70-minütige Bühnencollage
Die Spur des "Koralmschrecks" führt in die Tenne

Das Ensemble des Kürbis Wies bringt den "Koralmschreck" auf die Bühne der Schlosstenne Burgstall. | Foto: Josef Fürbass
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  • Das Ensemble des Kürbis Wies bringt den "Koralmschreck" auf die Bühne der Schlosstenne Burgstall.
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Mal fehlt da ein Schaf, geht dort ein Kalb ab. Steckt ein Wolf dahinter, der sich von Bachern her in das Koralmgebiet verirrt hat und nun hier auf Beutezug geht? Oder verbirgt sich hinter dem Gespenst gar ein Mensch, der in der Gegend sein Unwesen treibt? Mit der Aufführung "Der Koralmschreck" ruft der Kürbis Wies ein Thema in Erinnerung, das einst im waldreichen und dadurch schwer zu durchkämmenden Grenzgebiet von Kärnten und der Steiermark für große Unsicherheit gesorgt hat. Premiere ist am 7. September um 20 Uhr in der Schlosstenne Burgstall.

WIES. 2024 jährt sich die Erschießung von Phillip "Lipperl" Eberl, der nach einem tödlichen Angriff auf eine Wirtin in Weißenberg lange Zeit als einer der meistgesuchten Verbrecher im Koralmraum galt, zum 100. Mal. Doch bereits heuer rollt die Kulturinitiative Kürbis Wies den Fall unter dem Titel „Der Koralmschreck“ theatralisch neu auf. Als Quelle dient ihr Material, das die Journalistin Alexandra Kofler im Zuge ihrer umfassenden Recherchen für eine Reportage zusammen getragen hat: Gendarmerie- und Gerichtsprotokolle, Zeitungsartikeln (z. B. Kleine Zeitung, Kärntner Tagblatt), aber auch Erzählungen von Personen, die dem "Lipperl" persönlich begegnet sind. Mit der Idee, die Geschichte auf die Bühne der Schlosstenne Burgstall zu bringen, gelingt es Karl Posch vom Kürbis Wies im Handumdrehen, Wolfgang Fasching als Regisseur für das Projekt zu gewinnen. "Er war gleich fasziniert", so der dramaturgische Berater.
"Alles was also an Tatsachen überliefert war, habe ich in 28 Szenen, verpackt!", erklärt Wolfgang Fasching, der nicht nur für die Regie und Texte sondern auch die Musik verantwortlich zeichnet und sogar ein "Raubmörderlied" geschrieben hat. Ein Auszug daraus: "Kraxln über steile Felsn, stolpern, rutschen, niederfalln, auffi, owi, lauern, passn, mit der Flintn umaknalln."

"Es ist eine theatralische Collage aus Fakten und Fantasiegeschichten. Wir stellen sie wertfrei auf die Bühne. Das Werturteil soll sich das Publikum bilden."
Regisseur Wolfgang Fasching

Eberl, Anna, viel Volk und ein permanenter Rollentausch

Elf Personen setzen das volkskulturelle Bühnenprojekt mit Musik vom "Drei Dirndl Takt" (Juliana Pauritsch, Magdalena Pauritsch und Anna Pühringer) um, wobei lediglich die Zentralfiguren, nämlich der Eberl(Franz Fenninger) und dessen Braut Anna (Gudrun Lukas), fix besetzt sind. "Die anderen Darsteller wechseln in den jeweiligen Szenen ihre Rollen." Thomas Fasching, Johanna Hainzl, Lisbeth Kohlberger, Julia Krasser, Oskar Ribul, Adrian Stelzl und die Musikerinnen des "Drei Dirndl Takts" sorgen für viel Volk auf der Bühne. Darauf deuten auch die sichtbaren Kleiderständer hin. Ob Almhalter, Gendarmen, Wirtin, Kellnerin, Bäuerin, Soldaten, Richter, Passanten – viele Personen sind Bestandteil der Geschichte. "Mir liegt viel daran, den Eberl und seine Braut nicht als gute oder schlechte Menschen darzustellen, sondern aufzuzeigen, wie sie miteinander umgegangen sind", betont Fasching.

