Pfizer-Chef über Corona-Impfung
Robin Rumler: "Schwere Nebenwirkungen gab es nicht!"

- "Man muss Nebenwirkungen verpflichtend aufzeichnen", sagt. Prof. Dr. Robin Rumler, Geschäftsführer der Pfizer Corporation Austria im Interview mit den RMA. In den Studien von Pfizer/Biontech sowie mittlerweile einer Million geimpfter Personen in den USA mit dem Vakzin der beiden Pharmkonzerne seien keine schweren Nebenwirkungen aufgetreten, so Rumler.
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Am Sonntag wurden in Österreich und der EU erstmals Menschen mit dem Covid-19-Vakzin von Pfizer/Biontech geimpft. Robin Rumler, Geschäftsführer der Pfizer Corporation Austria, erzählt im Interview mit den Regionalmedien Austria (RMA), warum man keine Angst vor Nebenwirkungen haben muss, es jetzt Aufklärung braucht und er gegen eine Impfpflicht ist.
RMA: Herr Rumler, der erste in Österreich zugelassenen Impfstoff stammt von Pfizer/Biontech. Es handelt sich um einen sogenannten mRNA-Impfstoff. Was ist das genau – ist diese Impftechnologie neu?
Robin Rumler: Die Impfung, die wir am Sonntag den ersten Personen verabreicht haben, ist ein effektiver Schutz gegen eine Corona-Erkrankung. Bei dieser Impfung erhält man nach drei Wochen, am Tag 21, eine zweite Impfung. Acht Tage später hat diese Person einen Impfschutz von 95 Prozent gegen die Corona-Erkrankung. Das ist im Vergleich zu anderen Impfungen sehr hoch. Wir haben also wirklich eine Antwort auf die Pandemie. Bei der klassischen Impfung nimmt man ein abgetötetes oder ein abgeschwächtes Virus. Das wird verimpft, der Körper bildet dagegen einen Antikörperschutz. Die Grippeimpfung und Zeckenimpfung funktioniert seit langem so. Diese Herstellung ist aber langwierig und man hat sich gefragt, ob man mit einer neueren Technologie nicht effektiver sein könnte. Die mRNA-Techologie passt bei dieser Impfung sehr gut. Im Normalfall verimpft man das ganze Virus, jetzt nur noch ein Stück des Bauplans. Im Virus befindet sich nämlich dieser Bauplan, die mRNA. Den braucht das Virus, wenn es sich vermehren möchte. Wir haben ein Stückchen von dieser mRNA unverändert entnommen, es vermehrt und verimpft. Diese Technologie ist nicht neu – man forscht an mRNA seit rund 20 Jahren, in den letzten Jahren gibt es immer mehr Studien und Erfahrungen im Krebsbereich, aber auch der Infektiologie.
Wie reagiert der Körper?
Bei dieser Impfung reagiert der Körper so, dass die Zellen diesen verabreichten Bauplan nachbauen. Sie produzieren ein Protein. Dieses Protein sieht aus wie ein Virus und die Zelle produziert dagegen Antikörper. Das funktioniert, ohne, dass ich das ganze Virus verabreichen muss. Das Stück, dass die Zelle nachbaut, ist das sogenannte Spike-Protein. Wenn ich das Virus kriege, dann dringt es vielleicht in den Körper ein, aber der Körper sagt sofort: 'Wir haben schon Antikörper gebildet, stürz dich darauf und lösch das Virus aus'.
Heißt ein Impfschutz von 95 Prozent, dass man in 5 Prozent der Fälle krank wird?
Man hat für den Impstoff eine sehr große Zulassungsstudie gemacht, die weltweit gelaufen ist. 44.000 Personen haben daran teilgenommen. Die Hälfte hat diese Impfung bekommen, der anderen Hälfte hat man eine Kochsalzlösung gegeben. Dann hat man beobachtet, in welcher Gruppe Corona-Erkrankte sind. 95-Prozent der Erkrankten waren in der Placebogruppe. Diese Zahl ist sehr gut, denn es ist ein Unterschied, ob man 70 oder 95 Prozent Impfschutz hat. Bei der Grippeimpfung etwa verändert sich das Virus andauernd. Wir müssen jedes Jahr neu Grippe impfen gehen. Da sich das so schnell verändert, hat man oft nur mehr einen 70 -prozentigen Impfschutz. Jetzt haben wir ein Virus, das nicht so intensiv mutiert.
Viele Menschen sorgen sich, dass der Impfstoff in Rekordtempo entwickelt und jetzt auch zugelassen wurde – Wieso war das so schnell möglich?
