Bernadette Geieregger
"Niemand wird zur Bürgermeisterin geboren"

Vor rund vier Jahren wurde Bernadette Geieregger zur damals jüngsten Bürgermeisterin Österreichs gewählt. Seither lenkt sie die Geschicke der niederösterreichischen Marktgemeinde Kaltenleutgeben. Es war kein einfacher Start, wie die nunmehr 31-Jährige im "MeinBezirk"-Interview schildert. Denn um sich vor den in der Regel männlichen Kollegen – aktuell liegt der Frauenanteil unter den heimischen Bürgermeister*innen bei 10,8 Prozent – zu beweisen, musste sie sich erst einmal "mehr anstrengen und mehr liefern, als das vielleicht ein Mann hätte tun müssen". Mittlerweile werde sie aber "sehr ernst genommen", so Geieregger, die hofft, als Vorbild mehr "junge Mädels" für die Kommunalpolitik begeistern zu können:

War ihnen schon früh klar, dass Sie später einmal Bürgermeisterin werden wollen? 
Bernadette Geieregger: Es ist es nicht unbedingt so, dass ich als Kind im Spielkasten gesagt habe, ich möchte Bürgermeisterin werden. Das hat sich eher über die Jahre entwickelt. Ich war immer schon ein politisch-interessierter Mensch. Ein Bekannter von mir hat sich dann einmal in der Gemeinde für einen Beachvolleyballplatz eingesetzt und Mitstreiter gesucht. Aus dieser Gruppe hat sich in weiterer Folge die Junge ÖVP in Kaltenleutgeben entwickelt. So bin ich eigentlich in die Politik reingerutscht – gar nicht mit dem Gedanken, dass ich jetzt groß Politik mache, sondern eher, um etwas zu bewegen und zu verändern. Das ist mir bis heute geblieben. 

Welchen (Aus-)Bildungsweg haben Sie abseits von der Politik eingeschlagen?
Ich war nach der Matura ein Jahr in Amerika und habe dort ein Praktikum absolviert. Danach war ich einige Semester an der WU [Wirtschaftsuniversität Wien, Anm.]. Ich habe dann aber das Angebot von der Jungen ÖVP bekommen, Landesgeschäftsführerin in St. Pölten zu werden. Als Vollzeitjob ist das nicht mehr mit der Uni zusammengegangen. Ich habe daher auf die FH nach Krems gewechselt und dort 'Export oriented Management' studiert. Als ich den Abschluss gemacht habe, war ich schon Bürgermeisterin, also es hat sich alles ein bisschen überschnitten.

Sie haben sich dann auch zur Mediatorin ausbilden lassen, wie kam es dazu?
Das habe ich aus dem Bürgermeisteramt heraus gemacht. Weil regelmäßig Nachbarschaftsstreitigkeiten bei mir am Tisch gelandet sind und ich den Eindruck hatte, dass ich den Betroffenen nicht so richtig helfen kann. Sie wollten eigentlich immer, dass ich Probleme löse und für sie entscheide. Aber ich habe da eher den Ansatz, dass ich das gar nicht entscheiden möchte. Daher habe ich gewissermaßen das Handwerkszeug gelernt, diese 'Streithandlung', zu begleiten, sodass die Beteiligten selbst eine Entscheidung treffen. Aktuell schreibe ich meine Masterarbeit in dem Bereich: Da geht es um Konfliktlösungsmethoden im Bürgermeisteramt. Weil ich es sehr spannend finde, dass man den Bürgern mit kleinen Methoden und Tricks dabei helfen kann, selbst gute Entscheidungen zu treffen, mit denen alle zufrieden sind.

Sind Sie in Ihrer politischen Karriere auf Hürden gestoßen? Welche davon waren womöglich dadurch bedingt, dass Sie eine Frau sind?  
Hürden hat jeder in seiner beruflichen Laufbahn, egal ob Mann oder Frau. Aber ich glaube schon, dass es bei Frauen grundsätzlich andere Hürden sind. Dieses Nicht-Ernst-Genommen-Werden war immer etwas, das mich begleitet hat. Ich war 27, als ich zur Bürgermeisterin gewählt wurde – durchaus kein übliches Alter, die meisten Bürgermeister sind so zwischen 50 und 60. Da war es am Anfang schon schwierig, ernst genommen zu werden, sowohl von den Bürgern als auch von den Kollegen. Mittlerweile werde ich sehr ernst genommen, aber das war sicher etwas, bei dem ich mich mehr anstrengen und mehr liefern musste, als das vielleicht ein 40-jähriger Mann hätte tun müssen.