Vom Halterbub zum Koralmschreck

Um die damaligen Zeitumstände zu studieren, hat Wolfgang Fasching in den alten Unterlagen Einsicht genommen und dabei auch einiges über den Hauptprotagonisten in Erfahrung gebracht. Einerseits wird ihm Gewaltbereitschaft attestiert, andererseits soll er Christ gewesen sein und immer einen Rosenkranz bei sich getragen haben. Er soll sich auch rührend um seine Geliebte gekümmert haben.
Das Leben von Philipp Eberl nimmt am 27. April 1890 mit der Geburt in einer armseligen Holzknechthütte in St. Vinzenz im Grenzgebiet Kärnten-Steiermark seinen Lauf. Er wächst bei seiner Großmutter auf. Zunächst verdingt er sich als Halterbub für die Sobother Bauern auf der Dreiecksalm, danach arbeitet der kräftige Bursche als Holzknecht. Im 1. Weltkrieg kämpft er als Soldat an der Italienfront. Während des Heimaturlaubes in Soboth besucht der 28-Jährige ein Kirchweihfest im kärntnerischen Weißenberg. Dabei gerät er in einen heftigen Streit mit der Wirtin und ersticht sie. Eberl flieht zurück an die Front. Nach Kriegsende wird er verhaftet und zu einer längeren Gefängnisstrafe in Graz verurteilt. Wieder in Freiheit, versucht er in St. Vinzenz erneut in seinem ehemaligen Brotberuf als Holzknecht Fuß zu fassen, was ihm aber nicht gelingt. Eberl wird straffällig und für zahlreiche Einbrüche, Räubereien und Gewalttaten verantwortlich gemacht. Meist haust er in einer Höhle unterhalb des Großen Speiks.

Haus und Stall wurden sorgfältig versperrt

Die Angst war in all dieser Zeit ein ständiger Begleiter. Frauen und Kinder wagten sich bei Einbruch der Dämmerung kaum noch aus dem Haus. Die Bauern verschlossen ihren Stall jeden Abend besonders gut, um nicht am nächsten Morgen feststellen zu müssen, dass wieder eines ihrer Tiere verschwunden war. Es kamen jedoch auch Hausrat und Wertgegenstände abhanden. Und davon ergreift kein Wolf Besitz. Allmählich sickerte die Vermutung durch, dass es sich bei dem bis dahin unbekannten Wesen doch um einen Menschen handeln könnte. Der Verdacht erhärtete sich zunehmend...

"Tretn, beißn, flüchten, decken und nach den Gendarmen schaun."

Die Fahndung war nicht einfach, denn Eberl kannte die Region wie seine Westentasche und war auch ein Verwandlungskünstler, wie sich später in seinem Unterschlupf herausstellen sollte. Als Phantom narrte er jahrelang die Justiz. Die Gesellschaft war gespalten, die Meinungen gingen auseinander. Manche Leute verrieten der Gendarmerie seine Verstecke, um wieder zu ihrem Hab und Gut zu kommen, das er ihnen entwendet hatte. Die Almbewohner fürchteten den Jähzorn und die Kraft des "Lipperl". Es soll jedoch auch Menschen gegeben haben, die ihm Post zukommen ließen, wenn sie Wind davon bekamen, dass wieder einmal eine regelrechte "Treibjagd" auf ihn unternommen werden sollte.
1924 fand das Katz- und Mausspiel, dass sich Eberl mit der Exekutive lieferte, ein dramatisches Ende: Er wurde vor seiner Höhle erschossen. Zwei Gendarmen waren laut Bericht von Schwanberg aufgestiegen und hatten sich dort in Stellung gebracht. Angeblich soll Eberls Waffe eine Ladehemmung gehabt haben. Der Tod vom "Lipperl" – er wurde 34 Jahre alt - verbreitete sich wie ein Lauffeuer...
Seine letzte Ruhestätte soll er außerhalb des kleinen Bergfriedhofes in St. Anna ob Schwanberg gefunden haben. „Verbrecher wurden nicht in geweihter Erde und meist ohne Kranz und Stein beerdigt“, räumt Wolfgang Fasching ein. "Mitunter hat man sogar noch Gras eingesät, damit möglichst rasch nichts mehr von einem Grab zu sehen sein sollte." Hin und wieder soll aber heute noch ein Kerzerl außerhalb der Friedhofsmauer für den "Lipperl" brennen...
Eva Joham (Bühnenbild), Max Frass (Technik), Christian Koschar (Fotos), Bettina Dreissger und Christine Koinegg (Kostüme) tragen hinter den Kulissen zum Gelingen der Aufführung bei.
Weitere Spieltermine: 8., 13., 14. und 15. September mit Beginn um 20 Uhr sowie am 17. September um 17 Uhr. Kartenreservierung und Info: 0664/1615554, 03465/7038, kuerbis@kuerbis.at oder online unter www.kuerbis.at

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