KSV1870
6.650 Insolvenzen bei Unternehmen heuer erwartet

- Ricardo-José Vybiral, Vorstand der KSV1870 Holding AG
- Foto: KSV1870
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Österreichs Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Lage, mit anhaltenden Herausforderungen in vielen Bereichen, insbesondere durch hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und eine gedämpfte Konsumneigung, heißt es vom Kreditschutzverband (KSV1870). In den betroffenen Sektoren ist ein starker Zukunftspessimismus zu spüren, die Unternehmer erwarten vor allem regulatorische Erleichterungen, um ihre Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen, sagt CEO Ricardo-José Vybiral.
ÖSTERREICH. In Österreich zeigt sich eine gespaltete Wirtschaftslage: 48 Prozent der Unternehmer bewerten die Geschäftslage als gut bis sehr gut, während der Rest eine deutlich schlechtere Einschätzung hat, so Vybiral bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Besonders problematisch sei die Lage in der Industrie, die von massiven Veränderungen betroffen ist. War die Stimmung im März 2023 in der Industrie noch sehr positiv (75 % der Unternehmen berichteten von guter Auftragslage), hat sich diese nun deutlich verschlechtert, mit nur noch 46 Prozent der Unternehmen, die eine gute Geschäftslage angeben. Besonders besorgniserregend sei die schleichende Deindustrialisierung, da die Industrie in Österreich mit fast 30 Prozent zum BIP beiträgt und ein wichtiger Arbeitgeber ist, betont Vybiral. Auch die Umsatzentwicklung ist von 77 Prozent im März 2023 auf nur noch 27 Prozent gesunken.
Mehr und größere Insolvenzen
Die Unternehmensinsolvenzen in Österreich sind im Jahr 2024 voraussichtlich um 22 Prozent gestiegen (zu 2019 sogar um 30 Prozent) und erreichen rund 6.550 Insolvenzen, sagt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Die Passiva (Schulden) dieser Insolvenzen werden auf etwa 18,3 Milliarden Euro geschätzt, was einen Anstieg von 30,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Die Branchen mit den meisten Insolvenzen sind Gastronomie, Bau und Handel. Besonders stark betroffen sind die Immobilienentwickler. Auch in den kommenden Jahren wird mit einer weiterhin hohen Zahl von Insolvenzen gerechnet.
Wichtigste Faktoren
- Die Passiva (Schulden) der Unternehmensinsolvenzen steigen auf rund 18 Milliarden Euro.
- Es gibt einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen, insbesondere bei großen Unternehmen, wobei 85 Insolvenzen über 10 Millionen Euro verzeichnet wurden.
- Im Hinblick auf die Politik wird betont, dass eine schnelle Lösung der aktuellen Regierungssituation notwendig ist, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Außerdem wird ein weniger starkes Regulativ gefordert, bzw. bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen.
Ausblick
Die Unternehmensinsolvenzen sind im Jahr 2023 um etwa 22 Prozent gestiegen. Die betroffenen Sektoren sind vor allem der Handel, Bau und Gastronomie, aber auch die Industrie, insbesondere durch die Deindustrialisierung, bereitet Sorgen. Es wird erwartet, dass die Wirtschaft auch im nächsten Jahr weiterhin angespannt bleibt.
Zusammenfassend wird die Situation als angespannt beschrieben, mit einem Fokus auf die Deindustrialisierung und eine mögliche schwierige wirtschaftliche Lage im kommenden Jahr.
Positive Entwicklungen
Einige positive Entwicklungen gibt es: Die Hälfte der Industriebetriebe erwartet einen Gewinn zum Jahresende, aber 19 Prozent rechnen mit Verlusten – eine deutliche Zunahme gegenüber dem Vorjahr. Die Zahlungsmodalitäten haben sich verschlechtert, auch wenn die Zahlungserfahrungen insgesamt noch positiv sind. Die Energiekosten bleiben ein großes Thema, auch wenn sich die Lage etwas entspannt hat. Der Fachkräftemangel ist nach wie vor ein großes Problem, insbesondere in Bereichen wie Digitalisierung und Industrie 4.0.