Wir haben einen Impfstoff, der sämtliche Tests und Prüfungen, die eine Impfung durchmachen muss, bestanden hat. Der normale Ablauf der Impstoffentwicklung findet statt. Mit Pfizer und Biontech waren zwei Profis am Werk. Wir haben unsere Kräfte gebündelt und unseren Wissenschaftlern jede Unterstützung für die Entwicklung eines Impfstoffs gegeben. Wir sprechen hier von Hunderten von Wissenschaftlern, die hier gemeinsam arbeiten. Um die Entwicklung zu beschleunigen, haben wir den Prozess der Impfstoffentwicklung nicht hintereinander angelegt, sondern parallel. Wir haben eine überdurchschnittlich große Studie an 44.000 Menschen durchgeführt, um wirklich zu beweisen, dass der Impfstoff funktioniert. Diese Studie ist in sechs Ländern – Brasilien, Argentinien, USA, in Südafrika, der Türkei und in Deutschland – und ca. 150 Studienzentren gemacht worden. Wir hatten also viele Wissenschaftler, paralleles Forschen, eine überdurchschnittlich große Studie und in den letzen Monaten ein sogenanntes "Rolling Submission"-Verfahren*. Heute haben wir also eine Impfung, die in einer scheinbar sehr kurzen, aber definitiv ausreichenden Zeit, hergestellt wurde. Der Corona-Impfstoff, der uns durch die mRNA-Technologie zur Verfügung steht, ist schneller herstellbar, als andere Impfstoffe.
Welche Nebenwirkungen können nach dem Impfen mit dem Pfizer/Biontech-Impfstoff auftreten?
Wir haben mittlerweile sehr viele Daten und Beobachtungen der sogenannten Impfreaktion. Diese Impfreaktionen sind vergleichbar mit denen anderer Impfungen, die man heute bekommt. Wenn ich mich impfen lasse, dann habe ich vielleicht einen Schmerz an der Einstichstelle. Es kann in weiterer Folge eine Impfreaktion eintreten, die zeigt, dass sich ein Immunprozess abspielt. Das können am nächsten Tag Kopfschmerzen, leichtes Fieber oder auch Muskelschmerzen sein. Schwere Nebenwirkungen gab es in diesem Sinne nicht. Man muss davor definitiv keine Angst haben. Wir haben mit 44.000 Menschen eine sehr große Kohorte beobachtet. Wir verfügen aber auch über jene Daten, die von den USA mit mittlerweile einer Million geimpften Personen stammen. Es wird natürlich ganz genau dokumentiert, wenn etwas passiert. Nebenwirkungen müssen verpflichtend aufgezeichnet werden.
Können Sie uns kurz skizzieren, wie die Impfstoffentwicklung von Beginn bis zur Zulassung abläuft?
Zuerst wird das Virus analysiert. Dann entscheidet man, welche Impfstoff-Technik am besten passen könnte. Dann wird im Labor erprobt, die ersten Versuche finden statt. Der Impfstoff kommt in die klinische Forschung, wo an freiwilligen Probanden die Sicherheit, die Wirksamkeit und die Qualität des Impfstoffs überprüft wird. Diese Daten muss man einer neutralen Zulassungsbehörde vorlegen, die überprüft, ob alles richtig abgelaufen ist.
Was genau wird von den Zulassungsbehörden überprüft?
Es wird alles überprüft. Es gibt klare Auflagen, die "Good Clinical Practice" (Anm.: GCP ist ein internationaler ethischer und wissenschaftlicher Standard für Design, Durchführung, Dokumentation und Berichterstattung von klinischen Studien an Menschen), dass alles sozusagen nach allen Regeln der Kunst – Entwicklung, Herstellung und Medizin – abläuft.
Wann hat sich bei Pfizer und Biontech abgezeichnet, dass der Impfstoff den erhofften Erfolg bringt? Wieviel Druck lag auf den Unternehmen?
Wir sind beide Unternehmen, die Forschung und Entwicklung als tägliches Brot erleben. Wir wollten gemeinsam etwas schaffen und hier an einem Strang ziehen. Natürlich geht man viele Extrameilen, aber wenn die ersten Zeichen da sind, dass es klappt, motiviert das. So richtig gesehen, dass es funktioniert, haben wir erst relativ spät. Man hatte am Anfang einige Impfstoffkandidaten und ging dann mit dem richtigen weiter. Bei Interims-Analyse haben wir festgestellt, dass die Impfung höchstwahrscheinlich ein Erfolg wird.
