Kardinal Schönborn im ORF
"Lieber Gott, lass für uns alle genügend Hirn regnen!"

- Kardinal Christoph Schönborn ist seit 1995 Erzbischof von Wien. Am Palmsonntag, dem 2. April, war er in der ORF-Sendung "Pressestunde" zu Gast.
- Foto: Erzdiözese Wien/Stephan Schönlaub
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Kardinal Christoph Schönborn ist seit 1995 Erzbischof von Wien. Am Palmsonntag, dem 2. April, war er in der ORF-Sendung "Pressestunde" zu Gast.
ÖSTERREICH. Pünktlich zum Palmsonntag wurde der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn in die ORF-Sendung "Pressestunde" eingeladen. Andreas Mayer-Bohusch (ORF) und Doris Helmberger-Fleckl, Chefredakteurin der Wochenzeitung "Die FURCHE", sprachen mit dem Priester über Gott und die Welt.
Im Fokus standen vor allem aktuelle Probleme, wie der Ukraine-Krieg, die Inflation und drohende Klimakrise, aber auch der Vertrauensverlust in die katholische Kirche wurde thematisiert.

- Pünktlich zum Palmsonntag wurde der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn in die ORF-Sendung "Pressestunde" eingeladen. Mit Andreas Mayer-Bohusch und Doris Helmberger-Fleckl sprach er über Gott und die Welt.
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Rolle der Kirche in Zeiten des Krieges
Welche Funktion spielt die katholische Kirche in Zeiten des Krieges? Kann sie den Menschen noch ausreichend Zuversicht und Hoffnung geben? Christoph Schönborn betonte in diesem Zusammenhang klar, dass der Krieg gegen die Ukraine mutwillig von Russland ausgelöst wurde. "Es ist ein Überfall auf die Ukraine, auf ein freies, souveränes Land." Man habe es hier mit einem sehr aggressiven Angriffskrieg zu tun, der durch nichts zu rechtfertigen ist, ergänzt der Kardinal.
Auf die Frage, wovon "gerechter Friede" charakterisiert sei, antwortete Schönborn: "Er besteht darin, dass das Recht eines angegriffenen Landes respektiert wird." Es sei darauf zu hoffen, dass die Großmächte dieser Welt sich darauf einigen, dass Friedensverhandlungen gefordert werden und dass auch Russland zu solchen Verhandlungen herausgefordert werde.

- "Das, was an Unrecht geschehen ist, muss wiedergutgemacht werden. Es müssen Kriegsverbrechen beim Namen genannt werden." So bezeichnet Schönborn die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland als Skandal.
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"Das, was an Unrecht geschehen ist, muss wiedergutgemacht werden. Es müssen Kriegsverbrechen beim Namen genannt werden." So bezeichnet er die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland als Skandal.
Militärisch ist Österreich neutral, in politischer Hinsicht steht das Land jedoch auf Seiten der EU und damit auch auf Seiten der Ukraine. Kardinal Schönborn ist "sehr froh" über die klare Position Österreichs im Hinblick auf den Ukraine-Krieg.
"Neutralität hat ja nie moralische Neutralität bedeutet. Man muss das Recht Recht und das Unrecht Unrecht nennen. Da gibt es keine Neutralität." Österreich wäre seiner Meinung nach ein guter Ort für mögliche Friedensverhandlungen. Er stehe zur Neutralität Österreichs, die aber auch positiv genutzt werden müsse.
Fürchtet den "Verlust der Mitte"
Politisch war auch das nächste Thema, das mit dem Priester behandelt wurde. Nun stand die neue Landesregierung in Niederösterreich im Fokus, an der nun neben der ÖVP auch die FPÖ beteiligt ist. Von Oskar Deutsch, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, wurden Letztere jüngst als "Kellernazis" bezeichnet.
Auf die Frage, ob Schönborn dessen Sorge teilen könne, erwiderte der Priester: "Ich sehe mit Sorge eine Entwicklung, die nicht nur in Österreich festzustellen ist, sondern auch in anderen europäischen Ländern: der Verlust der Mitte." In Krisenzeiten stellen Radikalisierungen und Populismus seiner Meinung nach immer eine Gefahr dar. Er hofft, dass in Niederösterreich die Mitte stark genug bleibt, "damit wir nicht in radikale Positionen abrutschen, die letztlich den Menschen unseres Landes nicht guttun."
Entschuldigung für umstrittene Aussage
Kardinal Schönborn äußerte sich in der Vergangenheit zu Covid und den damit verbundenen Maßnahmen. Der Sager "Lieber Gott, lass Hirn regnen" ist in diesem Zusammenhang wohl vielen am besten in Erinnerung geblieben.
Die BezirksZeitung berichtete:
Für diesen Ausspruch entschuldigte sich der Kardinal in der ORF-Sendung: "Das wurde von vielen berechtigterweise so verstanden, dass ich auf Seite derer bin, die Hirn haben, und Kritiker (der Corona-Maßnahmen, Anm.) als die betrachte, die kein Hirn haben. Das tut mir wirklich leid, diese Aussage hat viele verstimmt, verärgert, enttäuscht und verletzt."
Heute würde er eine andere Formulierung treffen: Lieber Gott, lass für uns alle genügend Hirn regnen. "Erstens brauchen wir dringend Regen, weil die Trockenheit ist ein großes Thema. Und zweitens leben wir in einer schwierigen Zeit, die wahrscheinlich noch schwieriger werden wird. Wir alle, auch ich, brauchen genügend Hirn und Herz, um mit dieser Krise fertig zu werden."