Trotz stabiler Auftragslage gebe es weiterhin Herausforderungen durch Preisdruck, insbesondere von deutschen Automobilherstellern, die Preisreduzierungen fordern. Dies erfordert eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie. Insgesamt bleibt die Zukunft der Industrie in Österreich unsicher, mit einem weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, das durch externe Faktoren wie den deutschen Markt noch stärker belastet wird.
Entwicklung nach Branchen
Die wirtschaftliche Lage in mehreren Sektoren Österreichs zeigt folgende Entwicklungen:
Gastronomie: Die Branche ist von geringem Eigenkapital geprägt und stark personalabhängig. Diese Faktoren machen die Gastronomie besonders anfällig in der aktuellen Wirtschaftslage. Der Umsatz hat sich verschlechtert, und viele Gastronomen haben aufgrund von Personalmangel oder gestiegenen Kosten (insbesondere Energiekosten) reduzierte Öffnungstage. Rund 47 Prozent der Betriebe rechnen dennoch mit einem Gewinn, aber 52 % der Gastronomen berichten von einer geringeren Ausgabebereitschaft der Kunden. Fachkräftemangel und hohe Kosten bleiben große Herausforderungen.
Bauwirtschaft: Auch diese Branche leidet unter den hohen Energiekosten und dem Fachkräftemangel. Es gibt jedoch noch stabile langfristige Aufträge im Hoch- und Tiefbau. Besonders problematisch ist die Baunebengewerbe, die aufgrund gestiegener Zinsen, höherer Kosten und gesunkenem Konsum eine schlechte Auftragslage hat. Im Jahr 2023 wird ein Anstieg der Insolvenzen im Bauwesen um etwa 22 Prozent erwartet. Die Bauwirtschaft ist ebenfalls von einem Rückgang der Privataufträge betroffen.
Handel: Der Handel hat sich strukturell seit der Corona-Pandemie stark verändert. Besonders der stationäre Handel kämpft gegen den Wettbewerb von E-Commerce-Anbietern wie Amazon oder asiatischen Marken. Das Konsumverhalten hat sich geändert, und Kunden kaufen nur noch, was unbedingt notwendig ist. Die Geschäftslage im Handel bleibt mit 40 % schlechter als der österreichische Durchschnitt. Auch hier sind Fachkräftemangel und hohe Energiekosten bedeutende Herausforderungen. Rund 50 % der Handelsbetriebe erwarten einen Gewinn, aber die Konsumzurückhaltung belastet die Branche.
Privatinsolvenzen
Im Zehn-Jahres-Vergleich der Privatinsolvenzen zeigt sich ein interessantes Bild: Zwischen 2012 und 2016 lagen die Zahlen konstant bei etwa 9.500 Insolvenzen jährlich. 2017 gab es einen Rückgang, da die Mindestquote für die Privatinsolvenz (10 %) abgeschafft wurde, was zu einem starken Anstieg der Insolvenzen im Jahr 2018 führte. 2021 gab es eine weitere Gesetzesänderung, bei der die Entschuldungsdauer von fünf auf drei Jahre reduziert wurde, was die Zahl der Insolvenzen wieder senkte. Ab 2022 gab es erneut einen Anstieg, jedoch nicht in dem Ausmaß wie 2019.
Während sich auf Bundesebene die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren nur marginal erhöht hat, verzeichnen die Bundesländer laut aktueller KSV1870 Hochrechnung durchaus unterschiedliche Ergebnisse. Zum Jahresende verzeichnet Niederösterreich mit 1.350 eröffneten Fällen und einem Anstieg von 5,4 Prozent das deutlichste Plus. Komplett gegensätzlich die Entwicklung im Burgenland, das ein Minus von 12,3 Prozent ausweist. Die Bundeshauptstadt Wien liegt mit 3.006 eröffneten Fällen und einem Plus von 4,3 Prozent doch deutlich über dem bundesweiten Schnitt.
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