschlagen“, sagt Gernot Trausmuth, Experte für die Geschichte der Arbeiterbewegung. Der verletzte Filz und Muchitsch tauchten wieder unter und konnten bis zum Zusammenbruch des NS-Staats im darauffolgenden Mai 1945 den Kampf nicht mehr fortsetzen.

Auf die Initiative von Werner Anzenberger erinnert seit 2019 eine Gedenktafel an Kohnhauser und die Partisanen. | Foto: Tobias Graf
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Dass sich in der Obersteiermark überhaupt eine Gruppe an Widerständlern zusammenfand, führt Trausmuth auf die historisch gewachsene Arbeiterbewegung in der Region zurück, die sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs immer stärker radikalisiert habe. Um den Leobener Sepp Filz bildete sich im Sommer 1943 die ÖFF. „Der Kern der Aktivisten bestand aus kommunistischen Arbeitern, die gezwungen waren in den Untergrund zu gehen. Sonst wären sie ins KZ gekommen“, sagt er. Ihr Untergrund waren die Berge im Hochschwabmassiv, die sie so gut kannten.

Auch wenn der Nationalsozialismus tief in obersteirischen Köpfen steckte, konnten sich die Partisanen ein breites Unterstützernetzwerk aufbauen. „Vor allem Bauern halfen, ließen sie bei ihnen übernachten und versteckten ihre Waffen“, erklärt Trausmuth. Genaue Zahlen zu den Helfern gibt es zwar keine, der Experte vermutet aber, dass es „mehrere hundert Leute gewesen sein müssen.“ Doch auch sie waren in ständiger Gefahr. Zahlreiche wurden verhaftet, gefoltert und getötet.

Kein Lohn in Zweiter Republik

Im Frühling 1944 führte die Freiheitsfront Sabotageakte durch, um das nationalsozialistische Fortkommen im Krieg zu behindern. Sie zielten dabei vor allem auf die Eisenbahninfrastruktur und sprengten Gleise, auf denen Munitionstransporte entlangfahren sollten. „Kriegsentscheidend waren diese Anschläge nicht. Selbst wenn sie erfolgreich waren, die Eisenbahnstrecke wurde lediglich für ein paar Stunden behindert“, meint Trausmuth.

Sepp Filz (r.) und ein Mitstreiter im Sommer 1944 beim Zenzsee in Tragöß. | Foto: CLIO Graz
  • Sepp Filz (r.) und ein Mitstreiter im Sommer 1944 beim Zenzsee in Tragöß.
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Wichtiger war laut ihm ohnedies, dass sie dadurch Kapazitäten banden. „Teilweise suchten Hunderte nach den Partisanen.“ Wie am Kollmannstock wurden immer wieder Stellungen in den Bergen ausgehoben. Die Bewegung wurde immer weiter geschwächt und „Heina“ Kohnhauser war nicht der Einzige, der im Kampf starb. Im Juni 1944 wurde Silvester Heider am Thalerkogel getötet. Die KPÖ erinnert noch heute immer wieder mit Gedenkmärschen in dessen Todesmonat daran.

Nach 1945 behielten die noch lebenden Kommunisten im Angesicht des beginnenden Kalten Kriegs ihre Rolle als Feinde. Das zeigt das Beispiel Sepp Filz: „Er wurde zwar zuerst Betriebsrat, später aber gekündigt und aus der Obersteiermark vertrieben“, so Trausmuth. „Auf die paar hundert Partisanen konnte man generell eher verzichten als auf die Millionen NS-Unterstützer.“

Hinweise

Unter der Organisation von Georg Fingerlos laden das Labor Alltagskultur und Hochschwabmuseum am Donnerstag, 31. August, um 16 Uhr beim Bodenbauer in St. Ilgen zu einem Vortrag über die Partisanen im Hochschwabgebiet. Diesen hält Gernot Trausmuth. Außerdem wird ein Ausstellungsbereich zum Thema im Hochschwabmuseum eröffnet. Am 9. September findet für Interessierte eine Wanderung aus Trofaiach zum Thalerkogel statt, wo Silvester Heider getötet wurde. Diese war ursprünglich für den 27. August anberaumt, wurde aber aufgrund der schlechten Wetterprognose verschoben. Mehr dazu findest du auf der Facebook-Seite des Bodenbauers.

Gernot Trausmuth hält am 31. August im Hochschwabmuseum beim Bodenbauer einen Vortrag über die Partisanen im Hochschwabgebiet. | Foto: Gernot Trausmuth
  • Gernot Trausmuth hält am 31. August im Hochschwabmuseum beim Bodenbauer einen Vortrag über die Partisanen im Hochschwabgebiet.
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Werner Anzenberger und der umtriebige Grazer Historiker Heimo Halbrainer haben sich intensiv mit den Partisanen beschäftigt. Anzenberger schrieb im Sammelband „Die Eisenstraße 1938 – 1945. NS-Terror – Widerstand – Neues Erinnern in den 1980er Jahren“ ein Kapitel zu ihnen, wo auch der Morgen des 1. Dezember 1944 am Kollmannstock beschrieben wird. Halbrainer sprach in den 1980er-Jahren noch persönlich mit dem Partisanenführer Sepp Filz. 2020 veröffentlichte er die Biografie Sepp Filz: Walz, Widerstand, Wiederaufbau.

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