- In der Pressestunde entschuldigt sich Schönborn für seine umstrittene Aussage: "Lieber Gott, lass es Hirn regnen." Diesen Satz sagte er im April 2022 in Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen.
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Schönborn befürwortet zudem, dass die Kirchen die damaligen Corona-Maßnahmen der Regierung mitgetragen haben: "Ich stehe nach wie vor dazu, dass wir damals das getan haben, was auch die Regierung in ihrer Verantwortung für das Richtige gehalten hat." Im Rückblick sei man jedoch immer gescheiter, betont er.
Sinkendes Vertrauen in die Kirche
In der ORF-Sendung wurden zwei Grafiken der Europäischen Wertestudie (EVS) präsentiert, welche in regelmäßigen Abständen Werte und Einstellungen zu diversen Lebensbereichen erhebt, zum Beispiel zur Religion.
Auf die Frage "Sind Sie ein religiöser Mensch?" antworteten im Jahr 1990 der Studie zufolge 80 Prozent der Befragten mit "Ja". 2018 waren es 66 Prozent und 2021 - dem "Höhepunkt" der Pandemie - 53 Prozent. Auch das Vertrauen in die Kirche sinkt laut EVS, so gaben im Jahr 1990 49 Prozent der Befragten an, der Kirche "sehr viel" oder "ziemlich" zu vertrauen, 2018 lag das Vertrauen bei 39 Prozent, 2021 nur mehr bei 28 Prozent.

- Die steigende Zahl an Kirchenaustritten begreift er als "weltweite Gesamtentwicklung". Seiner Ansicht nach schwächeln die traditionellen Formen der Religion, weil die Lebensformen der heutigen Gesellschaft sich verändert haben.
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Dem sinkenden Vertrauen in die katholische Kirche steht Schönborn "gelassen" gegenüber. Er ist nicht davon überzeugt, dass das immer so bleiben wird. Außerdem betrachtet er es als weitgreifendes Phänomen: "In allen europäischen Ländern sinkt die religiöse Praxis, aber die Sinnsuche ist nicht weniger geworden."
Die steigende Zahl an Kirchenaustritten begreift er als "weltweite Gesamtentwicklung". Seiner Ansicht nach schwächeln die traditionellen Formen der Religion, weil sich die Lebensweisen der heutigen Gesellschaft verändert haben. "Das erschreckt mich nicht. Meine tiefste Überzeugung ist, dass jeder Mensch in seinem tiefsten Innersten eine Seele hat, die sich nach Sinn, Gemeinschaft und Liebe sehnt. Und diese Sehnsucht wird nie sterben."

- Dem sinkenden Vertrauen in die katholische Kirche steht Schönborn jedoch "gelassen" gegenüber. Er sei nicht davon überzeugt, dass das immer so bleiben wird. Außerdem betrachtet er es als weitgreifendes Phänomen: "In allen europäischen Ländern sinkt die religiöse Praxis, aber die Sinnsuche ist nicht weniger geworden."
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Eine "lebendige Kirchengemeinde" ist seiner Meinung nach eine mögliche Lösung, um Menschen wieder anzuziehen. Zudem sei der Zölibat für Priester revidierbar. Es sei nur die Frage, "wie und wann und wo". Auch hinsichtlich der Rolle der Frau in der katholischen Kirche werde sich etwas ändern. Schönborn berief sich dabei auf den "synodalen Prozess" des Papstes, in dem über Anliegen, die für die Kirche wichtig sind, beraten wird.
Unterstützt die Klimaaktivisten
Die Sorgen junger Menschen, die klimaaktivistisch agieren, kann Schönborn sehr gut nachvollziehen. Er ist davon überzeugt, dass das menschliche Handeln mit dem Klimawandel zusammenhängt.
"Ich bin ein Alt-68er. Ich habe an Studentendemonstrationen teilgenommen. Damals waren die Sorgen anderer Art - es ging um die atomare Rüstung, aber auch diese Sorgen waren lebensbedrohend." Zudem betonte er, dass er Klimaaktivisten in ihrem Anliegen versteht und unterstützt. Gewalt hingegen lehne er ab.
Das ganze Gespräch kannst du in der ORF TV-Thek sehen.
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