Wer kann sich jetzt impfen lassen – ist der Impfstoff für Allergiker geeignet?
Grundsätzlich ist der Impfstoff für alle Menschen ab 16 Jahren zugelassen. Wo man aufpassen wird, ist bei der Gruppe der Schwangeren, weil wir hier im Augenblick keine Daten haben. Das ist aber üblich, dass Schwangere im ersten Lauf nicht dabei sind. Man wird also Schwangere und Kinder nicht impfen. Auch bei Allergikern wird man davon absehen, also, wenn es eine Allergie gegen einen Inhaltsstoff der Impfung gibt. Das muss mit dem Arzt abgeklärt werden. Aus Erfahrung darf ich Ihnen aber sagen, dass das sehr selten passiert. Wir haben in der Studie aber etwa Patienten mit Diabetes, mit COPD (Anm.: chronisch-verengende Lungenerkrankung) und Menschen, die ein Krebsleiden hatten.
Wie sicher kann man sich bei der Impfung sein, dass etwa in fünf Jahren nicht schlimme Nebenwirkungen auftreten? Die Langzeitfolgen konnte man ja noch nicht beobachten.
Glauben Sie, dass wir Langzeitdaten haben, wenn es jedes Jahr einen neue Grippeimpfung gibt? Für Impfungen, die man immer wieder neu herstellt, gibt es in diesem Sinn keine Langzeitdaten. Was es selbstverständlich gibt, ist eine Langzeitbeobachtung, die jetzt schon startet. Mittlerweile verfügen wir über sehr viele Daten, weil wir die Wirkung des Produkts seit Juli an vielen Menschen verfolgen. Eine seltene Nebenwirkung hat man beispielsweise ab 1.000 geimpften Personen. Nicht einmal die haben wir bis jetzt gesehen und wir haben 44.000 Personen beobachtet. Wird der Impfstoff verabreicht, wird er im Körper rasch abgebaut. Der Körper regiert mit der Impfreaktion und baut den Impfstoff ab.
Wieviele Impfdosen kann Österreich von Pfizer und Biontech erhalten?
Weltweit stellt Pfizer 1,3 Milliarden Impfdosen für das Jahr 2021 her. Europa bekommt davon 200 Millionen mit einer Option von weiteren 100 Millionen Impfstoffdosen – man könnte also 300 Milionen Impfdosen haben. Österreich bekommt von diesem Kontingent in Abhängigkeit von seiner Bevölkerungszahl insgesamt 3,5 Millionen Impfdosen. Die werden über das Jahr verteilt nach Österreich gebracht. Die erste, kleine Lieferung, kam am Samstag mit 10.000 Stück. Im ersten Quartal kommen circa 900.000 Stück nach Österreich. Zwei Impfungen braucht man – also können 450.000 Menschen geimpft werden. In der Pressekonferenz am Sonntag hat der Bundesminister verlautbart, dass er diese zusätzliche Option wahrnimmt. Das bedeutet, das Österreich nicht 3,5 sondern 5,5 Mio. Impfdosen erhält. Das reicht für knapp drei Millionen Menschen, allein von unserem Impfstoff.
Wir wissen aus verschiedensten Studien, dass die Impfbereitschaft hierzulande schwankt. Laut Gallup Umfrage wollten sich Anfang November 46 Prozent der österreichischen Bevölkerung gegen COVID-19 impfen lassen. Was würden Sie persönlich zu jemandem sagen, der sich fragt, ob er sich impfen lassen soll?
Ich würde derjenigen oder demjenigen sagen: Wir haben am Sonntag die ersten Menschen geimpft, die jetzt einen Impfschutz gegen die Corona-Erkrankung aufbauen. Innerhalb von vier Wochen haben sie einen 95-prozentigen Impfschutz. Was ist die gegenteilige Option? Es gibt keine – wer von uns will heute an Corona erkranken? Wenn man gar Pech hat, lautet das Alternativprogramm Intensivstation oder …
Soll die Politik also auf Aufklärung setzen oder eine Impfpflicht in Erwägung ziehen?
Ich bin gegen eine Impfpflicht, also einen 'Zwangsimpfung'. Ich bin aber sehr dafür, dass man aufklärt.
*Die "Rolling Submission" ist eine Sonderform des Erstzulassungsverfahrens, das in der Pandemiesituation zur Anwendung kommt und eine raschere Zulassung dringend benötigter Arzneimittel begünstigen soll.


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