"Mittlerweile werde ich sehr ernst genommen, aber das war sicher etwas, bei dem ich mich mehr anstrengen und mehr liefern musste, als das vielleicht ein 40-jähriger Mann hätte tun müssen." Bernadette Geieregger | Foto: MeinBezirk
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Ist das nach wie vor der Schlüssel zum Erfolg in der Karriere einer Frau? – sich stets mehr anstrengen zu müssen?
Das wird vermutlich noch heute der Schlüssel zum Erfolg sein, aber es ist gewissermaßen auch ein weiblicher Charakterzug: der Perfektionismus, der hohe Anspruch an sich selbst, den Männer manchmal nicht so haben. Und was viele Frauen durchaus hemmt, in die Politik zu gehen, ist, dass man das am Anfang auch einfach nicht kann. Aber das kann niemand. Auch die Männer können das am Anfang nicht und müssen erst einmal probieren. Aber man muss auch nicht immer alles selbst können. Es reicht manchmal durchaus, wenn man, jemanden kennt, der das kann und der hilft.

Haben Sie das Gefühl, dahingehend etwas zum Positiven verändern zu können? 
Ich glaube schon, dass ich da einen Unterschied mache, aber ich glaube, jede Politikerin und jede Frau in einer Führungsposition macht da einen Unterschied. Weil man eine gewisse Vorbildrolle hat, die man im besten Fall auch wahrnimmt. Ich arbeite in meiner Gemeinde sehr viel mit Kindern zusammen und hoffe, dass die jungen Mädels sich womöglich denken: 'Als ich in der Volksschule war, haben wir doch die Bürgermeisterin besucht und wenn die das kann, dann kann ich das auch.' Es wäre schön, wenn wir mehr Gemeinderätinnen hätten. Und wenn man für die ein Vorbild ist, dann ist das schon mal eine gute Sache.

Wo müsste die Politik ansetzen, um Frauen besser zu unterstützen?
Kinderbetreuung ist sicher ein wichtiger Punkt. Kindererziehung ist nicht nur Frauensache! Es war vielleicht früher mal so, in der Generation meiner Großeltern: Die Oma war für die Familie und den Haushalt da und der Opa ist arbeiten gegangen. Heute ist das aber oft anders. Diese Mehrfachbelastung von Haushalt, Erziehung und Beruf ist für Frauen sicher eine Schwierigkeit und da braucht es die Kinderbetreuung in den Gemeinden.

Auch junge Frauen, die Kinder haben, müssen gehört werden. Wenn wir ein System aufbauen, in dem wir nur 50-jährige Männer Platz haben, dann machen wir halt Politik für 50-jährige Männer. Ich vergleiche das gerne mit einem gedeckten Tisch. Der war halt früher nur für Männer gedeckt und diesen Tisch muss man verändern und anders decken, damit Frauen, egal welches Alters, jetzt auch an diesem Tisch Platz haben.

"Auch junge Frauen, die Kinder haben, müssen gehört werden. Wenn wir ein System aufbauen, in dem wir nur 50-jährige Männer Platz haben, dann machen wir halt Politik für 50-jährige Männer." Bernadette Geieregger | Foto: MeinBezirk
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Haben Sie Ratschläge für junge Frauen, die politisch motiviert sind und sich engagieren möchten?
Wenn man politisch interessiert ist, dann könnte man zunächst einmal Kontakt mit der Gemeindepartei aufnehmen und da reinschnuppern. In 99 Prozent der Fälle wird man dort total happy sein, dass sich eine junge Frau meldet und sie gleich einbinden. Wenn man erst einmal dabei ist, dann muss man auch mutig sein und sagen: 'Hey, ich würde auch gerne eine Aufgabe im Gemeinderat oder in der Gemeindepartei übernehmen.' Und wenn der Moment da ist, dass man gefragt wird, dann muss man auch 'Ja' sagen. Auch wenn man sich das vielleicht gar nicht zutraut, aber das geht schon. Niemand wird zum Bürgermeister oder zur Bürgermeisterin geboren und niemand kann alles, vor allem auch nicht am Anfang. Man muss in die Aufgabe hineinwachsen. Und davor muss man mutig sein.

Haben Sie zum Abschluss noch einen Leitsatz, den Sie mit unseren Leserinnen und Lesern teilen möchten?
Ich habe schon sehr lange ein Motto, das für mich immer noch sehr passend ist: Hör nie auf anzufangen, fang nie an aufzuhören. Das trifft es für das politische Dasein ganz gut: Dass man einfach immer am Ball bleiben muss und sich immer weiterentwickeln sollte.

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